GastroenterologieDie Heidelbeere als Heilpflanze bei Colitis ulcerosa

Die EMA (European Medicines Agency) spricht für getrocknete Heidelbeeren eine Empfehlung zur Behandlung von Diarrhö auf der Grundlage des traditional use aus.

Heidelbeere, Colitis ulcerosa
Patrick Daxenbichler/stock.adobe.com

Vaccinium myrtillus: Der Zwergstrauch liefert stark färbende Früchte, die Ernte ist aufwendig.

von Anna Katharina Koch, Jennifer Hapke, Jost Langhorst

Inhalt

Die Heidelbeere – Inhaltsstoffe und Darreichungsformen
Die Heidelbeere als traditionelle Heilpflanze
Stand der Forschung
Pilotstudie
Ergebnisse
Patientenstimmen zur Anwendung der Heidelbeere
Diskussion
Literatur

Colitis ulcerosa (CU) ist eine chronische Krankheit, die mit Begleiterscheinungen wie häufigem und teils blutigem Stuhlgang, abdominellen Krämpfen und Durchfall einhergeht [1]. Während eines Schubes erfolgt die Behandlung mit chemisch-synthetischen Präparaten unter steter Überwachung eines Arztes [1]. Ergänzend zur Standardbehandlung gibt es aus dem Bereich der Phytotherapie aber verschiedene vielversprechende Therapieoptionen. Eine solche Option stellt die Heidelbeere dar.

Die Heidelbeere – Inhaltsstoffe und Darreichungsformen

Die Heidelbeere (Vaccinium myrtillus L.) gehört zur Familie der Heidekrautgewächse (Ericaceae) und ist unter anderem auch in Deutschland beheimatet. Heidelbeeren sind reich an Anthocyanen – Pflanzenfarbstoffe, die zu der Gruppe der Flavonoide gehören. Diesen Farbstoffen, die für die charakteristische lila Farbe der Beeren verantwortlich sind – und die auch in anderen Lebensmitteln wie beispielsweise Rotwein, Rotkohl und Aroniabeeren vorkommen – werden verschiedene positive Eigenschaften wie antioxidative, entzündungshemmende und gefäßschützende Effekte zugeschrieben [2–10]. Nebenwirkungen sind kaum vorhanden und laut der European Scientific Cooperative on Phytotherapy (ESCOP) weist die Frucht zudem keine mutagenen oder zytotoxischen Effekte auf. Nicht verwechselt werden darf Vaccinium myrtillus mit den häufig im hiesigen Lebensmittelhandel erhältlichen Kulturheidelbeeren. Diese sind nicht mit der in Europa vorkommenden Vaccinium myrtillus verwandt, sondern nordamerikanischen Ursprungs, werden aber auch in Europa angebaut. Kulturheidelbeeren sind ungeeignet als Heilpflanze, da sich bei ihnen die wertvollen Anthocyane lediglich in der Schale, nicht aber im Fruchtfleisch befinden. Somit sollte bei Bedarf immer auf Vaccinium myrtillus zurückgegriffen werden. Frische Heidelbeeren können in größeren Mengen allerdings abführend wirken, weswegen getrocknete Beeren oder Heidelbeermuttersaft zur Anwendung kommen sollten.

Die Heidelbeere als traditionelle Heilpflanze

Als traditionelle Heilpflanze wird sie in getrockneter Form in der Liste der EMA unter traditional use zur Anwendung gegen Diarrhö geführt [11]. Dies bedeutet, dass zwar keine ausreichenden klinischen Forschungsdaten zur Anwendung vorliegen, die Heidelbeere aber seit mindestens 30 Jahren, davon 15 in der EU, als Heilpflanze eingesetzt wird.

Stand der Forschung

In tierexperimentellen Studien, in vitro und in einer Pilotstudie (s. u.) konnte gezeigt werden, dass bestimmte Inhaltsstoffe der Heidelbeere – und anderer lilafarbener Früchte wie der Apfelbeere – einen positiven Effekt auf die Krankheitsaktivität einer Colitis haben [4, 5, 7, 9, 12–16]. Speziell hinsichtlich Heidelbeeren in der Therapie der CU sind allerdings kaum klinische Studien zu finden.

Pilotstudie

Eine systematische Literaturrecherche im September 2017 nach klinischen Studien zum Thema Heidelbeere und CU in der Literaturdatenbank Pubmed ergab einen Treffer (Tab. 1): Diese offene, klinische Pilotstudie aus dem Jahr 2013 befasste sich gezielt mit dem Thema Heidelbeere und CU [7]. Innerhalb der Studie wurden 13 Patienten mit aktiver CU über einen Zeitraum von 6 Wochen begleitet, währenddessen sie ergänzend zur Standardmedikation viermal täglich ein Heidelbeerpräparat, hauptsächlich bestehend aus getrockneten Heidelbeeren und Heidelbeersaft, zu sich nahmen. Die Qualität und Anthocyankonzentration der Präparate wurde mittels Hochleistungsflüssigkeitschromatographie wiederholt überprüft und sichergestellt. Im Schnitt nahmen die Patienten durch die Präparate täglich 840 mg Anthocyane zu sich. Aufgrund des stark schwankenden Anthocyangehalts frischer Heidelbeeren entspricht dies in etwa einer Menge zwischen einem und 10 kg frischer Früchte.

Tab. 1 Pubmed-Suchstrategie und Suchergebnisse im September 2017.

