LymphödemWas muss ich zur Vorbeugung eines Arm-Lymphödems beachten?

Arm-Lymphödeme nach einer Brustkrebsoperation sind heute viel seltener geworden – Und es gibt einiges, was Sie selbst tun können – Schwimmen gehen, nichts Schweres tragen, Verletzungen vermeiden, tägliche Hautpflege.

Frau in schwarzem T-Shirt, die sich auf den Unterarm mit der anderen Hand drückt.
H. Münch/Thieme

von Rainer Brenke

Arm-Lymphödeme nach einer Brustkrebsoperation sind heute viel seltener geworden – Und es gibt einiges, was Sie selbst tun können – Schwimmen gehen, nichts Schweres tragen, Verletzungen vermeiden, tägliche Hautpflege.

Inhalt

Begünstigende Faktoren

Das können Sie selbst tun

Maßnahmen für die Zukunft

Etwa jede 9. Frau in Deutschland wird im Laufe ihres Lebens mit der Diagnose Brustkrebs konfrontiert. Damit ist auch das sekundäre Arm-Lymphödem ein Thema. Es kann, muss aber nicht auftreten. Neben begünstigenden Faktoren gibt es aber auch wirksame Maßnahmen, einem Arm-Lymphödem vorzubeugen. Prinzipiell unterscheiden sich die Empfehlungen zur Vorbeugung des Arm-Lymphödems nicht von denen, die bei bereits bestehendem Arm-Lymphödem gegeben werden können. Je nach individuellem Risiko können sie aber weniger „intensiv“ ausfallen.

Begünstigende Faktoren

Ein Lymphödem wird durch verschiedene Faktoren begünstigt, die von der Art der Behandlung oder den individuellen Gegebenheiten der Patientin abhängen. Sie sind aber nur bedingt beeinflussbar, da stets die Therapie mit den besten Überlebenschancen gewählt werden sollte und nicht die, die am wenigsten ein Lymphödem zur Folge hat. Die folgenden Faktoren spielen eine Rolle:

  • Größe und Art des medizinischen Eingriffs: Durch den Trend zur brusterhaltenden Operation (etwa 50 % aller Fälle) und zur sog. Wächter-Lymphknoten-Chirurgie ist ein Lymphödem seltener geworden. Waren es beim klassischen Vorgehen mit der Entfernung der Brustdrüse und möglichst umfangreicher Lymphknotenentfernung 20–40 % aller operierten Frauen, die ein Arm-Lymphödem entwickelten, so sind es bei der heute üblichen schonenderen Operationstechnik etwa 5–12 %. Entscheidend ist dabei die Zahl der entfernten Lymphknoten.

  • Notwendigkeit der Bestrahlung nach der Operation: Die Bestrahlung verringert das Risiko eines Wiederauftretens des Brustkrebses, erhöht aber deutlich das Ödemrisiko.

  • Vorgehen bei der postoperativen Mobilisation: Grundsätzlich verringert eine Frühmobilisation postoperative Komplikationen. Allerdings sollten forcierte Bewegungen im Bereich der betroffenen Schulter bis zum Abschluss der Wundheilung (10 Tage bis 2 Wochen) unterbleiben und nie über die Schmerzgrenze hinaus gehen, da die Narbenbildung und die Neubildung von Lymphgefäßen sonst behindert werden kann. Eine ungestörte Wundheilung bedeutet eine Prophylaxe von Arm-Lymphödemen. Etwa ab dem 7. postoperativen Tag sind erste neu gebildete Lymphgefäße nachweisbar, die die Narbe überbrücken. Die Langzeitergebnisse hinsichtlich der Schulterbeweglichkeit werden durch eine vorübergehende teilweise Immobilisation nicht ungünstig beeinflusst.

  • Da mit zunehmendem Alter die Aktivität der Lymphgefäße nachlässt, stellt auch das Alter einen Risikofaktor dar.

  • Auch der individuelle Verlauf der Lymphgefäße kann für das Auftreten eines Lymphödems entscheidend sein und ist nicht zu beeinflussen.

  • Ein noch vor etlichen Jahren wichtiges Thema war die Frage, wann eine Röntgenuntersuchung der Lymphgefäße mit Kontrastmittel (sog. ölige Lymphographie) durchgeführt werden sollte, da diese Untersuchung den Befund oftmals verschlechterte. Heute kommt diese Diagnostik nur noch selten zum Einsatz.

Das können Sie selbst tun

Neben den genannten nur bedingt beeinflussbaren Faktoren, gibt es auch Faktoren, die Sie als Patientin selbst beeinflussen können. Diese betreffen das Verhalten im Alltag und bei medizinischen Maßnahmen:

  • Kein schweres Tragen mit dem betroffenen Arm.

