AyurvedaStress und Erschöpfung – Die Leistung optimieren mit Āyurveda

Erschöpfungszustände sind mit ayurvedischer Medizin sehr gut behandelbar. Erfahren Sie in diesem Beitrag mehr über die Interventionsmöglichkeiten bei Stress und Erschöpfung. Anhand eines Falls aus der Praxis werden das mögliche Vorgehen und die möglichen Erfolge skizziert.

Ayurveda Massage mit Öl.
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von Kalyani Nagersheth

Stabilität und Regelmäßigkeit im Alltag, konstitutionsgerechte Ernährung, Yoga, Lebensregeln und ethische Grundsätze – Āyurveda bietet konkrete Optionen, um Erschöpfungssituationen vorzubeugen, aber auch um die Leistungsfähigkeit sowie das physische und psychische Gleichgewicht wiederherzustellen

Inhalt

Ayurvedische Tagesroutine

Lebensregeln und ethische Grundsätze

Ölmassagen

Kräuter zur innerlichen Einnahme

Ein Fall aus der Praxis

Āyurveda legt viel Wert auf die Gesunderhaltung. Dies wird durch Stabilität und Regelmäßigkeit im Alltag erreicht. Zunächst sollte die eigene Konstitution ermittelt werden, damit das Leben dieser entsprechend gestaltet werden kann, um gar nicht erst in eine Überforderungssituation zu geraten.

Vāta entspricht dem Wind und ist kreativ und flexibel. Daher sollte auch ein kreativer, künstlerischer Beruf gewählt werden, mit viel Gestaltungsfreiheit, aber dennoch klar vorgestecktem Rahmen. Sonst besteht die Gefahr, sich zu verlieren und niemals fertig zu werden. Die Hobbys können auch kreativ, aber erdend sein, z. B. Töpfern. Die Sportarten sollten auch eher erdend sein, nicht in der Luft (Badminton, Gleitschirmfliegen). Empfehlenswert wären Schwimmen oder Joggen.

Pitta hat Feuer, kann organisieren und sich durchsetzen. Diese Qualitäten können auch im Beruf ausgeübt werden. Die Zielstrebigkeit und der Ehrgeiz lassen den Pitta-Menschen gern über seine Grenzen gehen. Sport ist hier ein großartiger Ausgleich. Er darf anstrengend sein, aber sollte nicht in Wettkampf ausarten, um nicht schon wieder über die Grenzen zu gehen. Die Hobbys dürfen auch entspannend sein, um dem stressigen Alltag entgegenzuwirken.

Kapha ist stabil, zuverlässig, ordentlich und geerdet. Der Beruf sollte viele Routinen und Regelmäßigkeiten enthalten. „Multitasking“ überfordert Kapha. Dafür dürfen die Hobbys die Neugier fördern, z. B. Kochen aus aller Welt und damit das Kennenlernen vieler fremder Gewürze. Kapha-Menschen raffen sich ungern zum Sport auf, brauchen daher einen Anreiz (z. B. in der Gruppe und regelmäßig). Wenn sie sich aber aufgerafft haben, genießen sie den Sport auch.

Zusammenfassung

Erschöpfungszustände sind mit ayurvedischer Medizin sehr gut behandelbar. An erster Stelle stehen Lebensstilinterventionen auf Basis der jeweiligen Konstitution. Eine Tagesroutine, die Entspannung und Ausgleich integriert, z. B. mit Atemübungen und Sport, konstitutionsgerechte Ernährung, Kräuter, die Stresssymptome reduzieren, sowie äußerliche Anwendungen wie Öleinreibungen lassen Körper und Psyche wieder zur Ruhe kommen. Ayurveda beinhaltet zudem ethische Grundsätze, die für Psychohygiene sorgen sowie der mentalen Gesundheit und Stabilität dienen. Darin geht es v. a. um Achtsamkeit mit sich selbst und anderen.

Anhand eines Falls aus der Praxis werden das mögliche Vorgehen und die möglichen Erfolge skizziert.

Nun lässt der Alltag leider nicht immer zu, dass man sich seiner Konstitution entsprechend verhalten kann. Stress und Unruhe sind immer vorhanden, aber jeder geht unterschiedlich damit um. An der Reaktion auf Stress kann man Rückschlüsse auf die Konstitution schließen.

