Aktionstag Gesunder SchlafErholsamer Schlaf: Quo vadis?

Was taugen Wearables und Gadgets in der Schlafanalyse? Wie beeinflussen Krisensituationen den Schlaf? Wann und wie sollten Schlafstörungen behandelt werden? Diesen Fragen widmet sich die DGSM am heutigen Aktionstag Erholsamer Schlaf.

Wecker, Schlafstörungen
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Was taugen Wearables und Gadgets in der Schlafanalyse? Wie beeinflussen Krisensituationen den Schlaf? Wann und wie sollten Schlafstörungen behandelt werden? Diesen Fragen widmet sich die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) (nicht nur) am heutigen Aktionstag Erholsamer Schlaf.

Epidemiologische Studien zeigen, dass zwischen 6 und 10 Prozent der Bevölkerung an einer behandlungsbedürftigen Insomnie leiden. Zwischen 1,1 und 1,9 Mio. Menschen in Deutschland nehmen Schlafmittel ein und haben sich an sie gewöhnt.

Dr. Anna Heidbreder von der Medizinischen Universität Innsbruck weist auf die essenzielle Bedeutung des Schlafs für Immunsystem, mentale Gesundheit und Stressabbau hin. Zudem ist Schlaf wichtig, um mit Stress und Ängsten umgehen zu können. Die Pandemie hatte für viele Menschen auch Schlafstörungen zur Folge. Man geht davon aus, dass ca. 40 Prozent der Bevölkerung zumindest vorübergehend unter Schlafstörungen während der Krise litten oder immer noch leiden. Betroffen sind alle Altersgruppen und Geschlechter. Auch andere Krisen wie der Krieg in der Ukraine führen bei vielen Menschen zu einer relevanten Belastung und tragen durch den damit verbundenen Stress zu einer Beeinträchtigung des Schlafes bei. Der Stress kann auch zu Erschöpfung und Müdigkeit und damit zu Energielosigkeit und fehlender Motivation führen, was sich zusätzlich auf einen schlechten Schlaf auswirkt.

Heidbreder empfiehlt, Schlafstörungen unbedingt ernst zu nehmen. Zunächst empfehlen sich Maßnahmen zur Schlafhygiene:

Tipps für eine gute Schlafhygiene

  • Regelmäßige körperliche Aktivität am Tag (nicht direkt vor dem Zubettgehen).
  • Regelmäßiger Tagesablauf mit festen Aufsteh- und Zubettgehzeiten, Esszeiten und Zeiten für körperliche Aktivität.
  • Allabendliches Schlafritual, mit dem man den Tag abschließt und versucht, langsam runter zu fahren.
  • Auf Mittagschlaf möglichst verzichten. Ist dieser nötig, dann nicht länger als 30 Minuten und am frühen Nachmittag zu halten, um genügend Abstand zum Schlaf in der Nacht zu haben.
  • Angenehme Temperatur und Abdunkelung im Schlafraum, da Licht den Schlaf erheblich stören kann.
  • Das Bett sollte bequem und nur zum Schlafen (und Sex) vorbehalten sein.
  • Auf Rauchen und Alkohol verzichten, beides verschlechtert den Schlaf nachweislich.
  • Keine großen und schweren Mahlzeiten vor dem zu Bett gehen.

Quelle: www.dgsm.de

Temporäre Schlafstörungen in Phasen von Anspannung oder Stress sind nichts Ungewöhnliches. Halten sie jedoch an, sollten sie möglichst frühzeitig erkannt und behandelt werden.

Digitalisierte Diagnostik und Therapie

Die Insomnie geht mit einem erhöhten Risiko einher, in den Folgejahren eine Herz-Kreislauf-Erkrankung oder eine Depression entwickeln. Gemäß der entsprechenden Leitlinie der DGSM sollte allen Erwachsenen mit einer Insomnie als erste Behandlungsoption die kognitive Verhaltenstherapie für Insomnie angeboten werden. Diese psychotherapeutische Kurzzeitbehandlung ist spezifisch auf das Thema Schlafstörungen zugeschnitten. Die Behandlung ist langfristig effektiv, das Auftreten von Ein- und Durchschlafstörungen zu vermindern. Durch das Versorgungsdefizit in Deutschland erhält allerdings nur ein kleiner Anteil der Betroffenen diese effektivste Behandlung für ihre Schlafstörung.

