NährstoffeMagnesium in der Schwangerschaft

Bei zahlreichen Erkrankungen ist die Wirksamkeit von Magnesium gut dokumentiert. Die Bedeutung des Mineralstoffs während der Schwangerschaft ist seit Jahren von zunehmendem Interesse.

Schwangerschaft, Frau, Babybauch
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Studien belegen: Schwangere haben einen erhöhten Magnesiumbedarf und profitieren von einer Supplementation.

von Klaus Kisters und Uwe Gröber

Schwangerschaft und Magnesiummangel

Magnesiummangelsymptome bei Schwangeren sind häufig. Es gibt jedoch verschiedene Übersichtsarbeiten, die referieren, dass der Magnesiumstatus in der Schwangerschaft nicht beeinträchtigt sei. Diese Fehleinschätzung rührt daher, dass als einziges Kriterium für Magnesiummangel eine Hypomagnesiämie zugrunde gelegt wurde, bei der zudem teilweise unzutreffend tiefe untere Grenzwerte (0,76 – 1,1, besser > 0,85 mmol/l) verwendet wurden. Der Referenzbereich für die Serummagnesiumkonzentration beträgt jedoch 0,8 – 1,2 mmol/l [1]. Darüber hinaus schließt eine Normomagnesiämie einen Magnesiummangel nicht aus [2].

Weitere Untersuchungen zeigen, dass der untere Wert des Referenzbereichs nicht dem Optimum entspricht [3]. Wenn man die optimale Serummagnesiumkonzentration über 0,80 mmol/l zugrunde legt, ist auch bei alleiniger Betrachtung des Serumlaborwerts für die Mehrzahl der Schwangeren ein Magnesiummangel festzustellen.

Magnesiummangelsymptome

  • neurovegetativ-funktionelle Störungen
  • Krämpfe der Skelettmuskulatur (z. B. Wadenkrämpfe)
  • Spasmen glatter Muskulatur (gastrointestinale Spasmen, Dysmenorrhoe, Uteruskontraktionen, vorzeitige Wehen)
  • Extrasystolen, Tachykardie, pectanginöse Beschwerden

Von Bedeutung ist die Klassifikation der arteriellen Hypertonie in der Schwangerschaft und der positive Effekt einer Magnesiumtherapie sowohl auf systolischen und diastolischen Blutdruck [4]. Bei Präeklampsie – 2–5% Schwangerschaften in Deutschland sind davon betroffen – liegt bekanntlich eine Hypertonie, Proteinurie und eine Organdysfunktion vor. Auch hierbei ist ein Magnesiummangel pathogenetisch beteiligt und die Wirksamkeit einer Magnesiumtherapie gut dokumentiert [5].

Mehrbedarf von Magnesium in der Schwangerschaft

Es ist unbestritten, dass in der Schwangerschaft ein Mehrbedarf an Magnesium besteht [6]. Einerseits braucht der Fetus Magnesium und andererseits müssen der Bedarf der Schwangeren für die schwangerschaftsbedingten Gewebsveränderungen und die erhöhten renalen Verluste ausgeglichen werden.

Aus verschiedenen Untersuchungen an Tiermodellen ist bekannt, dass für einen optimalen Schwangerschaftsverlauf und ein optimales Outcome eine deutlich höhere Magnesiumzufuhr notwendig ist als zur Deckung des in Bilanzstudien festgestellten minimalen Bedarfs [7]. Außerdem zeigt die Nationale Verzehrstudie, dass

  • 56,4 % der Frauen im Alter von 14–18 Jahren
  • 38,3 % der Frauen zwischen 19–24 Jahren und
  • 26,5 % der Frauen von 25–34 Jahren

– also bereits vor Schwangerschaftsbeginn – die Zufuhrempfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) für Magnesium nicht erreichen [8]. Neben dem Bedarf für das Kind sowie das mütterliche Gewebe und unzureichende Zufuhr sind renale Verluste eine wesentliche Ursache für den Mehrbedarf von Magnesium in der Schwangerschaft.

Untersuchungen von Spätling et al. zeigen, dass die renale Magnesiumausscheidung bei Schwangeren um etwa 20 % erhöht ist [9]. Ursache hierfür ist die schwangerschaftsbedingte Steigerung des Herzminutenvolumens um fast 40 %, gefolgt von erhöhter Primärharnbildung und nicht adäquater Rückresorption von Magnesium. Die Hypomagnesiämie in der Schwangerschaft darf nicht fälschlicherweise als Verdünnungseffekt interpretiert werden („Pseudohypomagnesiämie“), da sowohl die Konzentration an Gesamt- als auch an ionisiertem Magnesium abnehmen und sich der Magnesiummangel auch im Gewebe nachweisen lässt [10]. Im Verlauf der Schwangerschaft kommt es auch zu einer Abnahme des Magnesiumgehalts im Myometrium. Dieser korreliert signifikant mit der Plasmamagnesiumkonzentration [11]. 

Magnesiumtransport in der Plazenta

Es gibt einen aktiven und passiven Magnesiumtransport in der menschlichen Plazenta. Dabei spielt Natrium eine wichtige Rolle. Das humane Gen SLC41A1 encodiert hierbei den Natrium-Magnesium-Exchanger, der auch bei der essenziellen Hypertonie gestört ist [12][13]. Hierbei sind Magnesiumdefizite besonders unvorteilhaft.

