CoronavirusKein erhöhtes Schlaganfallrisiko durch SARS-CoV-2-Impfung

Zwei große Kohortenstudien belegen, dass das Schlaganfallrisiko nach der Impfung nicht erhöht ist. Im Gegenteil weisen weitere Daten sogar auf einen Schutz durch die Impfung während einer COVID-19-Erkrankung hin.

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Die Schlaganfallrate nach SARS-CoV-2-Impfung ist mit der in der Allgemeinbevölkerung vergleichbar.

Zwei neue Studien zeigen: Das Schlaganfallrisiko ist nach Impfung gegen SARS-CoV-2 nicht erhöht [1] [2]. Beide Erhebungen hatten sehr große Kohorten ausgewertet und kamen zu dem gleichen Ergebnis. Des Weiteren gibt es erste Daten, die sogar auf einen Schutz der Impfung vor Schlaganfällen während einer COVID-19-Erkrankung hindeuten: Bei Infektion mit SARS-CoV-2 hatten geimpfte Menschen nicht einmal ein halb so hohes Risiko wie ungeimpfte, einen Schlaganfall zu erleiden [4].

In einem systematischen Review [1] wurden zwei randomisierte Studien, drei Kohortenstudien und elf Register-basierte Studien ausgewertet. Insgesamt wurden 17.481 Fälle ischämischer Schlaganfälle erfasst – bei einer Gesamtzahl von 782.989.363 Impfungen. Die Schlaganfallrate betrug insgesamt 4,7 Fälle pro 100.000 Impfungen. Nur bei 3,1% der Schlaganfälle in Folge einer SARS-CoV-2-Impfung lag eine thrombotisch-thrombozytopenische Purpura (TTP) zugrunde.

Die Autor*innen schlussfolgern:

  • Die Schlaganfallrate nach Impfung ist mit der in der Allgemeinbevölkerung vergleichbar.
  • Die TTP, die zu Sinus- und Hirnvenenthrombosen führte, ist zumindest nach den Vorkehrungen, die getroffen wurden, eine sehr seltene Komplikation.
  • Die Schlaganfallrate bei SARS-CoV-2-infizierten Menschen hingegen liegt deutlich höher.

Bei der zweiten Studie handelt es sich um eine aktuelle Auswertung des „French National Health Data System“ (Système National des Données de Santé [SNDS]) [2]. Untersucht wurde, wie häufig nach erster und zweiter Gabe von Vakzinen gegen SARS-CoV-2 bei Menschen im Alter von 18-75 Jahren kardiovaskuläre Ereignisse (Myokardinfarkte, Lungenembolien oder Schlaganfälle) auftraten. Insgesamt waren 73.325 Ereignisse dokumentiert worden, bei 37 Millionen geimpften Personen.

Im Ergebnis zeigte die Studie, dass es keine Assoziation zwischen mRNA-Impfstoffen und dem Auftreten dieser schweren kardiovaskulären Komplikationen gab. Die erste Dosis des Vektor-basierten Impfstoffs ChAdOx1 war in Woche 2 nach der Impfung mit einer erhöhten Rate an Myokardinfarkten und Lungenembolien vergesellschaftet (RI: 1,29 und 1,41). Auch beim Impfstoff von Janssen-Cilag konnte eine Assoziation mit dem Auftreten von Myokardinfarkten in Woche 2 nach Vakzinierung nicht ausgeschlossen werden. In Bezug auf die Schlaganfallrate ergab die Auswertung aber für keinen der Impfstoffe ein höheres Risiko.

Prof. Peter Berlit von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie ordnet die Ergebnisse ein:

„Die vorliegenden Daten zeigen zumindest für die mRNA-Impfstoffe keinerlei Sicherheitssignale in Bezug auf ein erhöhtes Schlaganfallrisiko. Die Tatsache, dass beide Erhebungen sehr große Kohorten auswertet haben und beide zum gleichen Ergebnis kommen, gibt uns zusätzliche Sicherheit: mRNA-Vakzine gegen SARS-CoV-2 erhöhen nicht das Schlaganfallrisiko, die Sorge davor sollte also Menschen nicht davon abhalten, sich impfen zu lassen.“

