SchlafstörungenSchlaf stärkt das Immunsystem

Schichtarbeit, Stress oder Ängste können Ursache für Schlafmangel sein. Er beeinträchtigt nicht nur das Befinden und die Leistungsfähigkeit, sondern kann auch Erkrankungen begünstigen.

Inhalt
Analoger Wecker unter einer weißen Decke.
alice_photo/stock.adobe.com

Immer mehr Studien belegen, dass insbesondere das Immunsystem für seine Funktionsfähigkeit auf regelmäßigen und erholsamen Schlaf angewiesen ist.

Schichtarbeit, Stress im Beruf oder in der Familie, lange Nächte am PC, Sorgen und Ängste: Die Liste an Ursachen, die zu Schlafstörungen führen können, ließe sich weiter fortsetzen. Schlafstörungen und daraus resultierender Schlafmangel beeinträchtigen jedoch nicht nur das Befinden und die Leistungsfähigkeit, sondern können auch zu ernsthaften Erkrankungen führen.

Insbesondere das Immunsystem benötigt regelmäßigen, erholsamen Schlaf, um seine Funktionen im Organismus erfüllen zu können. Ein gesunder, erholsamer Schlaf kann darüber entscheiden, ob wir bei der jährlichen Grippewelle erkranken oder nicht. Laut Prof. Oliver Keppler vom Max-von-Pettenkofer-Institut München weisen Menschen, die zu wenig schlafen, ein 2- bis 4-mal höheres Infektionsrisiko für Erkältungen auf als Menschen, die ausreichend schlafen.

Licht und Dunkelheit

Dass Menschen, die in Schichten arbeiten, häufiger unter Schlafstörungen leiden, ist hinlänglich bekannt. Ein Grund dafür liegt in der gestörten Melatoninproduktion durch die fehlende Dunkelheit in der Schlafumgebung. Studien haben gezeigt, dass dadurch u. a. das Risiko für Krebserkrankungen steigt bzw. das Ansprechen auf Krebstherapien beeinflusst werden kann. Die wissenschaftlichen Arbeiten weisen auch darauf hin, dass bereits kleine Lichtmengen die Melatoninausschüttung herabsetzen – und damit den Schlaf und die Regeneration des Organismus gefährden.

In einer Studie US-amerikanischer Wissenschaftler wurden beispielsweise die Auswirkungen von nächtlichem Licht auf die Aktivität von Krebszellen und einen möglichen Zusammenhang mit der Wirksamkeit einer Tamoxifentherapie bei Brustkrebs untersucht. Die Forscher konnten im Tierversuch nachweisen, dass gedimmtes Licht die nächtliche Melatoninausschüttung stört und in der Folge das Ansprechen des Tumors auf eine Tamoxifentherapie herabsetzt. In der Studie wurden brustkrebskranke Ratten in 4 Gruppen eingeteilt. Zwei Gruppen schliefen bei absoluter Dunkelheit, 2 weitere bei leichtem Dämmerlicht. Jeweils eine der Gruppen erhielt zusätzlich Tamoxifen. Die Ergebnisse zeigen ein 2,6-fach beschleunigtes Krebswachstum bei den Ratten, die mit Licht schliefen im Vergleich zu denjenigen, die bei Dunkelheit schliefen. Der Melatoninspiegel blieb bei den Dämmerlicht-Ratten dauerhaft niedrig, als würden diese durchgehend im vollen Tageslicht verbringen. Zudem blieb das Tamoxifen bei den Ratten, die nächtlichem Licht ausgesetzt waren, unwirksam, der Tumor wuchs weiter. Erhielten diese Ratten allerdings Melatonininjektionen, war das Tumorwachstum verlangsamt [1].

Israelische Forscher untersuchten in einer Literaturanalyse die Auswirkungen von künstlichem nächtlichem Licht und dessen Zusammenhang mit verschiedenen Krankheiten einschließlich Krebs. Als eine der möglichen Ursachen für die steigende Krebsinzidenz berichten die Forscher die gestiegene nächtliche Lichtverschmutzung. Nächtliches Licht stört demnach zentrale biologische Vorgänge, z. B. die nächtliche Melatoninausschüttung. Diese epigenetischen Veränderungen beeinflussen zudem die Genregulation und -expression, mit starken Effekten auf die Krankheitsentstehung und insbesondere die Tumorentstehung, schlussfolgern die Forscher [2].

