PsychotherapiePsychotherapie: Wartezeiten kürzer als angenommen

Eine Umfrage zeigt: Mehr als 90 % der Patient*innen führen innerhalb von 3 Monaten ein Erstgespräch und beginnen mit regelmäßigen psychotherapeutischen Sitzungen.

Therapiesitzung
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Jedes Jahr nehmen in Deutschland 2,1 Mio. Menschen Kontakt zu einem der mehr als 39.000 Psychotherapeut*innen auf.

Wie lange müssen Patient*innen tatsächlich auf psychotherapeutische Hilfe warten? Wie zufrieden sind sie? Und wo besteht Handlungsbedarf? Diesen Fragen ist die ES-RiP-Studie (Evaluation der Strukturreform der Richtlinien-Psychotherapie) nachgegangen. Studienleiter Prof. Johannes Kruse hat die Ergebnisse auf einer Pressekonferenz vorgestellt.

Die Ergebnisse zeigen:

  • Die psychotherapeutische Versorgung ist besser als angenommen.
  • Über 90 Prozent der Therapiesuchenden führen innerhalb von 3 Monaten ein Erstgespräch und beginnen zeitnah mit regelmäßigen Sitzungen.
  • Zwei Drittel der Befragten empfinden diese Wartezeit als kurz oder angemessen. 

Wartezeit meist weniger als 3 Monate

Die Umfrage wurde im Rahmen der ES-RiP-Studie durchgeführt: In einer bevölkerungsrepräsentative Stichprobe wurden 32.573 Personen telefonisch befragt, ob sie in den Jahren 2012 bis 2020 einen persönlichen Kontakt zu Psychotherapeut*innen gesucht haben: Dies traf auf etwa 2200 Personen zu.

  • 91,7 Prozent der Therapiesuchenden gaben an, dass sie innerhalb von 3 Monaten ein persönliches Gespräch mit einem Psychotherapeuten/einer Psychotherapeutin in Präsenz führen konnten.
  • Bei 8,3 Prozent erfolgte kein Erstkontakt. Jeder 5. davon gab an, die Probleme hätten sich spontan gelöst. In den anderen Fällen konnten die Therapeut*innen keinen Termin anbieten, die Wartezeit wurde als zu lang empfunden oder es bestand Unsicherheit bezüglich der Psychotherapie.

Dies stehe im Kontrast zur durchschnittlichen Wartezeit von 112 Tagen, die anhand von Daten der BARMER Krankenkasse ermittelt wurde. Kruse erklärt diesen Unterschied durch die vorbereitenden ärztlichen oder psychologischen Leistungen nach dem Erstgespräch, die von den Patient*innen als Teil der Therapie wahrgenommen werden.

Häufige Gründe für Psychotherapie

Die Umfrage zeigt, dass gedrückte Stimmung mit 97,5 Prozent der häufigste Grund für eine Psychotherapie ist. Danach folgen Angststörungen (52 Prozent), psychosomatischen Beschwerden (50,6 Prozent) und die Bewältigung schwerer Belastungen (45,3 Prozent). Die meisten Patient*innen  suchen die Psychotherapie eigenständig auf, gefolgt von Überweisungen durch Haus- und Fachärzt*innen sowie persönlichen Empfehlungen von Freund*innen, Familie oder Bekannten.

Prof. Johannes Kruse vom Uniklinikum Gießen und Marburg, berichtete, dass Deutschland über ein umfassendes psychotherapeutisches Versorgungssystem verfügt. Trotz gelegentlicher Kritik an vermeintlichen Versorgungsengpässen zeige die Studie, dass die Wartezeiten auf psychotherapeutische Hilfe kürzer sind als oft angenommen.

Hohe Zufriedenheit

Die Zufriedenheit mit den Therapieergebnissen sei hoch, so Kruse. Demnach sind

  • 87 Prozent der Befragten sind sehr zufrieden,
  • 89 Prozent berichten von einer spürbaren Verbesserung nach der Behandlung.

Zwei Handlungsbedarfe

Trotz der positiven Bilanz zeigt die Studie zwei Handlungsbedarfe auf:

  • Eine kleinere Gruppe scheitert beim Versuch, einen Therapieplatz zu bekommen.
  • Körperlich chronisch kranke Menschen mit zusätzlichen psychischen Störungen sind zu selten in psychotherapeutischer Behandlung. Bei dieser Gruppe bestehe das Risiko einer erhöhten Sterblichkeit.

Hier bestehe weiterer Forschungsbedarf, um zu klären, mit welchen Versorgungsangeboten diese beiden Patientengruppen erreicht werden können.

Hintergrund: Psychotherapeutische Versorgung in Deutschland

Jedes Jahr nehmen in Deutschland 2,1 Millionen Menschen Kontakt zu einem der mehr als 39.000 niedergelassenen ärztlichen und psychologischen Psychotherapeut*innen auf.

Zum Vergleich: In Deutschland praktizieren 55.000 Hausärzt*innen, 13.000 Frauenärzt*innen sowie 8000 Kinderärzt*innen.

Trotzdem immer wieder Versorgungsengpässe angemahnt und lange Wartezeiten auf eine ambulante Psychotherapie berichtet werden, verfüge Deutschland über ein umfassendes psychotherapeutisches Versorgungssystem, ordnet Kruse die Zahlen ein.

Quelle: Pressekonferenz Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie/28.2.2024

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