Caraka (der „Begründer“ der Inneren Medizin im Āyurveda) erläutert, dass bei chronisch Kranken als Hauptursache Sorgen gesehen werden. Taucht jemand in Aktivitäten ein, die über seinen Fähigkeiten liegen, wird er genauso versagen wie ein Löwe, der versucht, einen Elefanten wegzuschleifen.

Stress hat vielfältige Ursachen und Wirkungen. Er verstärkt das jeweilige konstitutionsbestimmende Doşa. Das bedeutet:

  • Ein Vāta-Typ (Elemente Luft und Äther) wird durch Stress noch mehr zu Luft. Er verliert total die Bodenhaftung und fühlt nur noch Leere im Körper. Symptome: Furcht, Ängstlichkeit, Nervosität, Verstopfung, Palpitationen (Herzklopfen), Atemlosigkeit, Unruhe, Unsicherheit. Die Reaktion kommt sehr schnell und geht sehr schnell wieder weg.

  • Ein Pitta-Typ (Element Feuer und etwas Wasser) verbrennt durch Stress (Burnout-Syndrom), sein Feuer steigt, er entwickelt immer mehr Aktivität, bis plötzlich nichts mehr geht. Symptome: Übersäuerung, saure Verdauungsstörung, Herzbrennen, Nesselsucht, Ausschläge, Herpes, Irritation, Wut, Hass, Kritik, Neid, Eifersucht.

  • Ein Kapha-Typ (Element Erde und Wasser) wird immer schwerer, er verfällt in Lethargie. Je mehr Stress vorherrscht, umso bewegungsloser wird er. Symptome: emotionales Essen, Übergewicht, Anhaftung, Depression, Trauer, Gefühl der Wertlosigkeit.

Vāta braucht Halt und Fülle. Dies erlangt man einerseits durch ein sehr regelmäßiges Leben (nach Stundenplan), Wärme und schwere, süße, feuchte Nahrung. Vāta kann wunderbar durch Ölbehandlungen reduziert werden.

Pitta muss sein Feuer kontrollieren, sollte sich also nicht zu viel Hitze aussetzen (Sauna) und keine scharfe Nahrung zu sich nehmen. Um die Energie abzubauen, eignet sich Sport sehr gut.

Kapha braucht etwas mehr Leichtigkeit. Also leichte, aber warme Nahrung und viele scharfe Gewürze. Aber Kapha muss immer kleine Pausen zwischen Übergängen von einer Aktivität in die andere haben.

Ayurvedische Tagesroutine

Für alle drei Typen eignet sich die ayurvedische Tagesroutine. Sie sollte möglichst schon im gesunden, stressfreien Zustand eingeübt werden. Dann dient sie in Stressphasen der Stabilisierung, und man kann die Ruhe bewahren.

  1. Vor Sonnenaufgang aufstehen, da ist die Tagesenergie noch unverbraucht.

  2. Zwei bis drei Gläser warmes bis heißes Wasser trinken regt die Verdauung an.

  3. Zunge schaben unterstützt die natürliche Entgiftung. Zähne putzen.

  4. Sich Zeit für den Stuhlgang erlauben.

  5. Abhyanga: den gesamten Körper einölen, besonders Kopf, Ohren und Füße. Öl auf dem Körper belassen, alten Jogginganzug anziehen. Für Vāta und Kapha ist Sesamöl, für Pitta Sonnenblumenöl geeignet, aber es sind auch alle anderen Öle erlaubt. – Caraka Samhitā, Sūtra Sthāna V, 85–93: So, wie die Achse eines Wagens durch Ölung stark und belastbar gemacht wird, wird der menschliche Körper durch Öl stark und bekommt eine weiche Haut. Der Körper wird besonders für Vāta-Erkrankungen weniger anfällig. Er wird resistent gegen Erschöpfung und Anstrengung. Vāta ist im Tastsinn dominant, dieser sitzt in der Haut. Die Ölmassage bringt einen außerordentlichen Vorteil für die Haut. Deswegen sollten Ölmassagen regelmäßig durchgeführt werden. Wenn jemand regelmäßig Ölmassagen erhält, wird der Körper selbst durch Verletzungen und anstrengende Arbeit nicht stark beeinträchtigt. Sein Aussehen ist weich, glatt, stark und ansprechend. Der Alterungsprozess wird verlangsamt.