Selbstheilung im Schlaf

„Schlaf ist die beste Medizin.“ „Schlaf dich gesund.“ – Die Bedeutung des Schlafs bei Krankheit ist schon lange empirisch belegt. Es wird allgemein angenommen, dass ausreichend Schlaf für das Immunsystem essenziell ist, genaue wissenschaftliche Erklärungen, über welche Mechanismen dies geschieht, stehen allerdings noch aus.

Eine aktuelle Studie konnte einen Mechanismus aufdecken, über den Schlaf das Immunsystem fördert. Wissenschaftler aus Tübingen und Lübeck hatten dazu mit Probanden ein 24-stündiges Experiment durchgeführt: Gruppe 1 konnte nachts 8 Stunden schlafen, Gruppe 2 blieb wach. Im Blut der Probanden wurde im genannten Zeitraum die Adhäsionsfähigkeit der T-Zellen bestimmt. Es zeigte sich, dass die Adhäsionsfähigkeit der zirkulierenden T-Zellen bei Gruppe 2 reduziert war. Zusätzlich wurde Plasma der Probanden auf isolierte T-Zellen gegeben, auch das Plasma der Probanden von Gruppe 2 senkte signifikant die Adhäsionsfähigkeit im Vergleich zu den Probanden von Gruppe 1. „Bereits 3 Stunden ohne Schlaf sind ausreichend, um die Funktion wichtiger Immunzellen zu reduzieren“, so die Forscher.

Stress und Schlafmangel wurden als weitere Einflussfaktoren, die das Immunsystem beeinträchtigen können, ermittelt: So zeigten parallel laufende Experimente, dass z. B. die Stresshormone Adrenalin und Prostaglandine die Adhäsionsfähigkeit der T-Zellen deutlich reduzieren [3].

Infektanfälligkeit steigt

Dass eine zu kurze Schlafdauer und eine schlechte Schlafqualität die Infektanfälligkeit steigern, zeigten Wissenschaftler in einer Studie mit 164 gesunden Männern und Frauen im Alter von 18–55 Jahren. Bei den Probanden wurde mittels Aktigraphie am Handgelenk und mit Schlaftagebüchern die Schlafdauer über 7 aufeinanderfolgende Tage bewertet. Anschließend wurden die Teilnehmer unter Quarantäne gestellt und erhielten Nasentropfen, die das Rhinovirus enthielten. Die Probanden wurden nun 5 weitere Tage auf die Entwicklung einer klinischen Erkältung hin überwacht. Das Ergebnis zeigt, dass eine kürzere Schlafdauer vor der Virusexposition mit einer erhöhten Anfälligkeit für Erkältungen verbunden war. Diejenigen, die weniger als 5 Stunden und zwischen 5 und 6 Stunden geschlafen hatten, wiesen ein erheblich größeres Risiko auf eine Erkältung zu entwickeln, als die Probanden, die 6 bis 7 Stunden und mehr Schlaf hatten. Das Antikörperniveau, demografische Merkmale, Body-Mass-Index und Jahreszeit zeigten in der Studie hingegen keinen Einfluss [4].

Immunantwort wird gefördert

Bereits 2003 konnten Forscher von der Universität Lübeck in einer kleinen Studie nachweisen, dass Schlaf die Antikörperbildung nach einer Impfung fördert. In der Studie wurde 19 gesunden Probanden um 9 Uhr eine Hepatitis-A-Impfung verabreicht. Anschließend wurden 2 Gruppen gebildet: Gruppe 1 durfte regulär schlafen, Gruppe 2 erst wieder am Folgetag ab 21 Uhr. 28 Tage nach der Impfung maßen die Forscher mehrmals die Hepatitis-A-Antikörper-Titer. Zusätzlich wurden in der Nacht und am Tag nach der Impfung die Plasmahormonkonzentrationen und die Leukozyten bestimmt.

Die Hepatitis-A-Antikörper-Titer waren 4 Wochen nach der Impfung bei den Probanden, die nachts schlafen durften, fast 2-fach höher im Vergleich zu denen, die wach geblieben waren. Die Hormonbestimmungen ergaben höhere Werte bei den immunstimulierenden Hormonen (Wachstumshormon, Prolaktin, Dopamin) in der Schlafgruppe, Thyrotropin, Norepinephrin und Epinephrin waren niedriger im Vergleich zur Wachgruppe. Die Leukozytenzahl wurde durch Schlaf oder Schlafentzug nur in geringem Maße beeinflusst.

