LymphsystemAyurveda und Yoga: Behandlung von Erkrankungen des Lymphsystems

Erfahren Sie mehr über die ayurvedische Therapie von Erkrankungen des Lymphsystems, die u.a. aus Ernährungs-, Yoga- und Phytotherapie besteht.

Frau macht Yoga auf einer blauen Matte.
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Yoga als unterstützende Therapie bei Lymphödem.

von Hedwig H. Gupta

Einleitung

Der Ayurveda ist ein jahrtausendealtes Medizinsystem aus dem indischen Subkontinent. Alle Erkrankungen – so auch die Erkrankungen des Lymphsystems – werden im Ayurveda logisch analysiert, diagnostisch eingeordnet und kausal behandelt. Dabei basiert das ayurvedische Vorgehen auf einer eigenen Vorstellung von Anatomie, Physiologie, Pathogenese und Wirkweisen von Behandlungen. Der Yoga hat den gleichen kulturhistorischen Hintergrund und lässt sich hervorragend in ein ayurvedisches Behandlungskonzept integrieren [2]. Das ayurvedische Verständnis der Prozesse und die therapeutischen Ansätze bei Erkrankungen im Lymphsystem werden im Folgenden vorgestellt.

Allgemeine ayurvedische Physiologie und Anatomie

Alle Funktionen in einem Individuum, egal ob diese auf körperlicher, mentaler oder emotionaler Ebene stattfinden, werden aus ayurvedischer Sicht von Kräften, „doṣa“ genannt, geleitet. Man unterscheidet drei doṣas: vāta, pitta und kapha. Jeder von ihnen hat spezielle Verantwortungsgebiete. Dabei ist vāta vor allem für Bewegung, Information und Kontrolle zuständig. pitta bewirkt Umwandlung, Wärme und Farbentstehung. kapha verursacht Masse, Stabilität und Kühlung. Diese doṣas erkennt man an ihren Eigenschaften. Ein Individuum, in dem die Eigenschaften eines doṣas vermehrt vorkommen, wird erkannt als eines, das vermehrt diesen doṣa in sich hat. Das verändert die Funktion auf allen drei Ebenen.

Die doṣas mit ihren Eigenschaften sind im Einzelnen wie folgt beschrieben:

  •  vāta: trocken, kalt, leicht, unfettig, rau, subtil und beweglich,
  •  pitta: fettig, heiß, durchdringend, flüssig, sauer, beweglich und scharf sowie
  •  kapha: schwer, kalt, weich, fettig, süß, unbeweglich und schleimig.
  • Alles, was in seinen Eigenschaften einem der doṣas gleicht, vermehrt diesen doṣa.

Was in seinen Eigenschaften einem der doṣas widerspricht, vermindert diesen doṣa, und alles, was in seinen Eigenschaften für den doṣa neutral ist, lässt den doṣa unbeeinflusst [1], [2].

Der Ayurveda ist zwar ein energetisches Medizinsystem, aber beschreibt auch die materiellen Bestandteile des Körpers. Die dhātus (Gewebe) an sich sind unbewegte Struktur. Nur über die Wirkung der doṣas werden sie zum Leben und zur Funktion erweckt.

Im Ayurveda sind sieben Grundgewebearten beschrieben:

  • rasa: „Plasma”, klare Flüssigkeiten im Körper,
  •  rakta: „Blut“, rote Flüssigkeiten im Körper,
  •  māṃsa: „Muskel“, fleischartige Organe,
  •  medas: „Fett“, weiches Bindegewebe,
  •  asthi: „Knochen“, festes Bindegewebe,
  •  majjā: „Mark“, Knochenmark oder Nervengewebe und
  •  ṡukra: „Samen“, progenetisches Gewebe.

Aus ayurvedischer Sicht entsteht das erste Gewebe rasa direkt aus der Nahrung, und alle anderen Gewebe bilden sich sukzessive aus rasa und dem jeweils vorher entstandenen Gewebe in einer Art Kette. Nicht nur die doṣas, sondern auch die Gewebe zeichnen sich durch ihre Eigenschaften aus. So wird rasa als nährend, flüssig, fettig, schwer, dumpf und weiß beschrieben und hat damit ähnliche Eigenschaften wie der doṣa kapha. Das Abfallprodukt von rasa ist auch kapha, allerdings in Form von Schleim, der sich in Thorax und Magen sammelt und über den Rachen und die Nase ausgeschieden wird [3], [4], [6].