Berlit betont, dass die SARS-CoV-2-Infektion mit einer höheren Schlaganfallrate einhergeht und die Impfung vor Schlaganfällen schütze. Das zeigte jüngst eine koreanische Studie [4]: Von 592.719 SARS-CoV-2-positiven Patient*innen im Studienzeitraum (7/2020 und 12/2021) wurden 231.037 in die Studie eingeschlossen. 62.727 waren ungeimpft, 168.310 vollständig geimpft (zwei Dosen eines mRNA- oder Vektorimpfstoffs), sie hatten sich aber trotzdem mit Corona infiziert. Die geimpften Studienteilnehmer*innen waren älter und wiesen mehr Komorbiditäten auf. Dennoch waren schwere oder gar kritische COVID-19-Verläufe in dieser Gruppe seltener ebenso wie die Rate an Folgeerkrankungen. Das adjustierte Risiko betrug für den ischämischen Schlaganfall 0,40 bei den geimpften Teilnehmer*innen. Das bedeutet, dass die Impfung das Schlaganfallrisiko im Vergleich zur Gruppe der ungeimpftem Studienteilnehmer*innen mehr als halbierte.

Hintergrund

Ende März 2021 wurde eine schwere, wenn auch seltene Nebenwirkung nach COVID-19-Impfung mit Vektor-basierten Vakzinen beobachtet: Impfassoziiert traten vor allem bei jüngeren Frauen Sinus- und Hirnvenenthrombosen auf, es kam zu Todesfällen. Bei Impfung mit mRNA-Vakzinen wurde diese unerwünschte Nebenwirkung nicht beobachtet, zumindest nicht in einer Häufigkeit, die einen Zusammenhang vermuten ließ.

Der Vektor-basierte Impfstoff ChAdOx1 (AstraZeneca) wurde daraufhin nicht mehr jungen Frauen verabreicht, außerdem wurden Geimpfte für das Leitsymptom Kopfschmerzen nach Impfung sensibilisiert und Ärzt*innen auf das Phänomen der Bildung von anti-PF4-Antikörpern hingewiesen. Der Nachweis dieser Antikörper kann Betroffene identifizieren, bevor klinische Symptome von Sinus- und Hirnvenenthrombosen auftreten, und erlaubt somit eine frühzeitige Therapie und Prävention dieser seltenen Komplikation.

Es wurde aber auch ein leicht erhöhtes Risiko für hämorrhagische Schlaganfälle (Hirnblutungen) nach Impfung mit einem mRNA-Vakzin beschrieben. Eine im Oktober 2021 in „Nature Medicine“ publizierte Auswertung [3] zeigte diesbezüglich ein erhöhtes Risiko an den Tagen 1-7 und den Tagen 15-21 nach Impfung mit BNT162b2 (IRR: 1,27 und 1.38). Seitdem haftet allen Impfstoffen gegen SARS-CoV-2 das Stigma an, sie könnten Schlaganfälle auslösen. Die beiden neuen Studien zeigen nun, dass die Impfung gegen SARS-CoV-2 nicht mit einem erhöhten Schlaganfallrisiko einhergeht.

Literatur

[1] Stefanou MI, Palaiodimou L, Aguiar de Sousa D et al. Acute Arterial Ischemic Stroke Following COVID-19 Vaccination: A Systematic Review and Meta-analysis. Neurology 2022; doi: 10.1212/WNL.0000000000200996

[2] Botton J, Jabagi MJ, Bertrand M et al. Risk for Myocardial Infarction, Stroke, and Pulmonary Embolism Following COVID-19 Vaccines in Adults Younger Than 75 Years in France. Ann Intern Med 2022; doi: 10.7326/M22-0988

[3] Patone M, Handunnetthi L, Saatci D et al. Neurological complications after first dose of COVID-19 vaccines and SARS-CoV-2 infection. Nat Med 2021; doi: https://doi.org/10.1038/s41591-021-01556-7

[4] Kim YE, Huh K, Park YJ et al. Association Between Vaccination and Acute Myocardial Infarction and Ischemic Stroke After COVID-19 Infection. JAMA 2022; doi: https://jamanetwork.com/journals/jama/fullarticle/2794753

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Neurologie

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