  6. Yogāsanas entsprechend der körperlichen Belastbarkeit und Prāņāyāma (Atemübungen). – Die Atemübungen sind besonders wichtig, um Stress abzubauen („einmal tief durchatmen“) und um die Leistungsfähigkeit des Gehirns zu verbessern [2]: Die neuere Forschung belegt, dass die Atmung die neuronale Aktivität in der Großhirnrinde synchronisiert, Einfluss auf eine höhere kognitive Leistung hat (u.a. räumliches Vorstellungsvermögen und Merkfähigkeit) sowie Gedächtnisprozesse vermutlich durch den Atemrhythmus strukturiert werden [2].

  7. Snāna: Baden oder Duschen.

  8. Der Konstitution entsprechend frühstücken.

Grundsätzlich sollten keine natürlichen Reflexe unterdrückt werden: Stuhldrang, Harndrang, Blähungen, Erbrechen, Aufstoßen, Niesen, Husten, Gähnen, Hunger, Durst, Schlaf, Tränen, Ejakulation oder Atemholen nach Anstrengung. Dies könnte Vāta erhöhen und die normalen Funktionen des Körpers stören. Auch die Emotionen sollten kontrolliert (nicht unterdrückt!) werden: Habgier, Kummer, Angst, Ärger, Stolz (Eitelkeit), Schamlosigkeit, Neid, Anhaftung. Dies ist nicht nur die Tagesroutine, sondern stellt eine lebenslange Aufgabe dar und ist insbesondere für Pitta-Menschen eine Herausforderung.

Natürlich sollte auch die Ernährung der Konstitution entsprechen. Im Āyurveda werden allerdings einzelne Nahrungsmittel als besonders förderlich für das Gehirn, den Geist und das Gedächtnis genannt: Ghee (geklärte Butter), Honig, Milch, ein besonderer Reis, der in 60 Tagen reift, Mungh Dal, Steinsalz, Amalaki (eine indische Frucht, die von Oktober bis Februar auch in Deutschland in indischen Läden erhältlich ist), Regenwasser, Fleisch von Wildtieren, süßer Granatapfel, Kokosnuss, Trauben, Weizen, Lamm, Mandeln, Süßholz und Datteln.

Disziplin kann besonders in stressigen, schwierigen Lebenssituationen Halt und Stabilität geben.

Lebensregeln und ethische Grundsätze

Stress, Erschöpfung und andere psychosoziale Störungen entstehen nach der ayurvedischen Lehre durch unzuträglichen Kontakt der Sinnesorgane (zu lautes Musikhören, im Dunkeln lesen, zu viel Bildschirmarbeit, Handys), falsche Lebensführung und falsche Handlungen. Daher gibt es sehr konkrete ayurvedische Lebensregeln zur Erhaltung der Gesundheit. Diese Lebensregeln gelten übergreifend für alle drei Doşas und sorgen hauptsächlich für eine geistig-psychische Gesunderhaltung. Sie erfordern eine gewisse Disziplin und dienen der Vorbeugung von Krankheiten auf körperlicher und psychischer Ebene. Disziplin kann besonders in stressigen, schwierigen Lebenssituationen Halt und Stabilität geben.

Die allgemeinen ethischen Grundsätze sorgen für eine Psychohygiene und dienen der mentalen Gesundheit und Stabilität. Sie sind nicht an eine Religion gebunden, beinhalten aber auch die Grundlagen der Zehn Gebote. Es geht hauptsächlich um Achtsamkeit mit sich selbst und allen anderen Lebewesen. Jede Handlung sollte achtsam und bewusst sein. So kann Krankheiten (psychisch und körperlich) vorgebeugt werden und die Reaktion der Situation und den eigenen Möglichkeiten entsprechend erfolgen. Dabei wird nicht Wert auf Selbstkontrolle in Form von „sich zusammenreißen und funktionieren“ gelegt, sondern vielmehr die Selbstwahrnehmung betont.