Seit einigen Jahren werden daher digitale Technologien eingesetzt, um die kognitive Verhaltenstherapie für Insomnie über das Internet mehr Patient*innen zur Verfügung zu stellen. Da dieser Trend zu digitalen Interventionen für die Insomnie auch im internationalen Kontext zu beobachten ist, ist die wissenschaftliche Erforschung dieser Behandlungen inzwischen relativ weit fortgeschritten:

Die Forschung hat eindeutig ergeben, dass die digitalen Interventionen wirksam sind.

Aus Sicht der DGSM wäre es sehr zu begrüßen, wenn alle Patient*innen mit Insomnie Zugang zur kognitiven Verhaltenstherapie für Insomnie erhalten würden. Digitale Technologien können hierbei eine sehr wichtige Rolle spielen.

Telemedizinische Diagnostik wird darüber hinaus auch in weiteren Feldern der Schlafmedizin eingesetzt. In Zeiten der Pandemie wurden vielfach Videokonsultationen durchgeführt. Die Übersendung eines diagnostischen Gerätes und das telemedizinische Weitersenden der Untersuchungsergebnisse hat in den letzten zwei Jahren stark zugenommen. Schon lange in Verwendung ist die telemedizinische Datenübermittlung beim Gebrauch von CPAP in der Therapie der Schlafapnoe. Nutzungsdauer, Leckagen und Maskenprobleme können so vom Service Provider erkannt werden und schnell einer Lösung zugeführt werden.

Sleeptracker und Apps

Diverse Sleeptracker und Apps auf dem Markt werden zur Vermessung des eigenen Schlafes angeboten. Manche sollen die Diagnose von Schlafstörungen wie die Schlafapnoe ermöglichen. Zu den Gadgets, die für einen besseren Schlaf sorgen sollen, gehören u.a. Kuschel-Schlafroboter, die synchron mit den Schlafenden atmen, Gewichtsdecken, Lichtmetronome, Stirnbänder zur Stimulation der Gehirnströme oder intelligente Schlafmatten. 

Was ist dran am Versprechen eines besseren Schlafes?

Die allerwenigsten dieser Gadgets sind wissenschaftlich erprobt und in ihrer Wirksamkeit evaluiert. „Bei vielen Schlaftrackern und Apps handelt es sich im eigentlichen Sinne um Steinzeitmethoden der Schlafforschung“, so Hans-Günter Weeß, Vorstandsmitglied der DGSM. Sie vermitteln einen hochtechnischen und wissenschaftlichen Charakter. Viele beruhen aber auf der Analyse der Bewegungshäufigkeit und nutzen oft als einziges Biosignal den Puls.

Grundsätzlich könnten digitale Methoden, die zu Hause angewendet werden, die Therapie von Insomnien wirksam unterstützen. Sie sollten jedoch wissenschaftlich evaluiert werden und den Therapiestandards entsprechen.

Christoph Schöbel, Vorstandsmitglied der DGSM, sieht auch Risiken: 

  • Die Gadgets verstärken bei Patient*innen mit Schlafstörungen die Selbstbeobachtung des eigenen Schlafvermögens und wirken in der Konsequenz häufig schlafstörungsverstärkend.
  • Viele Menschen verlassen sich nicht mehr auf das eigene Körpergefühl am Morgen, sondern schauen erst auf das Ergebnis des Schlaftrackers und fühlen sich dann entsprechend.
  • Aufgrund ihrer fehlenden Genauigkeit können die Geräte Menschen mit Schlafstörungen einen gesunden Schlaf attestieren, sodass sie keine weitere Hilfe in Anspruch nehmen. Anderseits ist es möglich, dass Menschen mit einem gesunden Schlaf ein nicht erholsamer Schlaf attestiert wird, was diese wiederum verunsichern kann.

DGSM empfiehlt wissenschaftlich erprobtes Stufenmodell zur Therapie

  1. Durch die Indikationsstellung eines in der Schlafmedizin geschulten Ärzt:in oder Therapeut:in werden auf einer ersten Behandlungsstufe evidenzbasierte selbstwirksame Techniken über Onlineprogramme, Selbsthilfebücher (Bibliotherapie), Lehrvideos (Psychoedukationsvideos) und Selbsthilfegruppen vermittelt. Mittlerweile setzt hier auch eine von den Krankenkassen finanzierte „App auf Rezept“ verhaltenstherapeutische Elemente zur Insomnietherapie digital um.
  2. Patienten, die von diesen Angeboten nicht profitieren, werden in einer zweiten Behandlungsstufe Gruppenangeboten von geschultem medizinischen Fachpersonal zugeführt.
  3. Erst auf einer weiteren dritten Behandlungsstufe kommen Psychotherapeut:in mit Gruppen- und Einzelangeboten auf den Behandlungsplan. Alle Patient:innen, die von den zuvor genannten Behandlungsstufen nicht profitieren, muss dann eine Behandlung in einem schlafmedizinischen Zentrum im Rahmen einer obersten Behandlungsstufe angeboten werden.

