GesundheitspolitikArzneimittelengpässe bei Krebspatient*innen verhindern

Arzneimittelengpässe in der Krebstherapie sind im letzten Jahr stark gestiegen. Expert*innen haben nun Vorschläge veröffentlicht, um die Defizite zu beheben.

Verschiedene, verstreute Medikamente auf grünem Hintergrund.
K.Oborny/Thieme

Vor allem in der Krebstherapie bewährte Medikamente sind von den Engpässen betroffen.

Die steigende Zahl von Arzneimittelengpässen betrifft auch Krebspatient*innen. Betroffen sind vor allem Medikamente, die schon seit vielen Jahren eingesetzt werden und heute als Generika auf dem Markt verfügbar sind. Sie machen die Hälfte der aktuell über 200 in Deutschland zugelassenen Krebsmedikamente aus. Da die Überlebenschance von Krebspatient*innen von der Verfügbarkeit eines Arznei­mittels abhängig sein kann, sind die Ängste groß. Eine besondere Aufgabe ist es deshalb, das Vertrauen in die Sicherheit der Arzneimittelversorgung zu erhalten bzw. wiederherzustellen.

In einer Pressekonferenz hat die DGHO Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onko­logie e. V. auf bereits funktionierende Maßnahmen und auf weiterhin bestehende Lücken in der Arzneimittelversorgung hingewiesen.
 
Die Zahl der Arzneimittelengpässe in der Krebstherapie ist im letzten Jahr deutlich gestiegen. Betroffen waren vor allem Medikamente, die schon seit langem erfolg­reich eingesetzt werden:

  • Dazu gehörten Tamoxifen und nab-Paclitaxel, die u. a. bei Brustkrebs, Bauchspeicheldrüsenkrebs, Lungenkrebs und Karzinomen im Magen­darmbereich als Standard eingesetzt werden.
  • Darüber hinaus fehlten auch unter­stützende Arzneimittel wie Calciumfolinat, Harnsäuresenker, Antibiotika und Immun­globuline.

Herstellungs- und Lieferprobleme als Hauptursache für Engpässe

Die Ursachen für Lieferengpässe in der Onkologie sind vielfältig. Dabei dominieren Probleme bei der Herstellung und in den Lieferketten. Die Vulnerabilität dieser komplexen Verflechtungen wurde besonders in der COVID-19-Pandemie und durch die Kriegssituation in der Ukraine deutlich. Neu war das Phänomen regionaler Engpässe bei Krebsmedikamenten durch sogenannte Hamsterkäufe auch innerhalb von Deutschland.

Deutschland ist in seiner Arzneimittelversorgung in hohem Maße von internationalen Lieferketten abhängig. Der Bedarf wird aber auf nationaler Ebene definiert. Darauf wies Dr. med. Thomas Seufferlein, Mitglied im Präsidium der Deutschen Krebsgesellschaft, hin: „Der Standard der Versorgung von Krebspatienten ist in Deutschland hoch. Die evidenzbasierten und interdisziplinär erarbeiteten Leitlinien geben vor, welche Arzneimittel unverzichtbar sind. Dort wird auch empfohlen, wann andere Arzneimittel mit gleicher Wirksamkeit eingesetzt werden können. Bei bestimmten Indikationen können wir allerdings nicht auf äquieffektive Medikamente zurückgreifen. Patientinnen und Patienten, auf die das zutrifft, sind in einem beson­ders hohen Maße bei Engpässen betroffen.“

Defizite in der Arzneimittelversorgung müssen behoben werden

In den letzten Jahren wurde bereits eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um Lieferengpässe von Arzneimitteln auch in der Onkologie zu vermeiden oder zu lindern, u. a. im Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV). Dazu gehören ein verpflichtendes Register für Lieferengpässe, die Regelungen für den erleichterten Import aus dem Ausland und das verbesserte, behördliche Risiko­management durch den Beirat beim BfArM.
 
Dr. med. Bernhard Wörmann, Medizinischer Leiter der DGHO, erläuterte die konkreten Forderungen der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften, um die noch bestehenden Defizite zu beheben:

  • Frühzeitige Information über drohende Lieferengpässe seitens der pharma­zeutischen Unternehmen, nicht erst bei bereits bestehenden Lieferproblemen,
  • Anpassung der Verträge zwischen Krankenkassen und pharmazeutischen Unternehmen mit Berücksichtigung von Vorratshaltung und verpflichtenden Liefervereinbarungen,
  • Solidarität der Einkaufsgemeinschaften,
  • Sicherung der Versorgung von Arzneimitteln für seltene Krebserkrankungen, auch unter Berücksichtigung der zunehmend personalisierten, zielgerichteten Therapien,
  • Aufbau von Produktionsstätten und langfristige Sicherung der Lieferketten in Europa. 

Die bereits bestehenden Instrumente sowie Aktivitäten und Maßnahmen insbe­sondere des Beirats Lieferengpässe stellte Prof. Dr. med. Karl Broich, Präsident des BfArM, vor und betonte gleichzeitig die bei der Ursachenanalyse erkennbare hohe Abhängigkeit von internationalen Produktions- und Lieferketten, u. a. durch eine Konzentration auf wenige Arzneimittel-Produktionsstätten, überwiegend in den Drittstaaten China und Indien. Diese Situation mache sowohl enge Absprachen innerhalb der Europäischen Union als auch auf globaler Ebene mit allen beteiligten Akteuren erforderlich.

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie e. V.