PräventionMikronährstoffe in Schwangerschaft und Stillzeit

Eine adäquate Mikronährstoffversorgung ist essenziell für die mütterliche Gesundheit und die Entwicklung des heranwachsenden Kindes. Die zielgerichtete Supplementierung ist ein wichtiger Teilaspekt der Betreuung.

Schwangere Frau mit einem Glas Wasser und einer Tablette.
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Insb. bei unzureichender Versorgung mit den Vitaminen B12 und Folsäure sowie dem Spurenelement Eisen und dem Elektrolyt Magnesium kann es zu Mangelzuständen, geistigen und körperlichen Entwicklungsstörungen sowie zu Frühgeburten und Aborten kommen.

von Klaus Kisters, Sophia Kisters, Uwe Gröber

Inhalt

Folsäure-Mangel – erhöhtes Risiko für Komplikationen

Risiken eines Vitamin-B12-Mangels in der Gravidität

Eisenmangel bei Schwangeren

Der Mineralstoff Magnesium in der Schwangerschaft

Folsäure-Mangel – erhöhtes Risiko für Komplikationen

Folsäure ist essenziell für die mütterliche Erythropoese sowie Zellwachstum und -differenzierung des Ungeborenen [1-3]. Eine ausreichende Versorgung der Mutter mit dem Vitamin ist für die normale kindliche Entwicklung und Vorbeugung von Missbildungen wie Neuralrohrdefekte oder Anenzephalie wichtig [2]. Daher empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) gemäß einer WHO-Leitlinie Frauen mit Kinderwunsch zusätzlich zu folatreicher Ernährung die tägliche Einnahme von 400 µg synthetischer Folsäure [1].

Durch rechtzeitige Folsäuresupplementierung kann das Risiko für Neuralrohrdefekte um bis zu 80% reduziert werden. Da sich das Neuralrohr bereits am 28. Tag der Schwangerschaft schließt, sollte die Supplementierung spätestens 4 Wochen vor Eintritt der Schwangerschaft beginnen und während des ersten Trimenons weitergeführt werden [2]. Es gibt zudem Empfehlungen für eine tägliche Folsäureeinnahme von 800 µg, wenn diese erst 4–8 Wochen vor der geplanten Empfängnis beginnt. Auch wird ein Folsäuremangel als Risikofaktor für die Entwicklung angeborener Herzfehler sowie für Frühgeburten und Aborte diskutiert [3].

Risiken eines Vitamin-B12-Mangels in der Gravidität

Durch eine unzureichende Versorgung der Schwangeren mit Vitamin B12 kann es zu schwerwiegenden hämatologischen und neurologischen Störungen bei Feten und Säuglingen kommen [4] [5]. Die entstehenden Störungen sind anfangs unspezifisch und während der Schwangerschaft zunächst nur durch verzögerte fetale Entwicklung erkennbar. Die hämatologischen Störungen bestehen in der Entwicklung einer Megaloblastenanämie und Panzytopenie. Die Symptome sind im Einzelfall sehr unterschiedlich und werden oft nicht rechtzeitig mit einem Vitamin-B12-Mangel in Verbindung gebracht [6]. Neurologisch kann sich ein Vitamin-B12-Defizit bei den Säuglingen in Reizbarkeit, Apathie, Inappetenz, Erbrechen, zitronengelber Hautfärbung sowie motorischen und psychischen Entwicklungsstörungen äußern.

Leider kann es bei schwerwiegendem Vitamin-B12-Mangel und nicht rechtzeitiger Behandlung auch zu weitergehenden und dann schwerer zu behandelnden Entwicklungs-störungen kommen. Wichtiger als die nachträgliche Korrektur eingetretener Fehlentwicklungen ist daher die Prophylaxe eines Vitamin-B12-Mangels in der Schwangerschaft durch eine ausreichende Supplementation.

Eisenmangel bei Schwangeren

Nicht jede Frau schafft es, den erhöhten Eisenbedarf während der Schwangerschaft alimentär auszugleichen. Dies kann zum latenten Eisenmangel mit Müdigkeit, Leistungsabfall, Appetitlosigkeit, Blässe sowie zu erhöhter Infektanfälligkeit führen und bei fast 10% der Schwangeren zur Eisenmangelanämie. Das Risiko für Frühgeburten und Aborte, für erhöhte Sterblichkeit bei Mutter und Kind sowie für geistige und körperliche Entwicklungsstörungen des Neugeborenen steigt an. Durch einen schweren, chronischen Eisenmangel kann es zu Wachstumsstörungen sowie neurologischen und kognitiven Defiziten der Kinder kommen [7].