Bei diesem Vorgehen kommt dem Hausärzt:in neben seiner Behandlungs- auch eine Steuerungsfunktion für die Patient:innen durch das Stepped-Care Modell zu. Er schließt organische Ursachen der Schlafstörung aus und verordnet im Bedarfsfall kurzfristig zur Erhaltung des Leistungsniveaus und der Arbeitsfähigkeit ein Schlafmittel. Wesentlich ist aber die Lotsenfunktion durch die gestuften Insomnie-Behandlungsangebote. In diesem Rahmen führt er die Patient:innen durch die verschiedenen Behandlungsangebote und evaluiert deren jeweilige Wirksamkeit.

Schlafstörungen in der hausärztlichen Versorgung

"Schlafmedizin braucht die breite Basis der primärmedizinisch-hausärztlichen Versorgung. Die dortigen Check-up-Programme sollten um schlafmedizinische Kriterien erweitert werden. Die Fragen ‚Wie haben Sie geschlafen?‘ oder ‚Sind Sie tagsüber müde?‘ sind keineswegs trivial, sie können Leben retten. Schlaf ist ein Vitalparameter und ebenso zu beurteilen wie Blutdruckmessung, EKG, Lungenfunktion und Blutzuckermessung“, sagt die niedergelassene Ärztin PD Dr. Renate Weber.

Sie hat 528 Patientendaten aus ihrer Praxis ausgewertet, die zwischen 2018 und 2022 im schlafmedizinischen Screening mittels Polygraphie untersucht wurden. Ausgewählt wurden Patienten der Check-up 18- und 35-Programme, geriatrische Patienten, Patienten mit COPD, Asthma, koronarer Herzstörung, Diabetes, Depression oder anderen psychischen Störungen, die eine schlafbezogene Störung aufgrund von subjektiv oder fremdanamnestisch erhobenen Schlafproblemen und Tagesschläfrigkeit wahrscheinlich machten. Dabei konnten bis zu 25 Prozent der Patienten identifiziert werden, die in einem weiterführenden Screening und Therapieplan der schlafmedizinischen Behandlung zugeführt wurden. „Dies bedeutet, dass nach sorgsamer Anamnese die einfache Polygraphie bis zu einem Viertel unserer Patienten vor Schäden schützen kann. Jeder Vierte der eingeschlossenen Patienten wäre ohne konkrete Ansprache durch den Hausarzt nicht der schlafmedizinischen Behandlung zugeführt worden“, erklärt Dr. Weber.

Die Patientenprofile verdeutlichen, dass der BMI als Richtschnur dienen kann, nicht aber ein zuverlässiges Kriterium darstellt, atmungsbezogene Schlafstörungen auszuschließen. Besonders Berufe, die eine hohe soziale Verantwortung übernehmen, sind schlafmedizinisch unbedingt im Rahmen der Check-up-Programme zu screenen.

Darüber hinaus zeigen neue Analysen, dass insbesondere nach einer Covid-19-Infektion Schlafstörungen entstehen können. Patienten, die im Rahmen eines Post-Covid-Syndroms polygraphisch gescreent wurden, zeigen keine signifikante Vermehrung von Schlafapnoen, jedoch scheint es tendenziell zu vermehrten Phasen erniedrigter Sauerstoffsättigung in der Nacht zu kommen. Diesem Phänomen wird aktuell in einer vergrößerten Stichprobe nachgegangen.

Störungen der Schlafqualität sind nicht nur die klassisch bemerkbaren Ein- und Durchschlafstörungen. Auch Menschen, die davon ausgehen gut zu schlafen, können Störungen aufweisen. Diese Störungen frühzeitig zu erkennen, schützt wesentlich vor funktionalen Störungen unter anderem vor Bluthochdruck, Herzinsuffizienz, Demenz und Schlaganfall. Atmungsbezogene und weitere Schlafstörungen werden mit den Screening-Methoden der Schlafmedizin diagnostizierbar.

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin