SozialverhaltenFördert Süßes prosoziales Verhalten?

Beeinflusst das Geschmacksempfinden Denken und Verhalten? Eine experiemtelle Studie liefert Anhaltspunkte, dass süße Geschmackserfahrungen unsere Entscheidungen sozialer machen. 

Ein Löffel Honig
HeinzWaldukat/stock.adobe.com

Neuere Studien zeigen, dass Geschmackserfahrungen Denken und Handeln beeinflussen können. Die meisten Studien beziehen sich auf süßen Geschmack.

Der Geschmackssinn ermöglicht, unbedenkliche von potentiell gefährlicher Nahrung zu unterscheiden. Die fundamentale Rolle dieses Sinnes zeigt sich ebenso darin, dass auch in der Evolution Geschmack einer der ersten Sinne war, die sich entwickelten. Vor diesem Hintergrund sind psychologische Effekte von Geschmackserfahrungen nicht überraschend. Neuere Studien, dass sie unser Denken und Verhalten beeinflussen können (und offenbar auch umgekehrt). Die meisten Studien beziehen sich dabei auf den süßen Geschmack. In einer neuen Studie konnte gezeigt werden, dass süße Geschmackserfahrungen unsere Entscheidungen sozialer machen.

In der Studie wurden die neuronalen Mechanismen mittels funktioneller Kernspintomographie geprüft. Die Proband*innen erhielten in einem Experiment süße, salzige oder neutrale Geschmacksproben, bevor sie an einem Entscheidungsspiel teilnahmen. Die Ergebnisse zeigten, dass die Proband*innen, die unmittelbar vor dem Entscheidungsspiel die süße Probe präsentiert bekamen, den Mitspieler*innen gegenüber positiver agierten. Süßer Geschmack scheint also sozialer zu machen, jedoch nicht weil er uns allgemein in eine gute Stimmung versetzt: Eine Kontrollaufgabe zeigte, dass süßer Geschmack bei der Bewertung von unerschiedlichen Produkten keinerlei Einfluss hat. Süßer Geschmack scheint also sehr spezifisch mit prosozialem Verhalten zusammenzuhängen.

Der Effekt des süßen Geschmacks auf das Sozialverhalten war mit dem dorsalen anterioren cingulären Kortex verbunden. Dieser Hirnbereich nimmt eine wichtige Funktion in der Kontrolle von Konflikten und Entscheidungen ein, z.B. bei der Wahl einer eher sozialen oder egoistischen Reaktion. Da der anteriore cinguläre Kortex mit Hirnarealen für das Geschmacksempfinden verbunden ist, scheint der süße Geschmack das Entscheidungsverhalten über diese Hirnregion verändert zu haben.

Die Hintergründe dieser Effekte sind noch unklar. Sprache könnte eine wichtige Rolle spielen. Nicht nur in der deutschen Sprache, sondern beispielsweise auch im Englischen oder in Mandarin, markiert die Süß-Metapher eine Verbindung von romantischen Gefühlen mit süßem Geschmack, z.B. in "süßen" Kosenamen. Auch frühkindliche Erfahrungen werden als Ursache dieser psychologischen Süß-Effekte diskutiert. Der süße Geschmack der Muttermilch könnte dahingehend bedeutend sein, da hier früh eine Verbindung zwischen süßem Geschmack und sozialem Verhalten gebildet wird.

Praktische Implikationen noch unklar

Könnten Süßigkeiten zum Beispiel ein schwieriges Meeting angenehmer verlaufen lassen? Hier muss einschränkend gesagt werden, dass die praktischen Implikationen noch sehr unklar sind. Die absoluten Unterschiede im sozialen Verhalten sind relativ klein, auch sind diese Experimente in einer rein experimentellen Umgebung durchgeführt worden.

Weitere Forschungen sind notwendig, um diese subtilen Prozesse besser zu verstehen, die Ergebnisse zu replizieren, und die mögliche Übertragbarkeit in den Alltag abzuschätzen. Die Studienergebnisse zeigen aber, welche komplexen und erstaunlichen Wirkungen Geschmackswarhrnehmungen auf unser Denken und Verhalten haben können.

Quelle: MSB Medical School Berlin - Hochschule für Gesundheit und Medizin

Literatur

Schaefer M, Kühnel A, Schweitzer F et al. Experiencing sweet taste is associated with an increase in prosocial behavior. Scientific Reports 2023; https://www.nature.com/articles/s41598-023-28553-9

Lesen Sie im neuen Spezialthema:

  • Blutegeltherapie und Cantharidenpflaster gegen Schmerzen
  • Schröpfen: Therapieoption bei Schmerzen
  • Evidenzbasierte Aromatherapie bei Schmerzen
  • Heilpflanzen bei Rückenschmerzen