Alle Gewebe sowie die wichtigsten Abfallprodukte und vitale Faktoren zirkulieren im Körper über funktionelle Systeme. Diese sind wie ein Netzwerk von Biokanälen, von denen der Körper durchzogen ist. Manche dieser Kanäle sind groß und sichtbar wie die Trachea, der Magen-Darm-Trakt oder die großen Blutgefäße. Manche sind eher klein, sogar so subtil, dass die Kanälchen vielfach in jede Zelle führen. Diese Biokanäle werden „srotas“ im Singular und „srotāṃsi“ im Plural genannt. srotāṃsi sind nicht einfach starre Rohre, sondern tubuläre Strukturen, die pulsieren können, die Flussrichtung und -geschwindigkeit der Substanzen bestimmen, die sie transportieren, und die einen selektiven Transport über ihre Wände besitzen. So können die srotāṃsi die Gewebe bzw. die anderen Stoffe, die sie transportieren, ernähren und bilden sowie gleichzeitig deren Abfallstoffe abtransportieren [5], [6].

srotas sind materiell vorhanden. Im Unterschied zur schulmedizinischen Anatomie kann die gleiche Struktur, beispielsweise eine Arterie, gleichzeitig rasa, das Plasma, und rakta, das rote Blut, transportieren.

Lymphe aus ayurvedischer Sicht

Die Lymphe ist im Ayurveda kein eigenes Gewebe, sondern wird als eine Form von rasa-dhātu, Plasma, angesehen. Lymphbahnen werden dementsprechend als eine Art der rasa transportierenden srotāṃsi aufgefasst.

Lymphe bzw. rasa wird damit aus ayurvedischer Vorstellung direkt aus der Ernährung gebildet. Je ähnlicher die Eigenschaften der Ernährung denen des rasa sind, desto mehr rasa wird gebildet. Das zeigt sich im Körper, indem mehr Feuchtigkeit in den Geweben spürbar ist, und auch daran, dass der Mensch eher zum Verschleimen, insbesondere der oberen Atemwege, neigt.

Krankheiten des Lymphsystems aus ayurvedischer Sicht

Das Lymphsystem kann auf unterschiedliche Weise erkranken.

Störungen der Menge

Einerseits kann rasa zu viel oder zu wenig gebildet werden.

Wird zu viel rasa gebildet, dann kommt es zu vermehrter Flüssigkeitsbelastung im System. Der Betroffene wird dadurch schwerer, kälter, feuchter, dumpfer. Das kann sich in der Bildung von Ödemen, Zysten oder Aszites zeigen. Das führt aber auch zu Allgemeinsymptomen wie Appetitlosigkeit, Übelkeit, Müdigkeit und Schwere in Geist und Körper.

In der Schulmedizin kennt man mehrere Lympherkrankungen, die ayurvedisch unter einer Steigerung von rasa zusammengefasst werden, z. B. das Lymphödem. Aber auch Erkrankungen, die schulmedizinisch nicht der Lymphe zugeordnet werden, wie die Herzinsuffizienz oder die Hyperhydratation, werden hier mit betrachtet.

Wird zu wenig rasa gebildet, fehlen ebendiese Eigenschaften. Der Mensch wird trocken und instabil. Es ist, wie wenn ein innerer Schutz fehlt. Der Betroffene bekommt nicht nur eine trockene Haut und trockene Schleimhäute sowie Durst, sondern wird schwächer, nimmt Sinnesreize intensiver wahr und wird auf allen Ebenen instabil [7], [8], [9].

In der Schulmedizin könnte man das mit einer Dehydratation vergleichen. Diese betrifft nicht primär, wohl aber sekundär auch das Lymphsystem.

