CoronavirusChronische Erschöpfung und kognitive Defizite nach COVID-19-Infektion

COVID-19-Erkrankte leiden nach der akuten Infektion häufiger an chronischer Erschöpfung und kognitiven Defiziten als Menschen ohne vorangegangene Infektion, so eine neue Studie.

Aufschrift After COVID 19 auf rosa Hintergrund.
Jesse/stock.adobe.com

Laut Forscher*innen bedingen unterschiedliche Entstehungsmechanismen, welche Spät- und Langzeitfolgen nach einer COVID-19-Infektion auftreten.

Nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 leiden deutlich mehr Menschen an einem chronischen Erschöpfungssyndrom als Menschen, die nicht mit dem Virus in Kontakt waren. Auch kognitive Defizite wie Konzentrations- oder Gedächtnisstörungen treten nach einer Infektion häufiger auf. Wie Forscher:innen der Charité – Universitätsmedizin Berlin und des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Kiel, in einer aktuellen Untersuchung zeigen, sind überwiegend junge Frauen von einem Erschöpfungssyndrom betroffen. Geistige Beeinträchtigungen wurden eher bei Männern ab 55 Jahren beobachtet. Den Erkenntnissen liegen umfangreiche Daten der COVIDOM-Studie zugrunde, einer Erhebung im Rahmen des Nationalen Pandemie Kohorten Netzwerks (NAPKON).

COVIDOM-Studie

In der Studie untersuchen Forscher*innen des UKSH, der Charité und des Universitätsklinikums Würzburg, der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und des Exzellenzclusters „Präzisionsmedizin für chronische Entzündungserkrankungen/Precision Medicine in Chronic Inflammation“ die gesundheitlichen Folgen bei SARS-CoV-2-Infizierten.

Das postinfektiöse chronische Erschöpfungssyndrom, auch bekannt als Fatigue-Syndrom, zeigt sich durch eine langfristige und stark ausgeprägte körperliche Schwäche, die sich selbst durch Schlaf und Ruhepausen nicht bessert. Häufig tritt eine Verschlechterung auch nach geringfügigen Belastungen auf. Die chronische Erschöpfung gilt als Hauptgrund für eine verminderte Lebensqualität nach COVID-19. Geeignete Therapieoptionen fehlen. Bislang gab es keine zuverlässigen Zahlen für die Häufigkeit von Spät- und Langzeitfolgen wie dieser nach COVID-19.

Auch schwanken die Angaben über die Verbreitung von Fatigue in der Bevölkerung in anderen Zusammenhängen. „Die Existenz und möglichen Auswirkungen von chronischer Erschöpfung nach COVID-19 werden derzeit kontrovers diskutiert. Unsere Untersuchung liefert nun auf Basis breiter Bevölkerungsstudien belastbare Daten, die von gesellschaftlicher Bedeutung sind“, sagt Dr. Carsten Finke, Klinik für Neurologie mit Experimenteller Neurologie der Charité.

Junge Frauen häufig von chronischer Erschöpfung betroffen

Das Forschungsteam um Dr. Finke und Dr. Walter Maetzler, stellvertretender Direktor der Klinik für Neurologie des UKSH, Campus Kiel, hat für die aktuelle Untersuchung Daten von rund 1.000 Patient*innen ausgewertet, deren SARS-CoV-2-Infektion mindestens sechs Monate zurücklag. Die Vergleichsgruppe ohne vorangegangene Infektion bildeten rund 1.000 Menschen, deren Daten für eine Bevölkerungsstudie der Universität Leipzig vor der Pandemie zusammengetragen worden waren.

Rund 19 Prozent der zuvor SARS-CoV-2-Infizierten wiesen demnach relevante Symptome für ein chronisches Erschöpfungssyndrom auf, im Gegensatz zu nur acht Prozent in der Vergleichsgruppe. Chronische Erschöpfung kommt damit auch Monate nach einer Infektion mit dem Coronavirus mehr als doppelt so häufig vor wie in der gesunden Allgemeinbevölkerung. Insbesondere trifft sie jüngere Frauen zwischen 18 und 24 Jahren infolge einer Infektion.

Neurologische Beschwerden, während der akuten COVID-19-Erkrankung, konnten als Risikofaktoren für das spätere Auftreten von Fatigue identifiziert werden.

Kognitive Einschränkungen als weitere Folge identifiziert

Kognitive Einschränkungen wie Konzentrations- oder Gedächtnisstörungen sind laut der Studie eine weitere häufige Folge einer Coronavirus-Infektion.

Kognitive Defizite zeigten sich bei 27 Prozent der Untersuchten. Symptome dieser Art traten vor allem bei älteren Männern auf. Nur wenige von ihnen beklagten jedoch gleichzeitig Symptome einer chronischen Erschöpfung, während bei Patient*innen zwischen 25 und 54 Jahren etwa die Hälfte an Fatigue und kognitiven Einschränkungen litt. Das Forschungsteam schließt daraus, dass voneinander unabhängige Faktoren zum Auftreten dieser beiden verbreiteten Folgen führen.

Welche der unterschiedlichen Lang- und Spätfolgen sich nach COVID-19 zeigen, ist sehr wahrscheinlich auf unterschiedliche Entstehungsmechanismen zurückzuführen. „Für uns ist nun interessant, ob die kognitiven Defizite dauerhaft bestehen bleiben, oder ob sie sich zurückbilden. Auch ist die Frage offen, ob durch eine SARS-CoV-2-Infektion Demenzen bei Älteren früher auftreten“, sagt Prof. Maetzler. „Die aktuellen Daten geben erste Hinweise darauf, dass das chronische Erschöpfungssyndrom weniger stark ausgeprägt ist, je länger die Erkrankung zurückliegt.“ Daher widmen sich die Forscher*innen derzeit insbesondere dem Verlauf dieser Beschwerden.

Quelle: Pressemitteilung/Charité und Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH)

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