Schlaf fördere vermutlich die Antikörperbildung nach einer Impfung und ein hormonelles Umfeld in den Lymphgeweben, das die Lymphozytenproliferation und -differenzierung sowie die Antikörpersynthese begünstigt, so das Fazit der Forscher [5].

Fazit

Regelmäßiger, gesunder Schlaf trägt wesentlich zur Regeneration des Organismus bei. Dass Schlaf ausgesprochen wichtig für die Immunfunktion ist, zeigt die Empirie schon lange. Auch wenn viele Mechanismen, wie Schlaf die Funktionen des Immunsystems fördert, noch nicht vollständig geklärt sind, liegen zahlreiche Hinweise vor, die die empirischen Beobachtungen bestätigen.

Menschen, die zu wenig und zu unregelmäßig schlafen, weisen u. a. eine herabgesetzte Hormonausschüttung auf (Melatonin, Leptin und Prolaktin), was das Immunsystem auf Dauer schwächt. Das führt nicht nur zu verminderter Leistungsfähigkeit, sondern lässt u. a. die Infektanfälligkeit steigen oder kann die Wirkung bestimmter Medikamente herabsetzen. Eine dunkle Schlafumgebung (nächtlicher Schlaf) ohne störende Lichtquellen im Schlafraum ist relevant für die Ausschüttung des Schlafhormons Melatonin. Bereits schwache oder gedimmte Lichtquellen können die Melatoninausschüttung herabsetzen und so den nächtlichen Schlaf beeinträchtigen.

Es empfiehlt sich, vor dem Zubettgehen auf eine schlaffördernde Umgebung zu achten und schlafförderndes Verhalten zu kultivieren: Das heißt z. B., auf aufregende Filme und Serien am Abend zu verzichten, die Computer-, Tablet- und Smartphonenutzung auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Dafür besser durch Bewegung an der frischen Luft, Yoga, Meditation oder eine Massage nach einem stressigen Tag Entspannung und Ruhe einkehren lassen, um einen erholsamen Schlaf zu unterstützen.

Eine ausgewogene Ernährung, die immunaktive Nährstoffe wie Vitamin C und D, Selen, Zink und Omega-3 im Blick hat, kann das Immunsystem zusätzlich unterstützen.

Alexander Heinzlmeier

beschäftigt sich seit seiner erfolgreichen Rehabilitation von Depression und Burnout im Jahr 2008 mit ganzheitlicher Gesundheit für Seele, Geist und Körper. Seit 2014 begleitet er Menschen dabei, gesünder, glücklicher und länger zu leben. Er hat u. a. über 200 Interviews mit ganzheitlichen Ärzten, Heilpraktikern, Schlaf-, Gesundheits- und Bewusstseinsforschern geführt und daraus Online-Kongresse produziert, u. a. einen Schlafkongress.

Interessenkonflikt: Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

  1. Dauchy RT, Xiang S, Mao L. et al. Circadian and melatonin disruption by exposure to light at night drives intrinsic resistance to tamoxifen therapy in breast cancer. Cancer Res 2014; 74 (15) 4099-4110
  2. Haim A, Zubidat AE. Artificial light at night: Melatonin as a mediator between the environment and epigenome. Philos Trans R Soc Lond B Biol Sci. 2015 DOI: doi:10.1098/rstb.2014.0121
  3. Dimitrov S, Lange T, Gouttefangeas C. et al. Gαs-coupled receptor signaling and sleep regulate integrin activation of human antigen-specific T cells. L Exp Med 2019; 216 (03) 517-526 (Pressemeldung: www.uni-luebeck.de/aktuelles/nachricht/artikel/wie-schlaf-das-immunsystem-staerkt-1.html)
  4. Prather AA, Janicki-Deverts D, Hall MH. et al. Behaviorally assessed sleep and susceptibility to the common cold. Sleep 2015; 38 (09) 1353-1359
  5. Lange T, Perras B, Fehm HL. et al. Sleep enhances the human antibody response to hepatitis A vaccination. Psychosom Med 2003; 65: 831-835