Störungen der Qualität

Wenn die Ernährung zu trocken, zu wenig oder zu leicht ist, dann führt das zur Bildung von zu wenig rasa. Ist die Ernährung aber zu schwer, zu schleimig, klebrig, zu viel oder zu süß, dann kann das nicht nur zur übermäßigen Bildung von rasa führen, sondern auch den Stoffwechsel überfordern. Dieser metabolisiert dann nicht vollständig und nimmt nur teilweise verstoffwechselte Stoffwechselprodukte auf. Diese werden āma genannt. Sie sind schwer, klebrig, reizend und fadenziehend. Sie werden auch in das System mit rasa eingespeist, sodass das Gewebe rasa statt klar, befeuchtend und nährend nun klebrig, reizend und faul riechend wird. Dies führt zu Verklebungen des Gesamtsystems. Alles, was durch rasa genährt wird, kann nicht mehr gut aufgebaut werden. Auf die Dauer kommt der Mensch in einen verquollenen Mangelzustand [8].

Dies könnte man aus Sicht der Schulmedizin mit einem Lymph- oder Lipödem vergleichen. Aber auch ein Quincke-Ödem wäre hier einzuordnen.

Eine andere Möglichkeit der Qualitätsstörung vom Lymphsystem wird vyāpad genannt, was „Unglück“ oder „Versagen“ bedeutet. Dabei kommt es zu einer Veränderung des Gewebes z. B. durch Mikroorganismen. Daraus resultieren Überwärmung und Stauung des Systems. Das kann mit Verfärbung einhergehen und lebensgefährlich sein. Dies sieht wie eine Lymphangitis, ein Erysipel oder eine Sepsis aus.

Störungen des Transports

Störungen der Lymphe sind auch dann vorhanden, wenn die die Lymphe transportierenden Kanäle in ihrer Funktion gestört sind. Diese können auch zu schnell transportieren. Störungen gehen allerdings aufgrund der schweren und fettig-wässrigen Eigenschaften des Gewebes meist eher in die Richtung des zu langsamen Transports. Dies führt dazu, dass, auch wenn die Menge von rasa insgesamt korrekt ist, es zu Stauungen in der Peripherie kommt. Staut es länger, kommt es entweder zur Flussumkehr oder zum Austreten von rasa aus den Kanälen. Dann befindet sich der rasa vermehrt in den Geweben um die Biokanäle herum. Manchmal können sich auch Knoten bilden bzw. die Lymphknoten verdicken. Auch dies führt meist zu einem Stau der afferenten Gefäße [7], [8].

Dies gleicht z. B. den schulmedizinischen Diagnosen von Lymphödemen, Aszites oder Lymphknotenerkrankungen.

Behandlung mit Ayurveda und Yoga

Die ayurvedische Therapie kennt einen Therapiebaum, der mit der einfachsten Intervention beginnt und dann an Intensität zunimmt [8], [10].

Vermeiden der verursachenden Faktoren

Die ayurvedische Behandlung beginnt immer mit dem Vermeiden der verursachenden Faktoren. Belässt man diese, wird eine Therapie nicht längerfristig wirken. Um diese herauszufinden, erhebt der ayurvedisch arbeitende Arzt eine ausführliche Anamnese, insbesondere auch im Hinblick auf Lebensweise und Ernährung. Auch die geistig-emotionale Funktionsweise sowie Belastungen auf den verschiedenen Ebenen des Lebens wie Familie und Beziehung, Arbeit oder Bewegung werden eruiert. Aus ayurvedischer Sicht entstehen die Störungen der doṣas, Gewebe, der Funktionalität der srotāṃsi und der Vollständigkeit des Stoffwechsels meist durch eine fehlerhafte Lebensweise auf einem oder mehreren der oben genannten Gebiete. Daher ist die erste Intervention ein individueller Lebens- und Ernährungsplan.

Den Stoffwechsel stabilisieren

Wenn das Lymphgewebe zu wenig, zu viel oder fehlerhaft aufgebaut wird, dann sollten nicht nur die Ursachen dafür aus dem Alltag des Patienten eliminiert werden. Der Stoffwechsel wird benötigt, um entweder ein Zuviel an rasa wieder abzubauen oder einen zu geringen rasa aufzubauen oder auch unvollständig verstoffwechselte Metaboliten, das āma, zu verbrennen und aus dem System herauszubringen.

