Integrative OnkologieOhr-Akupunktur bessert Schlafstörungen bei Mammakarzinompatientinnen

Eine Habilitationsarbeit hat integrative Therapiekonzepte bei Mammakarzinompatientinnen evaluiert. Ohr-Akupunktur bei Insomnie erwies sich als effektiv und sicher, Mind-Body-Verfahren besserten die globale Lebensqualität signifikant.

Akupunkturnadeln
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Die Akupunktur kann als sicheres Verfahren in der integrativen Onkologie angesehen werden.

Integrative Therapie beim Mammakarzinom

Kurz gefasst:

  • Akupunktur in der Therapie onkologischer Patient*innen kann als sicheres Verfahren angesehen werden.
  • Ohr-Akupunktur bessert bei Frauen mit Mammakarzinom Schlafqualität, Fatigue-Symptomatik und Angstgefühle.
  • Mind-Body-Medizin führt zu einer signifikanten Verbesserung der globalen Lebensqualität bei Frauen mit Mammakarzinom während der Chemotherapie. Stress, Angst und Depressivität nahmen signifikant ab.

2018 veröffentlichte Daten des Amerikanischen Krebsregisters zeigen, dass eine rein alternative Vorgehensweise (ohne jegliche konventionelle Behandlung) bei Mammakarzinom mit einer fünffach erhöhten Sterblichkeit einhergeht [1]. Von einer ausschließlich alternativen Therapie wird daher dringend abgeraten. Gleichzeitig wünschen sich 75 Prozent der Patientinnen mit fortgeschrittenem Mammakarzinom in Deutschland Informationen zu ergänzenden Therapien [2]. Es besteht also deutlicher Bedarf für evidenzbasierte evidenzbasierte Beratungs- und Behandlungskompetenz in der Onkologie im Sinne einer Integrativen Medizin. Dr. Petra Voiß leitet die Integrative Onkologie an den Evangelischen Kliniken Essen-Mitte und hat zu diesem Thema eine Habilitationsarbeit abgeschlossen.

Verbreitung und Auswirkungen von Schlafstörungen

Knapp 70% der Patientinnen mit Mammakarzinom leiden unter klinisch relevanten Schlafstörungen kurz nach Diagnosestellung, 18 Monate später sind es noch 42% [3]. Schlafstörungen führen bei Frauen nach Brustkrebserkrankung zu klinischen Beeinträchtigungen der Funktionsfähigkeit am Tag sowie der Lebensqualität und tragen zu krebsbedingter Fatigue bei [4]. Schlaf beeinflusst die Stresshormon-Achse und das vegetative Nervensystem, die wiederum die Immunabwehr regulieren.

Die Schlafqualität kann also Einfluss auf die Prognose haben: Entwickelt sich nach der Diagnose eines Mammakarzinoms eine Insomnie, steigt das Brustkrebsspezifische Mortalitätsrisiko nach Daten aus der Nurses‘ Health Study um 78% [5].

Sicherheit von Akupunktur in der Onkologie

Voiß und ihr Team evaluierten in einer Metaanalyse die Sicherheit von Akupunktur in der Therapie onkologischer Patient*innen [6]. In die Analyse wurden 62 randomisiert kontrollierte und Cross-over-Studien inkludiert.

Die Häufigkeit unerwünschter Ereignissen in den Akupunkturgruppen war insgesamt relativ gering:

  • Interventionsbedingte Ereignisse wurden bei 86 von 1278 Patient*innen (6,7%) berichtet;
  • nicht-schwerwiegende unerwünschte Ereignisse bei 151 von 746 (20,2%);
  • schwerwiegende unerwünschte Ereignisse bei 6 von 829 (0,7%);
  • ein Abbruch wegen unerwünschter Ereignisse trat bei 31 von 1825 Patient*innen (1,7%) auf.

Fazit: Insgesamt kann Akupunktur auf dieser Grundlage als sicheres Verfahren in der onkologischen Therapie angesehen werden.

Ohr-Akupunktur bei Insomnie

Herzstück des Habilitationsvorhabens bildet eine eigene randomisiert kontrollierte Studie [7]: Voiß et al. untersuchten darin den Effekt von Ohr-Akupunktur (2x wöchentlich für 5 Wochen) auf die subjektive Schlafqualität von Frauen mit Mammakarzinom. Darüber hinaus wurde erfasst, wie sich die Intervention auf die Lebensqualität, Stressperzeption, Fatigue, das psychische Wohlbefinden und Entzündungsparameter (Interleukin-6) der Patientinnen auswirkte. Als Vergleich diente eine leitliniengerechte Psychoedukation als Gruppen-Intervention (1,5 Stunden). 52 Patientinnen wurden für die Studie rekrutiert.