Die Eisenversorgung sollte daher diagnostisch kontrolliert und bei Bedarf durch eine Supplementation ausgeglichen werden [8] [9]. Die WHO empfiehlt Eisensupplemente in der gesamten Schwangerschaft. Durch den Blutverlust während der Geburt ist der Eisenbedarf postpartum ebenfalls erhöht. Bei einem Mangel kann laut WHO auch bis zu 12 Wochen nach der Geburt eine orale Eisensupplementation – allein oder in Kombination mit Folsäure – nötig sein.

Beim Nachweis des Eisenstatus in der Schwangerschaft ist zu berücksichtigen, dass sich durch die Vergrößerung des Gesamtblutvolumens auch der Hämoglobinwert verändert. Obwohl die Gesamtmenge der Erythrozyten und damit die Sauerstofftransportkapazität zunimmt, kommt es durch die überproportionale Zunahme des Plasmavolumens zu einer Abnahme des Hämoglobins (Referenzbereich: 11–14 g/dl). Die Hämoglobinkonzentration sollte aber in jedem Trimenon>11,2 g/dl sein.

Der Mineralstoff Magnesium in der Schwangerschaft

Die Bedeutung von Magnesium während der Gravidität ist seit Jahren von zunehmendem Interesse [10] [11] [12]. Bei einer Vielzahl von Erkrankungen ist die Wirksamkeit von Magnesium gut dokumentiert [13] [14] [15] [16]. Die Bewertung von zahlreichen Studien zur Magnesiumsupplementation in der Schwangerschaft zeigt deutlich positive Effekte der oralen Substitution mit Magnesium. Eine Ursache für den erhöhten Magnesiumbedarf ist neben dem Mehrbedarf für das Wachstum des Feten und des mütterlichen Gewebes die erhöhte renale Magnesiumausscheidung während der Schwangerschaft [17]. Dies führt bekanntlich zu einer Abnahme des Magnesiumgehalts im Serum und intrazellulär [18], die aber auch im Myometrium sichtbar wird [19]. Magnesium wird i. v. im Rahmen einer Infusionstherapie i. d. R. zur Behandlung von Schwangeren mit Präeklampsie und Eklampsie eingesetzt [8] (s. Kasten).

Präeklampsie

Präeklampsie tritt in Deutschland bei 2–5% aller Schwangerschaften auf

  • Hypertension

  • Proteinurie

  • Organ-Dysfunktion

  • Beeinträchtigung der Nierenfunktion: Serum-Kreatinine>0,9 g/l oder Oligurie < 500 ml/d

  • Beteiligung der Leber: schwere epigastrische Schmerzen und/oder erhöhte Transaminasen

  • pulmonales Ödem (schwere Präeklampsie)

  • hämatologische Veränderungen: Thrombozytopenie, Hämolyse, disseminierte intravaskuläre Koagulation (DIC)

  • neurologische Beteiligung: schwere Kopfschmerzen, andauernde Sehstörungen, Hyperreflexie

  • intrauterine Wachstumsstörung

In jedem Fall sind während der Schwangerschaft Magnesiummangelzustände zu verhindern. In den Empfehlungen der Gesellschaft für Magnesiumforschung wird gefordert, dass jede Schwangere mit 240–480 mg (10–20 mmol) Magnesium pro Tag supplementiert werden sollte. Die Supplementation sollte so früh wie möglich beginnen und bis zur Geburt und darüber hinaus fortgesetzt werden, da auch in der Stillzeit der Magnesiumbedarf erhöht ist. Sie einige Wochen vor der Geburt abzusetzen, ist nicht sinnvoll, da ein Einfluss auf den Beginn spontaner Wehentätigkeit am Termin nicht festgestellt werden konnte. Nebenwirkungen der Magnesiumsupplementation können lediglich weiche Stühle sein. Kontraindikation für die orale Verabreichung von Magnesium ist eine schwere Niereninsuffizienz oder bradykarde Herzrhythmusstörungen [13].

Mehrbedarf von Magnesium in der Schwangerschaft

Neben dem Bedarf für das Kind sowie das mütterliche Gewebe und neben einer unzureichenden Zufuhr sind renale Verluste eine wesentliche Ursache für den Mehrbedarf von Magnesium in der Schwangerschaft. Frühere Untersuchungen zeigen, dass die renale Magnesiumausscheidung bei Schwangeren um etwa 20% erhöht ist. Ursache hierfür ist die schwangerschaftsbedingte Steigerung des Herzminutenvolumen um fast 40%, gefolgt von erhöhter Primärharnbildung und nicht adäquater Rückresorption von Magnesium.