Die Stabilisierung des Stoffwechsels kann über Bewegung, Ernährung oder spezifische Heilkräuter erfolgen.

Ernährungstherapie

Die Ernährung spielt im Ayurveda eine zentrale Rolle. Besonders wichtig ist sie bei Erkrankungen der Lymphe, weil diese zu dem Gewebe gehört, das sich aus Sicht der ayurvedischen Physiologie direkt aus der Nahrung bildet. Verändern wir die Qualität der Nahrung, wird zügig auch die Qualität von rasa-dhātu anders.

Liegt ein Mangel an rasa-dhātu vor, wird eine Ernährung empfohlen, die reich an rasa-artigen Eigenschaften ist. Dazu sollte bei Hunger hinreichend gegessen werden, die Ernährung sollte flüssig und leicht fettig sein. Empfehlenswert sind beispielsweise Porridge, frisches Gemüse mit Ghī, Suppen, Frischsäfte, Buttermilch oder Milch. Das sollte gut gewürzt werden, um es leichter verdaulich zu machen. Bei einem Überschuss an rasa-dhātu sollten hingegen eher weniger Lebensmittel mit diesen Eigenschaften eingenommen werden. Jetzt sollte das Trinkwasser länger offen abgekocht sein, getrocknete Lebensmittel und mehrfach gebackenes Brot dürfen eingenommen werden. Ist āma, unvollständig verdaute Metabolite, im System, sollte auf eine leichte, würzige Ernährung geachtet werden.

Verhaltensempfehlungen

In der täglichen Routine kann der Patient die Menge, Qualität und den Transport von rasa direkt beeinflussen. Bewegt er sich, wird agni, der Stoffwechsel, gefördert. Über den Schweiß wird die Flüssigkeit im Körper vermindert und über die Bewegung selbst rasa-dhātu bewegt. Ein Mensch mit Stauungen sollte daher besonders darauf achten, dass er nicht länger unbewegt sitzt oder steht. Er sollte den ganzen Körper trocken massieren. Wärme- und Kältereize im Wechsel unterstützen den Fluss ebenso.

Umgekehrt, wenn rasa-dhātu vermindert ist, sollte mit aufbauenden Verhaltensweisen gearbeitet werden: Der Patient sollte sich einölen, heißes Wasser trinken, evtl. mit etwas Ghī, Pausen einlegen und sich nicht schweißtreibend bewegen.

Yogatherapie

Je nachdem, wie der Yoga eingesetzt wird und welche Glieder des Yoga betont werden, kann man mit Yoga jede Form der Störung von rasa-dhātu unterstützend behandeln. Bei einem Mangel von rasa-dhātu werden eher erdende und langsame āsanas praktiziert. Die Atemübungen sollten ausgleichend und entspannend sein. Meditation und Visualisation können den Aufbau von rasa fördern. Bei einem Übermaß an rasa, einem Stocken des Flusses in den Lymphbahnen und dem Vorhandensein von āma würde der Yoga aktivierender sein. Feurige āsanas wie der Sonnengruß können den Stoffwechsel anheizen. Umkehrhaltungen fördern den Rückfluss der Lymphe aus den unteren Extremitäten und aktivieren die Zirkulation. Ebenso tun das beschleunigte sowie tiefe Atemformen, die über stärkere Druckdifferenzen auch den Rückstrom der Flüssigkeiten aus den Niederdrucksystemen fördern.

Phytotherapie

Der Ayurveda besitzt eine reichhaltige Phytopharmakologie. Einige Pflanzen wie Asparagus racemosus (Śatāvarī) stärken die Bildung von rasa-dhātu. Andere wie Piper longum (Pippalī) fördern den Stoffwechsel und helfen beim Verbrennen von āma, den Stoffwechselmetaboliten. Wieder andere wie Commiphora guggul (Guggulu) öffnen die srotāṃsi, die Biokanäle, und fördern den Durchfluss. Trocknende Pflanzen wie Bauhinia variegata (Kāncanāra) vermindern die Menge an rasa-dhātu und verkleinern Lymphknoten. Typischerweise verwendet man im Ayurveda nicht nur eine einzige Pflanze, sondern eine Verbindung von verschiedenen Pflanzen, die sich in der Wirkung gegenseitig ergänzen und unerwünschte Begleitwirkungen abfangen. Diese können in unterschiedlichsten Darreichungsformen gegeben werden, bspw. als Frischsaft, Abkochung, Tee, Kaltinfusion, Extrakt oder medizinischer Alkohol.