Studien zu Magnesium in der Schwangerschaft

Seit ca. 40 Jahren liegen verschiedene Studien vor, die sich mit einem Magnesiummangel und einer Magnesiumsupplementation in der Schwangerschaft beschäftigt haben. Diese Studien unterscheiden sich in Design, Dosierung, Studienziel und Therapiedauer [5][14][15][16][17][18]. Daraus ergeben sich vielfältige positive Effekte der oralen Magnesiumgabe in der Schwangerschaft. In all diesen Studien sind keine ernsten Nebenwirkungen beobachtet worden.

  • 1981 führte Kuti eine Studie bei 1884 Schwangeren mit 348 mg Magnesium täglich ab der 4.–9. Schwangerschaftswoche (SSW) bzw. ab der 10.–24. SSW durch. Die Reduktion von Spontanaborten und Frühgeburten war umso stärker, je früher mit der Magnesiumsubstitution begonnen wurde [19].
  • Ähnlich gute Ergebnisse fanden Kovacs und Mitarbeiter 1988. In einer prospektiven, randomisierten, doppelblinden placebokontrollierten Studie mit dem Ziel der Verhinderung von Schwangerschaftskomplikationen erhielten 985 Schwangere 365mg Magnesium täglich. Die Ergebnisse dieser Studie zeigen einen statistisch signifikant günstigeren Verlauf der Schwangerschaft in der Magnesiumgruppe gegenüber der Placebogruppe, weniger Frühgeburten, weniger untergewichtige Neugeborene, weniger intrauterin retardierte Neugeborene und seltener EPH-Gestosen [20].
  • In einer Studie von Spätling und Mitarbeitern aus dem Jahre 1988 wurden ebenfalls positive Effekte bei 568 Schwangeren, welche mit 365 mg Magnesium täglich behandelt wurden, beobachtet. So kam es zu signifikant weniger Hospitalisationen aufgrund von vorzeitigen Wehen, Blutungen und Zervixverschlussinsuffizienzen, weniger Frühgeburten und weniger Neugeborene, welche auf die Intensivstation hätten verlegt werden müssen[21].
  • Li und Mitarbeiter untersuchten 1997 bei 51 Schwangeren den Einfluss einer Magnesiumsupplementation mit 175 mg täglich auf die schwangerschaftsinduzierte Hypertonie [22]. Magnesium reduzierte statistisch signifikant das Auftreten einer Hypertonie.
  • In einer Studie mit täglich 128 mg Magnesium oral gegen Placebo beschrieb Harrsion 2007 bei 4500 Schwangeren signifikant seltener fetale Bradykardien und Totgeburten am Termin [23].
  • 61 Schwangere, die mit 300 mg Magnesium täglich ab der 25. SSW supplementiert wurden, profitierten in einer Studie von Bullarbo und Mitarbeitern 2013. Hierbei wurden signifikant niedrigere durchschnittliche diastolische Blutdruckwerte registriert. Nebenwirkungen wurden nicht berichtet [24].
  • Die i.-v.-Therapie mit Magnesiumsulfat im Grammbereich bei der akuten Behandlung einer Präeklampsie, besonders mit Hypertonie, ist ebenfalls gut dokumentiert [25][26].

Fazit

  • Aufgrund der aktuellen Studienlage empfiehlt sich eine generelle Magnesiumsupplementierung in der Schwangerschaft.
  • Die Magnesiumzufuhr ist sicher, nebenwirkungsarm und kostengünstig. 

Empfehlung der Gesellschaft für Magnesiumforschung

Jede Schwangere sollte mit 240–480mg (10–20 mmol) Magnesium pro Tag supplementiert werden.

  • Die Magnesiumsupplementierung sollte so früh wie möglich beginnen und bis zur Geburt und darüber hinaus fortgesetzt werden, da auch in der Stillzeit der Magnesiumbedarf erhöht ist. Es ist nicht sinnvoll, die Magnesiumgaben einige Wochen vor der Geburt abzusetzen, da ein Einfluss auf den Beginn spontaner Wehentätigkeiten am Termin nicht festgestellt werden konnte.
  • Die Nebenwirkungen der Supplementation können weiche Stühle sein, welche durch eine gleichmäßige Verteilung der Einnahme überüber den Tag leicht behebbar sind.
  • Kontraindikation für die orale Zufuhr von Magnesium ist die schwere Niereninsuffizienz.
  • Eine Therapie mit Magnesiumsulfatgaben i. v. im Grammbereich findet ebenso im klinischen Alltag bei der Präeklampsie Anwendung mit gut dokumentierter Wirkung.

Literatur

Die Literaturliste finden Sie hier.

Der Artikel ist erschienen in der om 4/2020.

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Prof. Dr. med. Klaus Kisters ist Chefarzt an der Medizinischen Klinik I am St. Anna-Hospital in Herne und leitet dort das als European Hypertension Excellence Centre (ESH) ausgezeichnete Hypertoniezentrum. Seit 2001 ist er Professor an der WWU in Münster.

Uwe Gröber ist Apotheker, Leiter der Akademie für Mikronährstoffmedizin in Essen und Autor zahlreicher Publikationen, Fachbücher und Buchbeiträge. Zu seinen Spezialgebieten zählen u.a. die Pharmakologie, Mikronährstoffmedizin, Wechselwirkungen zwischen Arzneimitteln und Mikronährstoffen, Metabolic Tuning, Ernährungs-, Sport- und Präventivmedizin sowie komplementäre Verfahren in der Diabetologie und Onkologie.