Search QueryItems found
#1 Search (bilberry or bilberries or blueberry or blueberries or „vaccinium myrtillus“)2182
#2 Search (ulcerative colitis [MeSH Major Topic]) OR ulcerative colitis[Title / Abstract] OR inflammatory bowel disease[MeSH Major Topic] OR UC[Title / Abstract]OR IBD[Title / Abstract])78 680
#3 Search clinical trial[Publication Type]774 949
#4 Search (#1 and #2 and #3)1

Ergebnisse

Im Verlauf der 6 Wochen zeigte sich, dass der Großteil der Patienten den primären Zielparameter der Studie – Induktion der Remission, definiert durch einen klinischen Aktivitätsindex von unter 4 – erreichte: 63,4 % der Per-Protocol-Population und 53,8 % der Intention-To-Treat-Population gelangten in Remission. Zudem war bei den meisten Patienten eine Symptomlinderung evident.

 

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Diskussion

Die Studie zeigt, dass die Einnahme eines Blaubeerpräparats, bestehend aus getrockneten Früchten und Saftkonzentrat, einen positiven Effekt auf die Krankheitsaktivität haben könnte. Kritisch zu betrachten ist allerdings, dass diese Pilotstudie keine adäquate Stichprobengröße oder Kontrollgruppe aufweist und die Ergebnisse somit lediglich als erste Hinweise auf eine mögliche klinische Wirksamkeit gesehen werden können.

Weitere klinische und vor allem randomisiert kontrollierte Studien fehlen. Es ist dringend wünschenswert, solche Studien mit einer entsprechenden Patientenzahl durchzuführen, um evidenzbasierte Empfehlungen hinsichtlich des Heidelbeerkonsums zur Therapie der CU geben zu können.

Förderung: Die Arbeit ist mit freundlicher Unterstützung der Rut- und Klaus-Bahlsen-Stiftung entstanden. Die Inhalte wurden durch die Förderung nicht beeinflusst.

Interessenkonflikt: Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt in Bezug auf diese Publikation besteht.

Literatur

[1] Dignass A, Preiß JC, Aust DE et al. Aktualisierte Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der Colitis ulcerosa 2011 – Ergebnisse einer Evidenzbasierten Konsensuskonferenz. Z Gastroenterol 2011; 49: 1276–1341

[2] Krikorian R, Shidler MD, Nash TA et al. Blueberry supplementation improves memory in older adults. J Agric Food Chem 2010; 58: 3996–4000

[3] Montrose DC, Horelik NA, Madigan JP et al. Anti-inflammatory effects of freeze-dried black raspberry powder in ulcerative colitis. Carcinogenesis 2011; 32: 343–350

[4] Piberger H, Oehme A, Hofmann C et al. Bilberries and their anthocyanins ameliorate experimental colitis. Mol Nutr Food Res 2011; 55: 1724–1729

[5] Wu LH, Xu ZL, Dong D et al. Protective effect of anthocyanins extract from blueberry on TNBSinduced IBD model of mice. Evid Based Complement Alternat Med 2011; 2011: 525462

[6] Nohynek LJ, Alakomi HL, Kahkonen MP et al. Berry phenolics: antimicrobial properties and mechanisms of action against severe human pathogens. Nutr Cancer 2006; 54: 18–32

[7] Biedermann L, Mwinyi J, Scharl M et al. Bilberry ingestion improves disease activity in mild to moderate ulcerative colitis – an open pilot study. J Crohn’s Colitis 2013; 7: 271–279

[8] Cardona F, Andres-Lacueva C, Tulipani S et al. Benefits of polyphenols on gut microbiota and implications in human health. J Nutr Biochem 2013; 24: 1415–1422

[9] Roth S, Spalinger MR, Gottier C et al. Bilberryderived anthocyanins modulate cytokine expression in the intestine of patients with ulcerative colitis. PLoS One 2016; 11: e0154817

[10] Roth S, Spalinger MR, Muller I et al. Bilberryderived anthocyanins prevent IFN-gamma-induced pro-inflammatory signalling and cytokine secretion in human THP-1 monocytic cells. Digestion 2014; 90: 179–189

[11] European Medicines Agency. Dried bilberry fruit; Vaccinium myrtillus L., fructus siccus. 2015. www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/Herbal_-_Summary_of_assessment_report_for_the_public/2015/12/WC500198940.pdf

[12] Chen T, Hu S, Zhang H et al. Anti-inflammatory effects of Dioscorea alata L. anthocyanins in a TNBS-induced colitis model. Food & Function 2017; 8: 659–669

[13] Kang SH, Jeon YD, Moon KH et al. Aronia berry extract ameliorates the severity of dextran sodium sulfate-induced ulcerative colitis in mice. J Med Food 2017; 20: 667–675

[14] Minaiyan M, Ghannadi A, Mahzouni P, Jaffari-Shirazi E. Comparative study of Berberis vulgaris fruit extract and berberine chloride effects on acetic acid-induced colitis in rats. Iran J Pharm Res 2011; 10: 97–104

[15] Osman N, Adawi D, Ahrne S et al. Probiotics and blueberry attenuate the severity of dextran sulfate sodium (DSS)-induced colitis. Dig Dis Sci 2008; 53: 2464–2473

[16] Pereira SR, Pereira R, Figueiredo I et al. Comparison of anti-inflammatory activities of an anthocyanin-rich fraction from Portuguese blueberries (Vaccinium corymbosum L.) and 5-aminosalicylic acid in a TNBS-induced colitis rat model. PLoS One 2017; 12: e0174116

Der Artikel ist erschienen in der Zeitschrift für Phytotherapie 6/2017

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Autor

Prof. Dr. med. Jost Langhorst ist Chefarzt der Klinik für Integrative Medizin und Naturheilkunde am Klinikum am Bruderwald, Sozialstiftung Bamberg. Stiftungslehrstuhl für Integrative Medizin, Schwerpunkt Translationale Gastroenterologie der Universität Duisburg-Essen.

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