Phytotherapie bei HauterkrankungenPflanzenschätze für die Haut

In Zeiten von Antibiotikaresistenzen gewinnen traditionelle Heilpflanzen zunehmend an Bedeutung für die Behandlung von Hauterkrankungen. Wir stellen Ihnen 3 davon vor!

sg-naturephoto.com/stock.adobe.com

Epilobium angustifolium: Das Schmalblättrige Weidenröschen hemmt Entzündungen und wirkt wundheilend.

von Ellen Huber


Kurz gefasst

  1. Heilpflanzen mit antibakteriellen und entzündungshemmenden Eigenschaften haben großes Potenzial für den Einsatz in der Wundheilung und Hautregeneration.
     
  2. Die Erfahrung zeigt, dass pflanzliche Zubereitungen seltener zu Resistenzbildung führen als klassische Antibiotika.
     
  3. Viele Pflanzen sind jedoch in Vergessenheit geraten. Darunter die hier vorgestellten: Schmalblättriges Weidenröschen, Kleine Braunelle und Vogelknöterich


Inhalt

Die postantibiotische Ära

Schmalblättriges Weidenröschen: Pionierpflanze gegen Unholde

Kleine Braunelle: Meisterin der Selbstheilung

Vogelknöterich: Vergessenes Wundermittel


Die postantibiotische Ära

Ein Problemfeld der modernen Medizin stellen die drastisch zunehmenden Antibiotikaresistenzen dar. Multiresistente Keime besiedeln mit Vorliebe Haut und Schleimhäute. Besonders bei geschwächter Abwehrlage hat der Körper dieser Invasion wenig entgegenzusetzen.

Die neuesten Statistiken der WHO zeigen, dass Pseudomonas aeruginosa, ein Auslöser von Wundinfektionen, bereits gegen die meisten Antibiotika resistent ist. Sein Gefährdungspotenzial wird mittlerweile als höchst kritisch eingestuft. In der Rangfolge knapp darunter liegen die hartnäckigen, multiresistenten Stämme von Staphylococcus aureus, einem der berüchtigtsten Hautkeime. Auch wenn dieser Keim weit verbreitet und nicht immer pathogen ist, stellt er doch eine häufige Ursache für komplikationsreiche Hautinfektionen dar.
 

Heilpraktiker dürfen keine MRSA-Patienten behandeln!


Angesichts dieses alarmierenden Zustands wäre dringender Forschungsbedarf für pflanzliche Alternativen geboten – zumal diese nach bisheriger Erfahrung weniger anfällig für Resistenzbildungen sind. Drei Pflanzen, die als Hoffnungsträger in einer postantibiotischen Ära gelten könnten, seien hier vorgestellt.


Schmalblättriges Weidenröschen: Pionierpflanze gegen „Unholde“

Epilobium angustifolium (Syn. Chamaenerion angustifolium), das Schmalblättrige Weidenröschen, siedelt sich als Pionierund Erosionsschutzpflanze an Kahlschlägen, Waldwegen, auf Felsschutt oder an Ufern an. Die Samen sind lange keimfähig und fliegen bis zu 10 km weit. Vor Ort wirkt es als Bodenbereiter und Bodenfestiger mit weit kriechenden und tiefen Wurzeln. Der bis zu 150 cm hohe, kahle Stängel steigt aufrecht und unverzweigt empor. Die wechselständigen, schmal-lanzettlichen Blätter sind 8–15 cm lang und 1–3 cm breit. Der Rand ist nach unten gebogen, die bläulich-grüne Unterseite deutlich geädert. Von Juni bis August leuchten die 2–3 cm großen, rosa-purpurnen Blüten in einer langen endständigen Traube. Mit der Bezeichnung „Antonii herba“ bezeugte man den Weidenröschenarten höchste Anerkennung.

Der Arzt, Botaniker und Pharmazeut Conrad Gesner betitelte das Schmalblättrige Weidenröschen 1561 in seinem Werk „Horti Germaniae“ als Antoniuskraut, da es gegen das sogenannte Antoniusfeuer eingesetzt wurde. Damit waren brennende Entzündungen, wie Erysipel, Mutterkornbrand oder Milzbrand gemeint. Die antimikrobiellen, schmerzstillenden, entzündungshemmenden und wundheilenden Eigenschaften der Weidenröschen verschafften bei Wundheilungsstörungen Linderung. Der Begriff „Unholdenkraut“ verdeutlicht, dass vermeintliche Krankheitsdämonen ferngehalten werden sollten. Heute weiß man, dass es sich dabei um Mikroben handelt.


