SchlafstörungenMelatonin-Gummibärchen & Co.: Was ist davon zu halten?

Schlafmediziner*innen raten von nicht ausreichend wissenschaftlich erprobten Methoden ab. Viele Menschen seien nach dem Kauf enttäuscht, da sich der versprochene Erfolg nicht einstelle.

Wecker auf 8 Uhr im Bett
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Schlafmediziner*innen empfehlen: Bei Schlafstörungen, die mindestens 3-mal pro Woche über einen Zeitraum von vier Wochen auftreten, die Konsultation einer in Schlafmedizin erfahren Ärztin oder Arztes bzw. Psychotherapeutin oder Psychotherapeuten.

Ein- und Durchschlafstörungen (Insomnie) stellen eine der häufigsten Erkrankungen dar: Epidemiologische Studien zeigen, dass zwischen 6 und 10 % der Bevölkerung eine behandlungsbedürftige Insomnie haben. Nach internationalen Studien leiden mehr als 70 % der Betroffenen länger als ein Jahr und fast 50 % länger als drei Jahre an dieser Erkrankung. Dies entspricht mindestens fünf Millionen Bundesbürgern. Im deutschen Gesundheitssystem gibt es eine Versorgungslücke für die leitliniengestützte Behandlung der Insomnien. 

Wieder gut schlafen dank neuester Technik?

„Häufig vermitteln die sich auf dem Markt befindlichen Sleepgadgets dem Nutzer aufgrund ihrer Erscheinungsform einen hochtechnischen und wissenschaftlich fundierten Charakter“, erklärt Dora Triché von der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM). Die allerwenigsten dieser Gadgets sind wissenschaftlich erprobt und in ihrer Wirksamkeit evaluiert. Viele Menschen mit Schlafstörungen sind nach dem Kauf enttäuscht, da sich der versprochene Erfolg nicht einstellt. Aus diesem Grunde rät die DGSM von entsprechenden Methoden und Präparate zur Behandlung von Schlafstörungen dringend ab.

Vielmehr wird bei Schlafstörungen, die mindestens 3-mal pro Woche über einen Zeitraum von 4 Wochen auftreten, die Konsultation einer in Schlafmedizin erfahren Ärztin oder Arztes bzw. Psychotherapeutin oder Psychotherapeuten empfohlen.

Die Schlafmediziner*innen der DGSM haben 10 auf dem Markt befindliche Gadgets unter die Lupe genommen:

Melatonin-Gummibärchen

Bei Melatonin handelt es sich um kein Schlafmittel im eigentlichen Sinne. Es wirkt auf den circadianen Schlaf-Wach-Rhythmus. Wirksamkeitsstudien zu Präparaten, welche rezeptfrei zu erhalten sind und Melatonin in nur sehr viel geringerer Dosierung enthalten, wie in Sprays oder Gummibärchen, liegen nicht vor. Es kann aber eine noch geringere Wirksamkeit vermutet werden.

Obwohl Melatonin ein körpereigener Stoff ist, kann über längere Zeiträume oral zugeführtes Melatonin Nebenwirkungen aufweisen. Es wird von Schläfrigkeit, Erschöpfung, Stimmungsschwankungen, Benommenheit, allgemeiner Schwäche, Schwitzen, Kopfschmerzen, Reizbarkeit/Nervosität, Unruhe, Aggressivität und morgendlicher Müdigkeit, Magen-Darm-Beschwerden, Mundtrockenheit, Gewichtszunahme, Kopfschmerzen, aber auch Schlafstörungen, Albträumen und Anstieg der Leberwerte berichtet.

Phytotherapeutika

In die medizinischen Leitlinien wurden 2 Phytotherapeutika zur Behandlung von Schlafstörungen aufgenommen:

  • Baldrian: Nachgewiesen ist demnach ein positiver Effekt von hochdosiertem Baldrian bei leichten Schlafstörungen.
  • Lavendelöl: Einzelne Studien deuten über eine Reduzierung der ängstlichen Anspannung in der Bettsituation auf eine einschlaffördernde Wirkung von Lavendelöl bei leichten Schlafstörungen hin.

Sleeptracker & Smartwatches

Sleeptracker und Smartwatches analysieren in der Regel über die Bewegungshäufigkeit und den Puls den Schlaf und seine Qualität. Mit diesen Parametern könnten jedoch keine verlässlichen Aussagen zur Schlafqualität getroffen werden. Studien haben vielmehr gezeigt, dass sich mit diesen Parametern lediglich orientierende Aussagen zur Gesamtschlafmenge, der Einschlafzeit und nächtlichen Wachphasen treffen lassen. „Würde es sich dabei um valide Parameter zur Analyse des Schlafes handeln, würden wir diese längst in der schlafmedizinischen Praxis einsetzen“, so Schlafmediziner Hans-Günter Weeß.

