Long-COVIDPsychosoziale Faktoren erhöhen Long-COVID-Risiko um 50 %

Neue Studien zeigen: Biopsychosoziale Faktoren wie depressive Symptome, Angst, negative Stressbelastung und Einsamkeit erhöhen das Risiko für Long-COVID um 50 %.

Figur, die in hockender Haltung mit den Händen über dem Gesicht dasitzt.
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Langzeitbeschwerden nach Corona-Infektion: Welche Rolle spielen psychosoziale Faktoren?

Etwa 20 % aller Menschen, die sich mit SARS-CoV-2 infiziert haben, leiden noch 6 Monate nach der Erkrankung unter anhaltenden körperlichen Beschwerden [1]. Eine eindeutige organische Ursache für Long- oder Post-COVID konnte bisher nicht gefunden werden. Erwiesen ist jedoch, dass biopsychosoziale Faktoren wie depressive Symptome, Angst, negative Stressbelastung und Einsamkeit das Risiko für Long-COVID um bis zu 50 % erhöhen. 

Was ist Long-COVID?

Long-COVID ist gemäß S1-Leitlinie definiert als das Anhalten von Symptomen nach einer COVID-19 Infektion über die Dauer von 4 Wochen. Nach einem Zeitraum von 12 Wochen spricht man von Post-COVID Syndrom.

Welche Ursachen den Beschwerden von Long-COVID zugrunde liegen, wird in der Fachwelt lebhaft diskutiert beforscht – handelt es sich um biologische Ursachen oder eher psychosomatische Trigger? „Einige methodisch starke wissenschaftliche Arbeiten haben jetzt herausgearbeitet, dass psychosoziale und psychologische Faktoren eine erhebliche Rolle bei der Entstehung und Aufrechterhaltung des Long-COVID Syndroms spielen“, berichtet Fachärztin Dr. Christine Allwang.

Studienergebnisse: Psychosoziale Faktoren erhöhen Risiko 

So zeigt eine Studie [2], dass Menschen, die vor einer Infektion mit dem Coronavirus unter depressiven Symptomen, Ängstlichkeit, der Sorge vor einer Infektion, Stresserleben oder Einsamkeit litten, ein erhöhtes Risiko für das Auftreten einer Long-COVID-Symptomatik hatten. „Bei Vorhandensein von zwei der genannten Distress-Faktoren war das Risiko um bis zu 50 % erhöht“, berichtet Allwang. Grundlage für diese Studie bildeten die Daten von fast 55 000 Teilnehmenden dreier großer Register-Studien, die im April 2020 noch keine COVID-Infektion erlitten hatten und zu psychosozialen Faktoren befragt worden waren. 6 % meldeten in den 47 darauffolgenden Wochen eine COVID-Infektion und wurden weiter evaluiert.

Dass psychosoziale Faktoren eine wichtige Rolle spielen, kann die Post-COVID-Spezialistin aus eigener Erfahrung bestätigen. „Sehr viele Menschen, die unter Long-COVID leiden, erlebten vor der Infektion starken psychosozialen Alltagsstress, etwa als Alleinerziehende, im Beruf, durch die Pflege von Angehörigen oder durch eine Trennung“, so Allwang. „Der Körper reißt die Betroffenen quasi aus dem Leben und zwingt sie, sich selbst in einem Ausmaß zuzuwenden, das sie sich zuvor nicht erlaubt hätten.“ 

Risikogruppen für Long-COVID

Bei anderen Risikogruppen für Long-COVID stellt die psychische Verfassung ebenfalls ein herausragendes Merkmal dar. „Es kristallisiert sich heraus, dass ein erheblicher Anteil der Long-COVID-Betroffenen eine Vorbelastung wie Depression oder Angststörung aufweisen“, stellt Allwang fest. Auch die Erwartung, nach einer Covid-Infektion mit anhaltenden Körperbeschwerden zu tun zu haben, ist ein Risikofaktor für Post-Covid. Zu diesem Ergebnis kommt eine Längsschnittstudie, die 1792 Personen aus Gesundheitsberufen erfasste [3]. „Es zeigte sich, dass sich bei Teilnehmenden, die Sorge vor einer Infektion hatten, Körperbeschwerden verstärkten beziehungsweise diese stärker wahrgenommen wurden“, erläutert Allwang. „Negative Erwartung ist ebenfalls ein Risikofaktor für anhaltende Belastung.“

Termin

Deutscher Kongress für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie

Termin:  3. bis 5. Mai 2023 in der Urania Berlin e.V.

Weitere Informationen

Quelle: Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. 

[1] Lemogne C, Gouraud C, Pitron V, Ranque B. Why the hypothesis of psychological mechanisms in long COVID is worth considering, Journal of Psychosomatic Research, Volume 165, 2023

[2] Wang S. et al. Associations of depression, anxiety, worry, perceived stress and Loneliness prior to infection with risk of Post-COVID-19 conditions. Jama Psychiatry, 79/11, 2022, 1081–1091. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/36069885/

[3] Engelmann P et al. Risk factors for worsening of somatic symptom burden in an prospective cohort during the COVID-19 pandemic. Frontiers in Psychology, 2022. www.frontiersin.org/articles/10.3389/fpsyg.2022.1022203/full