GesundheitspolitikVersorgungskrise bei Antibiotika ist globales Problem

Hierzulande ist es v.a. bei Präparaten für Kinder zu Lieferschwierigkeiten gekommen. Für die Problemlösung ist internationales Engagement nötig, so Experten.

Apothekerin räumt Arzneimittel ins Regal.
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Zusätzliche Antibiotika sind besonders für den Herbst notwendig, wenn erneut Infektionswellen zu erwarten sind.

Um den akuten Antibiotikamangel hierzulande abzufedern, hat das Bundesgesundheitsministerium Ende April offiziell einen „Versorgungsmangel für antibiotikahaltige Säfte für Kinder“ ausgerufen, und es den Bundesländern damit ermöglicht, Importregeln zu lockern und Präparate aus anderen EU-Ländern einzuführen, auch wenn sie in Deutschland nicht zugelassen sind.

Zusätzliche Präparate sind notwendig

„Die nun importierten Präparate sind ebenso sicher und wirksam, wie die üblicherweise in Deutschland verschriebenen Mittel – schließlich haben sie eine EU-Zulassung“, versichert Prof. Tobias Tenenbaum, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI).

Viele Hersteller verzichteten schlicht auf eine deutsche Marktzulassung, weil die Gewinnmargen für patentfreie Präparate in Deutschland besonders niedrig seien. „Die zusätzlichen Präparate benötigen wir jetzt, und erst recht im Herbst, wenn die nächste Infektionswelle bei Kindern zu erwarten ist, dringend. Das zugrundeliegende Problem wird mit den Importen allerdings nur verschoben – denn auch fast alle anderen europäische Länder haben einen Mangel an Antibiotika“, so Tenenbaum.

Nachhaltige Lösungen sind gefragt

Dass längerfristige und grundsätzliche Veränderungen notwendig sind, hat auch die Politik erkannt:

Noch im Sommer soll ein Gesetz zur Bekämpfung von Lieferengpässen verabschiedet werden, das Gesundheitsminister Karl Lauterbach bereits durchs Bundeskabinett gebracht hat. Damit soll der deutsche Absatzmarkt wieder attraktiver gemacht werden.

„Wie die Lage bei den Antibiotikasäften zeigt, ist das dringend notwendig“, so Infektiologie Prof. Christoph Lübbert. „Den Preisdruck hier herauszunehmen, ist sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung.“

Auch andere Ziele des geplanten Gesetzes – wie die Vereinfachung der Austauschregeln für Apotheken, die langfristige Rückverlagerung von Produktionsstätten nach Deutschland und Europa, sowie die Schaffung von Anreizen für die Entwicklung von Reserveantibiotika – sieht Lübbert als Schritte in die richtige Richtung.

Antibiotikakrise braucht internationale Anstrengungen

Die Experten von DGI, DGPI und DTG fordern eine intensive und international abgestimmte Anstrengung, um gegen das weltweite Problem der Antibiotikaresistenzen vorzugehen.

„Dazu zählt der Ausbau einer Infrastruktur für Diagnostik und Surveillance der Resistenzlage ebenso wie eine verbesserte Antibiotic Stewardship-Ausbildung“, führt Tropenmediziner Feldt aus. Zudem müsse analysiert werden, welche Antibiotika verfügbar seien und wie sie eingesetzt würden, Gesundheitssysteme müssten gestärkt sowie Lieferketten diversifiziert und gesichert werden.

„Weil der Kostendruck oft enorm ist und die wirtschaftlichen Anreize gering, gibt es für manche Wirkstoffe nur eine Handvoll Hersteller weltweit“, so Feldt. Diese Zentralisierung mache den Antibiotikamarkt anfällig für Störungen [1]. Auch in diesem Punkt müssten Regierungen, die internationale wissenschaftliche Gemeinschaft und Organisationen wie die WHO noch intensiver zusammenarbeiten.

Quelle: Karlsruher Institut für Technologie

Literatur

[1] Shafiq N, Pandey AK, Malhotra S, et al. Shortage of essential antimicrobials: a major challenge to global health security. BMJ Global Health 2021;6: e006961

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