Gewichtsdecken

Eine Gewichtsdecke ist eine Decke, die zwischen vier und zehn Kilogramm wiegt und auf das vegetative Nervensystem einen sogenannten Tiefendruck („Deep Touch Pressure“) ausüben soll. Es soll in der Folge die Serotoninproduktion angeregt und die Produktion des Stresshormons Cortisol reduziert werden. Psychologisch gesehen kann eine Gewichtsdecke subjektiv das Gefühl einer „Umarmung“ und damit eine beruhigende und ggf. schlafförderlich wirkende Beruhigung vermitteln. Es gibt wenige Studien, die bei psychiatrischen Patient*innen, z.B. bei Depression, bipolaren Störung oder generalisierter Angststörung und ADHS einen positiven Effekt auf den Schlaf nahelegen.

Einschlafroboter

Ein Einschlafroboter ist ein Gerät, das ebenfalls über eine beruhigende Wirkung beim Einschlafen helfen soll. Es gibt verschiedene Arten von Einschlafrobotern, die über Licht- oder Klangeffekte beispielsweise die Atmung verlangsamen und damit eine schlafförderliche Entspannung herbeiführen möchten. Es handelt sich dabei aber nicht um ein medizinisches Gerät und es ist nicht zur Behandlung von Ein- und Durchschlafstörungen geeignet. Wirksamkeitsstudien liegen nicht vor.

Lichtmetronome

Ein Lichtmetronom ist ebenfalls als Einschlafhilfe gedacht. Rhythmische Lichtimpulse sollen die Atmung verlangsamen und eine einschlafförderliche Entspannung herbeiführen. Es gibt keine wissenschaftlichen Studien, welche die Wirksamkeit von Lichtmetronomen belegen.

Stirnbänder zur Stimulation der Hirnströme im Schlaf

Stirnbänder mit EEG-Sensoren haben den Anspruch während des Schlafes über Audiofeedback den langsam-welligen Tiefschlaf zu fördern. Sie dienen nicht der Behandlung von Schlafstörungen, sondern sollen vielmehr die Schlaferholsamkeit über eine Erhöhung des Tiefschlafanteils fördern. Der Nutzer soll sich durch den vermehrten Tiefschlaf am Tage wacher und leistungsfähiger fühlen. Auch dazu liegen keine wissenschaftlichen Studien zur Wirksamkeit vor.

Lichtwecker

Bei einem Lichtwecker handelt es sich am ehesten um ein Lifestyleprodukt, aber nicht um ein Gerät für eine medizinische Behandlung. Lichtwecker sollen den natürlichen Sonnenaufgang simulieren und so den Körper auf das Aufwachen besser vorbereiten, indem die Produktion des Schlafbotenstoffes Melatonin reduziert wird.

Intervallschlafen

Intervallschlaf ist eine Verhaltenstechnik, bei der nicht nur nachts, sondern auch tagsüber in vier bis sechs Zyklen zu jeweils 90 Minuten geschlafen wird. Die vor allem von schlafmedizinischen Laien („Schlafcoaches“) propagierte Methode beruht auf der irrtümlichen Grundannahme, dass der menschliche Schlafzyklus bei allen Menschen 90 Minuten betragen würde. Das vermeintliche Ziel dieser Methode ist es, den Schlaf bei erhaltener Leistungsfähigkeit in den Wachphasen zu verkürzen. Es gibt jedoch keine wissenschaftlichen Studien, die die Wirksamkeit von Intervallschlaf belegen. Vielmehr geht eine chronische Schlafverkürzung mit einem erhöhten Gesundheitsrisiko und Leistungseinschränkungen einher.

Angebote von Schlafcoaches

Bei Schlafstörungen handelt es sich um ernsthafte Erkrankungen, die vor der Behandlung einer exakten schlafmedizinischen Diagnose bedürfen. Der Begriff „Schlafcoach“ ist rechtlich nicht geschützt. Ein Schlafcoach hat in der Regel keine schlafmedizinische Ausbildung oder Qualifikation, die ihn befähigt, sich an der Behandlung von Menschen mit behandlungsbedürftigen Schlafstörungen im deutschen Gesundheitssystem zu beteiligen.

Die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin rät Betroffenen mit behandlungsbedürftigen Schlafstörungen sich an qualifizierte Ärz*innen und Psychotherapeut*innen zu wenden.

Quelle: Pressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Schlafmedizin/Ni

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