Die Hypomagnesiämie in der Schwangerschaft darf nicht fälschlicherweise als Verdünnungseffekt interpretiert werden („Pseudohypomagnesiämie“), da sowohl die Konzentration an Gesamt- als auch an ionisiertem Magnesium abnimmt und sich der Magnesiummangel im Gewebe nachweisen lässt. Im Verlauf der Schwangerschaft kommt es auch zu einer Abnahme des Magnesiumgehalts im Myometrium [19]. Dieser korreliert signifikant mit der Plasmamagnesiumkonzentration.

Es gibt einen aktiven und passiven Magnesiumtransport in der menschlichen Plazenta. Dabei spielt Natrium eine wichtige Rolle. Das humane Gen SLC41A1 encodiert hierbei den Natrium-Magnesium-Exchanger, der auch bei der essenziellen Hypertonie gestört ist [20]. Hierbei sind Magnesiumdefizite besonders unvorteilhaft und schädigen den Fetus [21].

Prof. Dr. med. Klaus Kisters
Chefarzt an der Medizinischen Klinik I am St. Anna-Hospital in Herne
Zu seinen Tätigkeitsschwerpunkten zählen u. a. Innere Medizin, Nephrologie und klinische Geriatrie.

Sophia Kisters
Studentin der Zahnmedizin

Uwe Gröber
Apotheker und Leiter der Akademie für Mikronährstoffmedizin in Essen
Zu seinen Spezialgebieten zählen die Pharmakologie, Mikronährstoffmedizin, Wechselwirkungen zwischen Arzneimitteln und Mikronährstoffen, Metabolic Tuning, Ernährungs-, Sport- und Präventivmedizin sowie komplementäre Verfahren in der Diabetologie und Onkologie (z. B. Tumoranämie).

[1] Gröber U. Neuroenhancement mit Vitamin B12, Folsäure und Benfotiamin. Eine Zusammenfassung klinischer Studien-Ergebnisse. Naturheilkunde 2018; 6: 94-97

[2] Petersen JM. et al. Periconceptional folic acid and risk for neural tube defects among higher risk pregnancies. Birth Defects Res 2019; 111: 1501-1510

[3] Shiliang L. et al. Effects of folic acid food fortification in Canada on congenital heart disease subtypes. Clinical perspective. Circulation 2016; 134: 647-650

[4] O’ Leary F. et al. Vitamin B12 in health and disease. Nutrients 2010; 2: 299-316

[5] Rogne T. et al. Associations of maternal vitamin B12 concentration in pregnancy with the risks of preterm birth and low birth weight: A systematic review and meta-analysis of individual participant data. Am J Epidemiol 2017; 185: 212-223

[6] Wolffenbuttel BHR. et al. The many faces of cobalamin (Vitamin B12) deficiency. Mayo Cin Proc Innov 2019; 3: 200-214

[7] Gröber U, Kisters K. Eisen. Das Element des Lebens. Stuttgart: WVG; 2016

[8] Beard JL. Iron biology in immune function, muscle metabolism and neuronal functioning. J Nutr 2001; 131: 568S-579S

[9] Lieu PT. et al. The roles of iron in health and disease. Mol Aspects Med 2001; 22: 1-87

[10] Gröber U. et al. Magnesium in prevention and therapy. Nutrients 2015; 7: 8199-8226

[11] Kisters K. et al. Plasma and intracellular magnesium concentrations in preeclampsia. J Hypertens 1990; 8: 303-306

[12] Kisters K. et al. Membrane, intracellular and plasma magnesium and calcium concentrations in preeclampsia. Am J Hypertens 2000; 13: 765-769

[13] Gröber U. et al. Important drug – micronutrient interactions: a selection for clinical practice. Crit Rec Food Sci Nutr 2020; 60: 257-275

[14] Kisters K. et al. Magnesium in internal and intensive care medicine – new role of ionized magnesium. Trace Elem Electrolyt 2021; 38: 85-90

[15] Seelig MS. The magnesium factor. New York: penguin Group Inc; 2003

[16] Kisters K. et al. Der Mineralstoff Magnesium in der Schwangerschaft. Zs f Orthomol Med 2020; 18: 21-24

[17] Späting L. et al. Magnesium and calcium excretion during pregnancy. Mag Bull 1985; 7: 91-93

[18] Kisters K. et al. Plasma, intracellular, and membrane magnesium concentrations in normal pregnancy and in preeclampsia. Hypertension Pregnancy 1998; 17: 169-178

[19] Cunze T. et al. Elektrolytveränderungen im Plasma und Myometrium während des letzten Schwangerschaftsdrittels. Geburtsh Frauenheilk 1994; 54: 362-366

[20] Kolisek M. et al. SLC41A1 is the only magnesium responsive gene significantly overexpressed in placenta of preeclamptic women. Hypertension Pregnancy 2013; 32: 378-389

[21] Kisters K. et al. Preventing pregnancy-induced hypertension: the role of calcium and magnesium. J Hypertens 2006; 24: 201-202