Eine Querschnittsstudie des Universitätsklinikum Ulm weist auf einen besorgniserregenden Trend hin: Die Verwendung von Antipsychotika (AP) bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Die Studie, die bundesweite Abrechnungsdaten aus der ambulanten Versorgung von 2011 bis 2020 analysierte, zeigt alarmierende Entwicklungen.
Antipsychotika werden zur Behandlung von Erkrankungen wie Schizophrenie oder bipolaren Störungen eingesetzt. Obwohl das Wissen über die Sicherheit und Wirksamkeit bei Kindern und Jugendlichen begrenzt ist, werden sie zunehmend auch bei anderen Indikationen wie Unruhe, Angst und Schlafstörungen verschrieben.
Prof. Christian Bachmann, Erstautor der Studie, erklärt: "Wir konnten zeigen, dass Antipsychotika in diesem Zeitraum immer häufiger verschrieben wurden." Die Analyse ergab:
- Insbesondere die Verwendung von typischen Antipsychotika der ersten Generation stieg um 16 Prozent.
- Atypische Antipsychotika, modernere Alternativen die im Vergleich zu typischen Antipsychotika mit weniger Bewegungsstörungen einhergehen, legten um 17 Prozent zu.
- Ein besonders markanter Anstieg war bei weiblichen Jugendlichen im Alter von 15 bis 19 Jahren zu verzeichnen, vor allem durch vermehrten Einsatz des atypischen Antipsychotikums Quetiapin.
Als möglichen Grund für den vermehrten Einsatz von Quetiapin führt Bachmann einen unzureichenden Zugang zu psychoszialen Therapien an. Dies sollte sorgfältig untersucht werden.
Risiken von Quetiapin
Aktuelle Studien haben gezeigt, dass das Risiko für negative Veränderungen im Stoffwechsel und schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse selbst bei niedrigdosiertem Quetiapin-Gebrauch erhöht ist. Aufgrund des deutlichen Anstiegs des Gebrauchs und des Mangels an Daten für diese vulnerable Gruppe empfehlen die Forschenden, die Sicherheit des Quetiapin-Gebrauchs bei Kindern und Jugendlichen weiter zu untersuchen. Darüber hinaus könnte die Einführung von Monitoring-Maßnahmen – z.B. restriktivere Verschreibungsrichtlinien oder Schulungen für Verschreiber – in Betracht gezogen werden.
Aufruf zu mehr Forschung
Die Studie wurde in Zusammenarbeit mit dem Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie – BIPS in Bremen, dem Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Berlin und der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg durchgeführt. Die Gründe für den Anstieg des Antipsychotika-Gebrauchs bei Kindern und Jugendlichen müssen nun weiter erforscht werden, während die Sicherheit dieser Praxis im Fokus bleibt
Quelle: Universitätsklinikum Ulm