Dazu gibt es drei Begriffe, die im Vordergrund stehen: Dharma, Artha, Kāma. Dharma kann als „Sinn des Lebens“ übersetzt werden, beinhaltet aber auch die Aufgaben im Leben. Dies muss nicht der Beruf, sondern vielmehr die Berufung sein. Artha ist tatsächlich der materielle Wohlstand, und Kāma sind die sinnlichen Wünsche und Begierden, also auch die Sexualität. Diese drei gelten als die zentralen Themen zur Erhaltung der psychischen Gesundheit und sollten individuell analysiert werden. Artha und Kāma sind relativ einfach festzustellen, Dharma ist sehr kompliziert und sollte immer wieder überdacht werden, da es sich im Laufe des Lebens ändert (als Kind hat man andere Aufgaben als als Erwachsener). Um sein eigenes Dharma, Artha, Kāma zu ermitteln, sollte man den nachfolgenden Fragenbogen durcharbeiten und sich immer fragen: Was sind meine Pflichten? Was sind meine Möglichkeiten in Bezug auf die folgenden einzelnen Kategorien?

  • Geschlecht

    – Dharma: Meine Rolle als Frau/Mann. Welche Möglichkeiten/Pflichten habe ich mit diesem Geschlecht? (schwanger werden, Familienmitglieder pflegen, Geld verdienen, beschützen usw.)

    – Artha: Wie viel materiellen Reichtum kann ich mit meinem Geschlecht anhäufen? Wie viel benötige ich? Welche Pflichten habe ich durch meinen Reichtum?

    – Kāma: Welche sexuellen Wünsche und Begierden habe ich aufgrund meines Geschlechts? Homosexualität?

  • Familie

    – Dharma: Aus welcher Familie stamme ich? Welche Möglichkeiten/Pflichten bietet mir meine Familie? (Es stand schon immer ein Klavier im Wohnzimmer, meine Bildung wird gefördert, ich muss schon früh Geld verdienen, um die Familie zu unterstützen usw.)

    – Artha: Welche materiellen Möglichkeiten/Pflichten hat meine Familie mit mitgegeben?

    – Kāma: Welche sexuellen Wünsche und Begierden darf ich ausleben? (z. B. streng katholische Familie: kein Sex vor der Ehe)

  • Land/Gesellschaft

    – Dharma: In welchem Land bin ich geboren, in welcher Gesellschaft aufgewachsen? Welche Werte wurden mir mitgegeben? Welche Möglichkeiten/Pflichten bieten mir mein Land/die Gesellschaft? (Steuern zahlen, soziale Unterstützung, Rente, Arbeitsmöglichkeiten, moralische, ethische Vorstellungen, Religion usw.)

    – Artha: Welche materiellen Möglichkeiten/Pflichten habe ich durch mein Heimatland? (z. B. in Deutschland höhere Ansprüche als in Indien)

    – Kāma: Welche sexuellen Wünsche und Begierden darf ich in meinem Heimatland ausleben. (z. B. darf man sich in Indien nicht in der Öffentlichkeit küssen oder Händchen halten)

  • Alter

    – Dharma: Welche Möglichkeiten/Pflichten habe ich in meinem jetzigen Alter? (spielen, Geld verdienen, mich um meine Kinder kümmern, das Leben genießen usw.)

    – Artha: Wie viel Reichtum möchte ich in welchem Alter haben? Z. B. Altersarmut. Welche finanziellen Möglichkeiten/Pflichten habe ich in meinem Alter.

    – Kāma: Welche sexuellen Wünsche und Begierden sollte ich in meinem Alter haben, bzw. wie alt sollte mein Partner sein?

  • Zeitalter

    – Dharma: Welche Möglichkeiten/Pflichten bringt das Zeitalter mit sich? (z. B. technologische Entwicklungen, Freiheiten, Zwänge)

    – Artha: Welcher materielle „Luxus“ passt in dieses Zeitalter?

    – Kāma: Welche sexuellen Wünsche und Begierden passen in dieses Zeitalter?