Epilobium angustifolium wirkt antimikrobiell, entzündungshemmend und antioxidativ

In mehreren aktuellen Studien wandte man den ethanolischen Extrakt aus Blüten und Blättern von Epilobium angustifolium äußerlich an. Es wirkte antimikrobiell gegen:

  • Staphylococcus aureus (inklusive MRSA)
  • Pseudomonas aeruginosa
  • Proteus mirabilis
  • Micrococcus luteus
  • Candida albicans

Zudem hemmte Weidenröschenextrakt das Bakterienwachstum in Zellkulturen effektiver als Vancomycin oder Tetracyclin. Wässrige Extrakte hemmten außerdem zuverlässig humanpathogene Pilzarten. Zudem kann man sie wegen der antibakteriellen Wirkung auf uropathogene Stämme von Escherichia coli auch innerlich als Tee bei unkomplizierten Formen von Zystitis einsetzen. Epilobium angustifolium weist einen vierzigfach höheren Gehalt des Tannins Oenothin B auf als andere Weidenröschenarten. Neben Oenothin B sind die Flavonoide an den heilenden Eigenschaften der Weidenröschen beteiligt. Myricetin, Quercetin, Kämpferol und deren Glykoside sind dabei die Hauptakteure. Die Wirkstoffkomplexe zeichnen sich durch herausragende antioxidative und entzündungshemmende Eigenschaften aus.

Die Ausschüttung von Prostaglandin I2 wurde durch den wässrigen Extrakt von Epilobium angustifolium fünfmal stärker reduziert als durch den Extrakt von Epilobium parviflorum, dem Kleinblütigen Weidenröschen.

Die Tannine, Phenolsäuren wie Gallus- und Chlorogensäure und Flavonoide vermindern eine durch UV-Strahlung bedingte Degeneration der Fibroblasten und die damit verbundene Alterung von Bindegewebszellen. Bei Akne vulgaris ist der Einsatz des Schmalblättrigen Weidenröschens aus mehreren Gründen lohnend: Eine hormonbedingte Überproduktion der Talgdrüsen durch Dihydrotestosteron zusammen mit der Verhornung der Haut sind die auslösenden Faktoren für Akne im Jugendalter. In diesem Milieu ruft das ansonsten eher harmlose Propionibacterium acnes bakterielle Entzündungsprozesse hervor. Durch seine leicht antiandrogenen, antibakteriellen und entzündungshemmenden Eigenschaften lindert das Schmalblättrige Weidenröschen die Beschwerden.


Rezepturen mit Epilobium angustifolium

Dieser Inhalt unterliegt den Bestimmungen gemäß Heilmittelwerbegesetz (HWG) und darf nur berechtigten Personen zugänglich gemacht werden. Bitte loggen Sie sich ein, um diesen Inhalt zu sehen.


Kleine Braunelle: Meisterin der Selbstheilung

Prunella vulgaris – auch Brunella (Tourn.), Kleine, Gewöhnliche oder Gemeine Braunelle genannt – gedeiht als Kriechpionier mit oberirdischen Ausläufern auf Parkrasen sowie Fett- und Moorwiesen. Sie wächst aufrecht oder aufsteigend und wird 5–30 cm hoch. Sie ist zerstreut behaart. Die Blätter sind eilänglich, lanzettlich, ganzrandig oder ganz leicht gezähnt. Von Mai bis Oktober erscheinen gedrungene Blütenquirle mit purpur- oder blauvioletter Färbung, im späteren Stadium werden sie bräunlich.

Altüberlieferte Literatur beschreibt ihre Bedeutsamkeit bei verschiedensten Hautläsionen. Mittel der Wahl war die Braunelle als Gurgelwasser bei Schleimhauterkrankungen wie Halsbräune (Rachendiphtherie), Rachenentzündungen, Mundentzündungen und Mundfäule. Lonicerus und Tabernaemontanus berichteten außerdem von der Heilkraft bei frischen Wunden. Auch Matthiolus bestätigte die wundheilende Wirkung und empfahl sie auch bei Furunkeln. Der englische Volksname „Self-Heal“ leitet sich von „self-healing“ (=„selbstheilend“) ab und verdeutlicht ihre zahlreichen Fähigkeiten.