Ausleitende Therapie

Wenn eine Störung längerfristig vorhanden ist, sollte man das System über eine Ausleitung von den gestörten doṣas befreien. Dann können sich die doṣas, der Stoffwechsel und die Gewebe neu bilden, die Biokanäle werden leichter durchgängig und funktionieren besser. Die ayurvedischen Ausleitungsverfahren sind unter dem Namen „klassischer pancakarma“ bekannt. Je nach Art der Störung werden dabei verschiedene Techniken der Ausleitung wie therapeutisches Erbrechen, Abführen oder Einlaufserien eingesetzt. Diese Therapie ist kontraindiziert, wenn der Patient āma, also Stoffwechselmetabolite, im System hat. Dieses müsste in einer Vorbehandlung erst aus dem System entfernt werden, bevor der eigentliche pancakarma beginnen kann.

Ein Beispiel aus der Praxis

Anamnese

Eine Frau von 40 Jahren kam in meine Praxis. Sie habe schon seit frühen Jahren die Neigung, dass die Beine „moppelig“ seien und ihr Gesäß breit, ab der Taille aufwärts sei sie ein anderer Mensch: zart und schlank. Diese Tendenz habe sich mit ihren Schwangerschaften weiter verstärkt. Inzwischen seien die Beine sehr schwer und schmerzhaft. Sie habe die Freude an Bewegung verloren, weil dann die Gelenke schmerzten. Auch Hunger habe sie kaum noch. Sie litt eher an Übelkeit. Der Stuhl sei träge und schwer.

Untersuchung

Bei der Untersuchung bestätigte sich ein kombiniertes Lipolymphödem. Der Puls war schwer, gespannt, leicht schleimig und kalt. Die Zunge war blass, verquollen mit Zahneindrücken. Die Patientin wirkte erschöpft mit schweren Augenlidern.

Ayurvedische Diagnose

Im Ayurveda wird zunächst die Konstitution der Patientin bestimmt. In diesem Fall liegt eine pitta-kapha-Konstitution vor. Die Störung betrifft aus ayurvedischer Sicht die rasa-tragenden srotāṃsi, die einen verlangsamten Fluss aufweisen. Im Verlauf der Jahre ging die Erkrankung über auf die fetttragenden Kanäle. rasa als Gewebe war vermehrt, aber in seiner Qualität nicht gut aufgebaut. Der fehlende Hunger, das Schweregefühl im Körper sowie die Beschreibungen von Puls, Zunge und Stuhl zeigen, dass bei dieser Frau ein āma-Zustand vorlag.

Therapeutischer Ansatz

Zunächst wurde nach den Ursachen geforscht. Die lagen einerseits in der Familie, in der die Frauen zu Lipolymphödemen neigen. Zum anderen in der Schwangerschaft, in der sie vermehrt rasa-Gewebe aufgebaut hat und damit den Impuls zur Verschlechterung der Erkrankung gegeben hat. Aufrechterhalten wird die Störung derzeit über das Essen ohne Hunger und trotz der Übelkeit sowie die Bewegungsarmut. Die beiden ersten Ursachen können nicht behandelt werden. Wohl aber die Art der Ernährung und der Bewegung.

Der Patientin wurde eine reduzierende Ernährung mit klaren, würzigen Suppen und mit ein wenig Ghī gedünsteten Gemüsen ohne Getreide, Milch, Quark und tierische Fettquellen empfohlen. Dazu sollte sie über 14 Tage eine Treppenkur mit Piper longum (Pippalī) durchführen, in der für 7 Tage täglich 0,5 g Pippalī mehr als am Vortag auf nüchternen Magen eingenommen, dann über weitere sieben Tage die Dosis schrittweise wieder reduziert wird. Damit wurde der Stoffwechsel angeregt und āma verdaut. Bei der Tagesroutine wurde morgens das Trinken von abgekochtem Wasser mit einem Mokkalöffel altem Honig empfohlen. Das gilt als fettreduzierend. Außerdem Ölziehen und Nase-Ölen, was die Schleimhäute reinigt und stabilisiert. Und dann sollte sie jeden Morgen den Körper von peripher nach zentral mit einem trockenen Handtuch abrubbeln, um den Stoffwechsel und den Fluss in den Lymphbahnen zu fördern.