  • Häufiges Hochlagern des Arms fördert den venösen und lymphatischen Rückfluss.

  • Vermeidung von Übergewicht: Ein erhebliches Übergewicht oder eine Adipositas behindern den Lymphabstrom und sollten vermieden werden.

  • Tragen eines BHs, der nicht einschnürt. Am besten geeignet sind Oberteile, die man im Sanitätshaus erhält und die z. B. für den Versehrtensport entwickelt wurden.

  • Eine eventuelle Brust-Epithese sollte möglichst leicht sein (Schaumstoff, kein Silikon). Schwere Epithesen können durch Zug am BH die verbliebenen Lymphgefäße schädigen. Leichte Schaumstoff-Epithesen wurden für den Sport entwickelt, eignen sich aber auch im Alltag. Die Befürchtung, dass sich eine Fehlhaltung entwickeln könnte, erscheint unberechtigt.

  • Keine Verletzungen am Arm der operierten Seite und im entsprechenden Rumpfquadranten. Dazu gehören Blutentnahmen, Spritzen, Akupunktur, aber auch Blutdruckmessungen, insbesondere 24-Stunden-Blutdruckmessungen. Die Gefahr von Wunden im Haushalt und Garten sollte man minimieren (Schutzhandschuhe, Vorsicht bei Haustieren, Geschirrspülmaschine nutzen, Vorsicht bei der Maniküre). Sinnvoll ist es, stets ein Desinfektionsmittel für minimale Verletzungen mitzuführen.

  • Tägliche Hautpflege: Trockene und rissige Haut kann eine Eintrittspforte für Krankheitserreger sein.

  • Vermeiden von Maßnahmen, die die Durchblutung steigern: Kein Sonnenbad, keine Thermalbäder oder Sauna, bei Physiotherapie keine Wärme im betroffenen Rumpfquadranten oder lokal, im gleichen Bereich auch keine klassischen Massagen und keinen Reizstrom anwenden.

  • Wahl geeigneter Sportarten: Prinzipiell ist Bewegung zur Prophylaxe eines Arm-Lymphödems sinnvoll, denn sie regt die Lymphgefäße an. Schwimmen ist z. B. wegen der zusätzlichen milden Kompression durch das Wasser und die Entlastung durch den Auftrieb eine optimale Therapie. Überlastungen und Verletzungen sollten dagegen wegen der damit verbundenen stärkeren Mehrdurchblutung vermieden werden. Bei sportlicher Betätigung außerhalb des Wassers (z. B. Ergometer-Training für die Arme) ist das Tragen eines Armstrumpfes und damit die Bewegung in der Kompression sinnvoll.

Maßnahmen, die in Zukunft sekundäre Arm-Lymphödeme noch seltener auftreten lassen könnten:

  • Bereits vor Jahren wurde eine Lymphdrainage nach und ggf. auch vor der Operation für einige Tage propagiert, da dadurch die Heilung der Operationswunde gefördert wird und Lymphödeme seltener auftreten. Bisher wird diese Erkenntnis so gut wie nicht in die Praxis umgesetzt. Die Gefahr einer Verschleppung von Metastasen ist nach jetzigem Kenntnisstand nicht gegeben.

  • Ebenfalls in der Diskussion ist das Tragen eines Kompressionsstrumpfs bei gefährdeten Patientinnen mit einem latenten Lymphstau. Es laufen zurzeit Untersuchungen, um eine unkomplizierte Möglichkeit zu finden, die betroffenen Patientinnen zu identifizieren. In einem so frühen Stadium des Lymphödems (Latenzstadium) ist es ja noch zu keiner Umfangszunahme gekommen. Überhaupt ist es sinnvoll, wenn bei den betroffenen Frauen gelegentlich die Armumfänge dokumentiert werden, um ein sich entwickelndes Lymphödem frühzeitig zu erkennen.

Das Auftreten eines Arm-Lymphödems nach einer Brustkrebs-Operation ist also kein unabwendbares Schicksal. In vielen Fällen kann es von der Patientin selbst verhindert werden.

1 Földi M, Földi E. Das Lymphödem und verwandte Krankheiten: Vorbeugung und Behandlung. 9. Aufl. München: Urban & Fischer/Elsevier; 2009

2 Pritschow H, Schuchardt C, Hrsg. Das Lymphödem und die Komplexe Physikalische Entstauungstherapie. 4. Aufl. Köln: Viavital; 2014

PD Dr. med. Rainer Brenke
Berlin

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