Patient*innenenversorgungPatientenversorgung darf nicht von Investoren-Interessen getrieben sein

Unterscheidet sich die Art der Behandlung, wenn private Investoren Praxen oder MVZ betreiben? Daten aus den USA legen das nahe. Für Deutschland brauche es Studien, so die AWMF.

Igelball, 100-Euro-Schein und Stethoskop
Tatjana Balzer/stock.adobe.com

Ist die Versorgung schlechter, wenn Praxen in Investorenhand sind? Diese Frage gilt es für Deutschland zu klären.

In den letzten Jahren ist die Zahl der Ankäufe von Arztpraxen oder Medizinischen Versorgungszentren durch Private Equity Investoren rasant gestiegen. 2021 wurden 140 Praxen und MVZ aufgekauft, 2011 waren es noch 81.

Das werfe Fragen auf bezüglich der Auswirkungen auf die Behandlungsqualität. Ärzt*innen und Jurist*innen der Arbeitsgemeinschaft Wissenschaftlicher Medizinischer Fachgesellschaften (AWMF) fordern in einer gemeinsamen Erklärung, dass die Qualität der Patient*innenversorgung nicht von Investor*inneninteressen beeinträchtigt werden darf. Zudem brauche es Daten, ob die Versorgung leide, wenn Praxen und MVZ von Investor*innen betrieben werden.

Aufruf zu mehr Versorgungsforschung

Die AWMF fordert dringend weitere Studien, um die Auswirkungen dieser Entwicklung auf die Versorgung in Deutschland besser beurteilen zu können. AWMF-Präsident Prof. Rolf-Detlef Treede betont, dass zwar das primäre Ziel von Investor*innen die Erwirtschaftung von Kapital sei, solange die Behandlungsqualität nicht darunter leide, könne dies akzeptabel sein. Jedoch stellt sich die Frage, ob die Art der Behandlung sich ändert, wenn private Investor*innen Praxen oder MVZ betreiben.

Studien seien erforderlich, um die Ursachen der Gewinne in investor*innenbetriebenen MVZ oder Praxen zu untersuchen. Daten aus den USA zeigen negative Auswirkungen auf die Qualität der Patient*innenversorgung, wenn Einrichtungen von Private Equity Gesellschaften betrieben werden. Es bleibt zu klären, ob ähnliche Unterschiede in Deutschland existieren und wie sich diese auf die Versorgungsqualität auswirken.

Steigende Anzahl an privaten Investor*innen

Die steigende Anzahl von Übernahmen von Arztpraxen und MVZ durch Private Equity Investor*innen in den letzten Jahren (140 im Jahr 2021 im Vergleich zu 81 im Jahr 2011) wirft Fragen nach den ökonomischen Motiven auf. Ein vom IGES-Institut Berlin erstelltes Gutachten zeigt ein um 8,3% erhöhtes Honoraraufkommen bei Private Equity Gesellschaften im Vergleich zu Einzelpraxen. Dies könnte darauf hindeuten, dass ökonomische Motive eine größere Rolle spielen, was zu einer möglichen Vernachlässigung bestimmter Versorgungsaufgaben führen könnte.

Aufruf zu mehr Transparenz

Der Vizepräsident der Ärztekammer Nordrhein, Bernd Zimmer, plädiert für dringende Regelungen für MVZ, um Transparenz über Besitzverhältnisse zu schaffen und Marktanteile zu begrenzen. Der Jurist Dr. Stephan Rau betont die Vorteile von MVZ, wirtschaftliche und ärztliche Aufgaben zu trennen. Er sieht aber auch die Gefahr der "Rosinenpickerei" unabhängig von den Eigentumsverhältnissen.

Das Patient*innenwohl müsse immer im Vordergrund stehen, so das Fazit von Prof. Hans-Friedrich Kienzle. Die Entscheidungsfreiheit der Ärzt*innen sollte unberührt bleiben, und die Freiberuflichkeit sollte gestärkt werden, um eine am Patient*innenwohl orientierte Gesundheitsversorgung zu gewährleisten.

Quelle: Arbeitsgemeinschaft Wissenschaftlicher Medizinischer Fachgesellschaften

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