Yogatherapeutisch wurden ihr aktivierende Übungen empfohlen. Zum einen das Durchführen des Sonnengrußes zum Fördern der Bewegung an sich, zur Kräftigung und Aktivierung des Flusses in den rasa-tragenden Kanälen. Umkehrhaltungen wie der Schulter- oder der Kopfstand wurden empfohlen, um die Flussbewegung durch die Schwerkraft zu fördern. Und Dreh-āsanas, um den Stoffwechsel durch Aktivieren der Körpermitte zu steigern. Aktivierende Atemformen wie bhastrikā-prāṇāyāma, die Blasebalg-Atmung, wurden ihr zum Steigern des Stoffwechsels gezeigt. Diese sollten durch die Yogavollatmung ausgeglichen werden.

Phytotherapeutisch wurde sie durch eine Kombination von zwei Kräuterkombinationen behandelt: Triphalāguggulu vor den Mahlzeiten und Arogyavārdhinī danach.

Ergebnis im zweiten Besuch

Schon bei der zweiten Vorstellung nach 8 Wochen war die Patientin erheblich leichter. Der Hunger und der Stoffwechsel seien gebessert. Die Schwere der Beine verringert. Ihre Leistungsfähigkeit sei wieder ausgeprägter, auch der Geist wacher. Sie habe bislang nur ein paar Kilo an Gewicht verloren, aber außerordentlich viel Lebenskraft gewonnen.

Zusammenfassende Beurteilung

Der Ayurveda ist ein eigenständiges, von der WHO anerkanntes Medizinsystem, das seine Wurzeln im vedischen Indien hat. Er beschreibt Krankheiten aus einer Logik der Eigenschaften und deren Wirkungen. Lympherkrankungen werden dem Gewebe rasa, den klaren Flüssigkeiten, zugeordnet. Die häufigen Erkrankungen der Lymphe werden unter Veränderungen der Menge oder Qualität der Lymphe oder Störungen des Lymphtransports beschrieben. Lympherkrankungen werden je nach Intensität nach verschiedenen Therapieprinzipien behandelt. Das Verhindern der Ursachen ist dabei immer der erste Schritt. Dann erfolgt die Behandlung über Veränderung der Ernährungs- und Lebensweise, durch Yoga- und Phytotherapie. Bei hartnäckigen Fällen ist eine Ausleitungstherapie indiziert. In der Praxis erweisen sich die ayurvedischen Behandlungsmethoden als wirksam und leicht umsetzbar.

Dr. med. Hedwig H. Gupta
Fachärztin für Orthopädie und Rheumatologie,
Ayurveda, therapeutischer Yoga, Akupunktur, manuelle Medizin

www.vidya-sagar.de

1 Ca. Sa. Sū. 1: 59–61.

2 Gupta HH. Āyurveda-vijñāna. Band I: padārtha-vijñana. Hintergründe und Grundprinzipien. 2. Aufl.. Asperg: Verlag für vedische Wissenschaften; 2021

3 Su. Sa. Śā. 15

4 Aṣṭ. Hṛ. Sū. 11.

5 Ca. Sa. Vi. 5.

6 Gupta HH. Āyurveda vijñāna. Band II: śārīra-vijñāna. Anatomie, Physiologie und Embyrologie. Asperg: Verlag für vedische Wissenschaften; 2013

7 Su. Sa. Sū. 14.

8 Gupta HH. Āyurveda vijñāna Band V: roga vijñāna. Allgemeine Krankheitslehre. Asperg: Verlag für vedische Wissenschaften; 2021

9 Aṣṭ. Hṛ. Ut. 29: 20–22.

10 Aṣṭ. Hṛ. Ut. 30: 8b–12.