Bei den Patientinnen in der Ohr-Akupunktur-Gruppe zeigte sich nach 5 Wochen eine deutliche Verbesserung der Schlafqualität sowie eine Verbesserung der Fatigue-Symptomatik und von Angst-Gefühlen. Nach 3 und nach 6 Monaten zeigten sich beide Interventionen in etwa auf gleichem Wirksamkeitsniveau.

Fazit: Die Ohr-Akupunktur kann eine sichere und effektive Intervention zur Therapie von Schlafstörungen bei Brustkrebspatientinnen sein.

Voiß plant eine eine Folgestudie, in der Ohr-Akupunktur und Psychoedukation zusammen eingesetzt werden. Damit soll geprüft werden, ob sich durch die Kombination noch größere Effekte erzielen lassen.

Mind-Body-Medizin während der Chemotherapie

Um Patientinnen mit Mammakarzinom während der Phase der Chemotherapie zu unterstützen, adaptierten Voiß und ihr Team außerdem ein bestehendes multimodales Behandlungsprogramm für die Onkologie [8]. Das Programm beinhaltete achtsamkeitsbasierte Verfahren, Elemente der kognitiv-behavioralen Therapie, positive Psychologie, Yoga, Qigong, Bewegungstherapie, Ernährungstherapie im Sinne einer mediterranen Vollwertkost und naturheilkundliche Selbsthilfestrategien.

Vorrangiges Ziel war es, die Nebenwirkungen der systemischen Therapie zu lindern.

Trotz der signifikanten Verschlechterung der kognitiven Funktionsfähigkeit und der Symptomskalen Fatigue, Nausea und Dyspnoe führte die Teilnahme am Mind-Body-Medizinischen Gruppenprogramm zu einer signifikanten Verbesserung der globalen Lebensqualität. Stress, Angst und Depressivität nahmen signifikant ab. 96,5% der Patientinnen würden das Programm weiterempfehlen.

Die Arbeit wurde im Rahmen des Habilitationsprogramms der Carstens-Stiftung gefördert.

Literatur

[1] Johnson SB, Park HS, Gross CP, Yu JB. Use of Alternative Medicine for Cancer and Its Impact on Survival. J Natl Cancer Inst 2018; doi: 10.1093/jnci/djx145

[2] Fremd C et al. Use of complementary and integrative medicine among German breast cancer patients: predictors and implications for patient care within the PRAEGNANT study network. Arch Gynecol Obstet 2017; 295 (5):1239-1245. Link

[3] Savard J, Ivers H, Villa J et al. Natural course of insomnia comorbid with cancer: an 18-month longitudinal study. J Clin Oncol 2011; 29 (26): 3580–6. Link

[4] Irwin MR. Why sleep is important for health: a psychoneuroimmunology perspective. Annu Rev Psychol 2015; 66: 143-72. doi: 10.1146/annurev-psych-010213-115205

[5] Trudel-Fitzgerald C, Zhou ES, Poole EM et al. Sleep and survival among women with breast cancer: 30 years of follow-up within the Nurses’ Health Study. Br J Cancer 2017; 1-8: doi: 10.1038/bjc.2017.85

[6] Höxtermann MD, Haller H, Voiss P et al. Safety of acupuncture in oncology: a systematic review and meta-analysis of randomized controlled trials. Cancer online 2022; doi: 10.1002/cncr.34165

[7] Höxtermann MD, Buner K, Voiss P et al. Efficacy and Safety of Auricular Acupuncture for the Treatment of Insomnia in Breast Cancer Survivors: A Randomized Controlled Trial. Cancers (Basel) 2021; 13 (16): 4082. doi: 10.3390/cancers13164082

[8] Haller H, Choi KE, Voiss P et al. Effects of an Integrative Mind-Body-Medicine Group Program on Breast Cancer Patients During Chemotherapy: An Observational Study. Curr Pharm Des 2021; 27 (8): 1112-1120. doi: 10.2174/1381612826666201211111122

Quelle: Carstens-Stiftung/Ni

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