  • Begabungen

    – Dharma: Welche Begabungen habe ich? Welche Möglichkeiten/Pflichten erwachsen daraus? Wenn ich eine gesellschaftlich wertvolle Begabung habe, muss ich mich fragen, ob ich sie der Gesellschaft vorenthalten darf bzw. ob die Gesellschaft reif dafür ist, oder ob sie sinnvoll ist. (z. B. Entwicklung der Atombombe)

    – Artha: Wie viel materiellen Reichtum kann ich mit meiner Begabung anhäufen, bzw. wie viel benötige ich?

    – Kāma: Wie sind meine sexuellen Begabungen? Passen sie zu meinem Partner, bzw. welcher Partner passt zu mir?

  • Kraft

    – Wie viel Kraft habe ich? Wenn ich viel Kraft habe, kann ich die vorigen Punkte außer Acht lassen und gegen den Strom schwimmen. Wenn ich wenig Kraft habe, ist es für meine Gesundheit besser, mich anzupassen.

Zugegeben, es ist nicht einfach, aber es lohnt sich!

Ölmassagen

Āyurveda ist in Deutschland hauptsächlich für die Ölmassagen bekannt. Diese helfen natürlich auf eine wunderbare Weise zu entspannen. Sie kräftigen und nähren den erschöpften Körper und die gestresste Psyche. Besonders die Stirngüsse (es wird warmes Öl über die Stirn gegossen) klären den Geist und fördern einen erholsamen Schlaf. Die Fußmassagen mit Ghee (geklärte Butter) erden und stabilisieren. Die Ganzkörpermassagen entspannen, wirken Verspannungen entgegen und helfen, mit dem Stress besser umzugehen. Die verwendeten Öle werden der Konstitution entsprechend ausgewählt und enthalten viele Kräuter.

Kräuter zur innerlichen Einnahme

Es gibt diverse Kräuter zur innerlichen Einnahme, die Stresssymptome reduzieren und die Gehirnleistung verbessern. Die bekannteste und wichtigste Pflanze ist Aśvagandhā, Withania somnifera.

Withania somnifera (L.) Dunal, Winterkirsche

Sanskrit: Aśvagandhā („die nach Pferd riecht“)

Aśvagandhā sieht unseren Lampionblumen (Physalis) sehr ähnlich. Im Āyurveda wird die Wurzel verwendet. Wir erhalten sie in Pulverform, als Tabletten, als alkoholische Präparate oder als Öle. Die ayurvedische Wirkung ist als Vāta und Kapha reduzierend eingestuft und sie gilt als die stärkste Anti-Stress-Pflanze. Sie enthält hypnotisch wirkende Alkaloide, die den Schlaf fördern bzw. den Schlaf-Wach-Rhythmus verbessern. Daher kann Withania somnifera auch gut beim Jetlag eingesetzt werden. Durch die Einnahme werden Körper und Psyche ausgeglichen und wieder in die innere Mitte gebracht. Aśvagandhā gilt als Nerven- und Hirntonikum. Anscheinend wird die Serotoninausschüttung erhöht, dadurch entsteht die schlaffördernde und antidepressive Wirkung. Zusätzlich bestehen analgetische (schmerzlindernde) und entzündungshemmende Eigenschaften, das Abwehrsystem wird gesteigert. Momentan werden besonders die antiproliferativen Wirkungen in Bezug auf eine Anti-Krebs-Therapie untersucht. Untersuchungen haben gezeigt, dass auch der Cortisonspiegel erhöht wird. Aśvagandhā kann auch beim Chronic-Fatigue-Syndrom eingesetzt werden. Die Einnahme erfolgt mit warmer Milch, da diese eine optimale Trägersubstanz darstellt. In seltenen Fällen sind Unverträglichkeiten zu beobachten (Übelkeit). Da die Pflanze über die Nieren ausgeschieden wird, sollte man bei eingeschränkter Nierenfunktion vorsichtig sein.

Ölmassagen helfen zu entspannen, sie nähren den Körper und die erschöpfte Psyche.