Wirkstoffe verhindern Biofilmbildung

Antivirale, antibakterielle und entzündungshemmende Inhaltsstoffe in Prunella vulgaris unterstützen die Selbstheilungskräfte. Hier sind Triterpensaponine wie Oleanol- und Ursolsäure, Lamiaceen-Gerbstoffe wie Rosmarinsäure sowie Tannine und Flavonoide besonders hervorzuheben. Über die rein antibakterielle Aktivität hinaus verhindern die Wirkstoffe der Braunelle, dass sich Erreger wie Pseudomonas aeruginosa in Biofilmen einnisten, auf die das Immunsystem und herkömmliche Antibiotika keinen Zugriff haben.

Dieser Inhalt unterliegt den Bestimmungen gemäß Heilmittelwerbegesetz (HWG) und darf nur berechtigten Personen zugänglich gemacht werden. Bitte loggen Sie sich ein, um diesen Inhalt zu sehen.


Vogelknöterich: Vergessenes Wundermittel

Polygonum aviculare, der Vogelknöterich, keimt als Pionierpflanze gern auf offenen Flächen in Äckern, Gärten und auf betretenen Wegen. Der bis zu 80 cm lange, vom Grund verzweigte Stängel, liegt meist flach am Boden. Die oval-linealen, etwas zugespitzten Blätter besitzen häutig-durchsichtige, zerschlitzte Blattscheiden. Von Mai bis Oktober bilden sich in den Blattachseln kleine, unscheinbare weiß-rosa Blüten. Seit Jahrtausenden wurde der Kulturbegleiter als kühlendes, zusammenziehendes und trocknendes Heilkraut genutzt. Hieronymus Bock lobte das „Weggras“ als nützlichstes unter den gemeinen Kräutern. Bei Hautausschlägen, Erysipel, Gürtelrose, Zahnfleischläsionen, aber auch bei Krampfadern und Hämorrhoiden halfen Spülungen und Kompressen, Schwellungen, Entzündungen und Schmerzen zu lindern.

Berühmtheit erlangte der Vogelknöterich als Wundermittel gegen die Lungentuberkulose, wurde dann aber wegen profitgierigem Missbrauch als Schwindlerarznei diskreditiert. Wissenschaftliche Studien bekräftigen jedoch die Fähigkeit zu Geweberegeneration, antioxidativem Zellschutz, Wundheilung sowie antibakterielle Qualitäten.


Rehabilitation eines geschmähten Unkrauts

In mehreren Forschungsprojekten zeigte sich, dass Inhaltsstoffe wie Quercetinverbindungen, Kaffeesäure und Rutin zu einem effektiven Wundverschluss beitragen. Dabei beschleunigte sich die Beweglichkeit der Keratinozyten. Zugleich wurde ein Anti-Falten-Effekt auf die Zellmembran nachgewiesen. Die antioxidative Fähigkeit erstreckt sich auch auf DNA-Schäden durch freie Radikale. Die Wirkstoffe Loliolid, Quercetin-Glucuronid und Juglanin verminderten degenerationsbedingte Enzymaktivitäten in menschlichen Hautzellen, was altersbedingten Hauterkrankungen vorbeugen kann. Die starke antioxidative Kapazität wird dem hohen Gehalt an phenolischen Substanzen zugeschrieben. Die entzündungshemmende Wirkung des Krautes lässt sich auf Flavonol-Glucuronide zurückführen, welche die unspezifische Abwehr und antioxidative Prozesse unterstützen. Vogelknöterich punktet zusätzlich durch seine antimikrobiellen Eigenschaften: Sowohl wässrige wie ethanolische Auszüge wiesen eine Aktivität gegen gramnegative und grampositive Bakterien auf. Als Leitsubstanz wurde das Diterpen-Alkaloid Panicudin identifiziert, dessen antimikrobielle Eigenschaften bekannt sind. Die Wirkstoffe sind hitzetolerant, jedoch ist kalkhaltiges Wasser bei der Zubereitung zu vermeiden.

Dieser Inhalt unterliegt den Bestimmungen gemäß Heilmittelwerbegesetz (HWG) und darf nur berechtigten Personen zugänglich gemacht werden. Bitte loggen Sie sich ein, um diesen Inhalt zu sehen.

 

Der Artikel ist erschienen in der DHZ 3/2017.

Sie interessieren sich für ein Abo? Dann bitte hier entlang.

Ellen Huber ist Diplom-Biologin, Heilpraktikerin, Heilpflanzenexpertin und Inhaberin der Heilpflanzenschule Millefolia, Hohenau.

Lesen Sie im neuen Spezialthema:

  • Blutegeltherapie und Cantharidenpflaster gegen Schmerzen
  • Schröpfen: Therapieoption bei Schmerzen
  • Evidenzbasierte Aromatherapie bei Schmerzen
  • Heilpflanzen bei Rückenschmerzen