CoronavirusMechanismen hinter kognitiven Einschränkungen entschlüsselt

Nach akuter COVID-19-Infektion: Bei Betroffenen mit Autoantikörpern im Liquor könnten autoimmune Mechanismen zur Entstehung von Kognitionseinschränkungen beitragen.

Illustration mehrerer Coronaviren.
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Die Entstehung von Post-COVID ist multifaktoriell. Es gibt demnach nicht eine universelle Therapie, die jedem Betroffenen gleichermaßen hilft.

Bislang ist die Pathogenese von neurologischen Langzeitfolgen nach COVID-19, allem voran kognitiven Einschränkungen, nicht geklärt – und vieles spricht dafür, dass verschiedene Mechanismen zu den Symptomen führen könnten. Nun zeigte eine Studie der Charité-Universitätsmedizin und der Universität Köln eine hochsignifikante Assoziation zwischen pathologischem „Montreal Cognitive Assessment“(MoCA)-Test und Autoantikörpernachweis im Liquor. Das würde bei Patient*innen Autoantikörpernachweis immuntherapeutische Therapieansätze rechtfertigen. Doch bei weitem nicht alle Betroffenen haben Autoantikörper, so dass auch nach anderen Ursachen und Therapieansätzen weiter gesucht werden muss.

Das Post-COVID-Syndrom ist ein vielfältiges Erkrankungsbild, mit ganz unterschiedlichen Symptomen – und wahrscheinlich auch unterschiedlichen Entstehungsmechanismen. Recht häufig treten nach einer COVID-19-Erkrankung neurologische Langzeitfolgen, allem voran kognitive Einschränkungen, auf. Doch auch diese Symptomatik scheint nicht durch eine einzige Ursache hervorgerufen zu werden, sondern ist multifaktoriell. Das „eine“ Post-COVID, ausgelöst durch einen einzigen Mechanismus – und demzufolge die „eine“ Therapie, die allen Betroffenen gleichermaßen hilft, scheint es nicht zu geben. Das Krankheitsbild ist hochkomplex und entsprechend differenziert sollten Therapieansätze erwogen werden.

Dr. Christiana Franke, Leiterin der Post-COVID-Ambulanz am Charité Campus Benjamin Franklin, wertete mit Kolleg*innen prospektiv Daten von 50 Betroffenen aus. Das Blutserum und die Cerebrospinalflüssigkeit (CFS) dieser Patient*innen wurde auf Autoantikörper gegen intrazelluläre sowie Oberflächenantigene untersucht und mit dem Ergebnis des „Montreal-Cognitive-Assessment“ (MoCA)-Tests, des „Goldstandardtest“ zur Erfassung von kognitiven Einschränkungen, korreliert.

Mehr als die Hälfte der Betroffenen zeigen keine Kognitionseinschränkungen

Auffällig war zunächst, dass die Schwere der Kognitionseinschränkung subjektiv stärker wahrgenommen wurde als die durch den validierten Test erhobenen objektiven Ergebnisse es vermuten lassen. Denn MoCa-Test-Werte zwischen 30 (max. mögliche Punktzahl) und 26 gelten als normal, erst ab 25 Punkten liegt eine kognitive Beeinträchtigung vor.

  • Die Untersuchung der 50 Betroffenen ergab, dass nur 18 von ihnen Werte kleiner/gleich 25 aufwiesen, der MoCa-Test also bei mehr als der Hälfte der Betroffenen normal ausfiel.
  • Anti-neuronale Antikörper wurden bei 52% der Betroffenen nachgewiesen,
  • bei 9 Patient*innen ausschließlich im Serum,
  • bei 3 Patient*innen ausschließlich in der CSF,
  • bei 14 Betroffenen in Serum und CSF, darunter Antikörper gegen Myelin, Yo, Ma2/Ta, GAD65 und den NMDA-Rezeptor.

Was diese Studie als Kernergebnis zeigte, war, dass krankhafte MoCa-Testergebnisse signifikant mit anti-neuronalen Antikörpern in der CSF assoziiert waren. „Diese Ergebnisse deuten darauf, dass bei den Betroffenen, bei denen anti-neuronale Antikörper nachweisbar sind, autoimmune Mechanismen zur Entwicklung kognitiver Einschränkungen nach COVID-19 beitragen könnten“, erklärt Dr. Franke. „Bei diesen Patientinnen und Patienten mit Autoantikörpern wäre somit ein immuntherapeutischer Therapieansatz zu rechtfertigen. Allerdings wissen wir zum jetzigen Zeitpunkt nicht, ob die Autoantikörper ursächlich für die Beschwerden oder lediglich eine Begleiterscheinung sind.“

Zusammenfassend spielen unterschiedliche Faktoren bei Post-COVID eine Rolle, und umso wichtiger sei eine genaue Anamnese und Untersuchung der Betroffenen. „[…] Bevor wir Erkrankte in eine Verhaltens- oder Psychotherapie abgeben, sollten wir sicher sein, dass keine metabolische Problematik oder chronische Entzündung vorliegt. Bevor wir eine Aussage darüber treffen, ob eine Plasmapherese hilft oder nicht, müssen wir sie kontrolliert randomisiert und verblindet untersuchen, und zwar bei Betroffenen, bei denen eine Autoimmungenese der Beschwerden wahrscheinlich ist, also bei jenen, die Autoantikörper im Liquor haben,“ so Prof. Peter Berlit, Generalsekretär und Pressesprecher der DGN.

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V.

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