Ein Fall aus der Praxis

Anamnese

Männlicher Patient, 58 Jahre, 180 cm, 120 kg, selbstständiger Immobilienmakler. Er arbeitet 7 Tage pro Woche, kann (möchte?) nichts delegieren, obwohl er 6 Mitarbeiter hat. Er bezeichnet sich selbst als „faulen Hund“ und setzt sich damit unter ständigen Leistungsdruck. Durch die Arbeit hat er keine Regelmäßigkeit im Leben. Herr D. lebt allein (geschieden), er hat zwei erwachsene Kinder. Wegen Kopfschmerzen besteht eine Schmerzmittelabhängigkeit (16 Thomapyrin täglich). Zusätzlich ist er übergewichtig und hat durch die schlechte Ernährung Gicht. Er kam wegen einer starken Erschöpfung in die ayurvedische stationäre Behandlung. Seine Ernährung war sehr unregelmäßig, viel Fast Food. Früher hat er viel Sport betrieben, jetzt ist er durch eine Hüft-TEP eingeschränkt. Er klagte über starke Durchschlafstörungen und war morgens selten ausgeruht. Insgesamt ist er eine Frohnatur mit geringer Krankheitseinsicht.

Ayurvedische stationäre Therapie

Ayurvedisch besteht eine Kapha-Konstitution mit Kapha-Vāta-Störung. Es wurde eine ayurvedische Pañcakarma-Reinigungskur durchgeführt. Dazu musste er die ersten vier Tage Ghee in ansteigender Dosierung (bis 120 ml) trinken, dann wurde abgeführt, anschließend erhielt er noch Darmeinläufe. An allen Tagen wurden ayurvedische Massagen und Stirngüsse durchgeführt. Als Rahmenprogramm gab es morgens Yoga, abends Meditation, tägliche Patientenschulungen sowie einen Kochkurs. Er nutzte das Rahmenprogramm ausführlich, und natürlich erfolgten auch tägliche Visiten mit zum Teil langen, ausführlichen, psychotherapeutischen Gesprächen. Die gute ayurvedische Küche schmeckte ihm vorzüglich.

Zunächst musste die Krankheitseinsicht gefördert werden. Allein schon die Ölmassagen wirken sehr weich machend, sodass ein Zugang zu den Emotionen besteht. Interessanterweise konnte er bereits nach drei Tagen seine Thomapyrin-Dosis reduzieren. Das Abführen fiel ihm schwer, führte dann aber zu einer guten Reinigung (ayurvedisch: Ausleitung von Pitta). Kurzzeitig ließ seine gute Laune nach, und er verspürte viel Zorn. Die Träume waren sehr intensiv. Die Darmeinläufe waren unproblematisch, ayurvedisch dienen sie zur Ausleitung von Vāta, daher erhielt er insgesamt sechs.

Empfehlungen zur Entlassung

Zur Entlassung wurden ayurvedische Kräuter mitgegeben, er benötigte kein Thomapyrin mehr. Er erhielt schriftliche Empfehlungen: u. a. regelmäßige Selbsteinölungen, maximal ½ Stunde Mittagsschlaf, Sport in der Vormittagszeit, Yoga (insbesondere Prāņāyāma, Atemübungen), Tagesroutine, regelmäßige Kapha-reduzierende Ernährung, viele Gewürze sowie die Ernährung auf Gicht, Cholesterin, Diabetes abgestimmt. Er verließ die Kur hochmotiviert und in guter Verfassung.

Verlauf

Ein Jahr später teilte er mit, er habe sein Leben stark umgestellt, seine Arbeit reduziert und könne seine Freizeit gut (z. T. mit seinen Kindern) genießen. Außerdem habe er Freude am Kochen und habe dies auch an seine Mitarbeiter weitergegeben.

Dr. med. Kalyani Nagersheth
Fachärztin für Physikalische und Rehabilitative Medizin
Phytotherapie und tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie

Interessenkonflikt: Die Autorin erklärt, dass keine wirtschaftlichen oder persönlichen Verbindungen bestehen.

[1] Hänsel R, Sticher O. Pharmakognosie – Phytopharmazie. 9. Aufl. Heidelberg: Springer; 2009: 844

[2] Heck DH. Bewusst atmen, klar denken. Gehirn & Geist 2019; 10

[3] Nesari T. Mind and Mental Disorders. Vortrag 16.09.19

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