Klima und GesundheitKlimawandel: Gefäßpatient*innen besonders vulnerabel

Durch steigende Temperaturen werden Gefäßerkrankungen künftig wahrscheinlich häufiger auftreten und schwerer verlaufen. Die folgenden Maßnahmen sollten rasch ergriffen werden.

Thermometer vor blauem Himmel zeigt 40 Grad an
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In der Praxis zeigt sich, dass bei Hitze z.B. häufiger Gefäßverschlüsse auftreten.

Hitzewellen, Starkregen und extreme Naturereignisse: Werden keine sehr zeitnahen wirksamen Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels ergriffen, treffen leider auch die Prognosen ein, nach denen sich die gesundheitlichen Folgen weiter verschlechtern. Was das für die Gefäßmedizin bedeutet, berichtete PD Dr. Rolf Weidenhagen auf einer Pressekonferenz.

Demnach sind 3 Punkte für die Gefäßchirurgie wesentlich:

  • Die Patient*innen schulen und anleiten.
  • Maßnahmen zur Treibhausgasreduktion fördern und fordern.
  • Kliniken an Hitze anpassen und den Ressourcenverbrauch reduzieren

Auswirkungen von Hitze bei Gefäßpatient*innen

Gefäßpatient*innen zählen zu den vulnerablen Gruppen. Sie zu schützen und ihre Hitzekompetenz zu stärken, sei ein wichtiges Ziel. Für Patient*innen mit Gefäßerkrankungen sind Temperaturschwankungen und eine Verschlechterung der Luftqualität mit einer erhöhten kardiovaskulären Erkrankungsschwere und Sterblichkeit verbunden. Bedingt durch ihre Vorerkrankungen ist ihre Wärmeregulation und damit die Anpassung an Hitze erschwert. Verstärkt wird dies durch eine geringere Mobilität (man kann sich nicht so leicht an einen kühleren Ort begeben) oder auch die Einnahme bestimmter Medikamente.

Je älter und kränker der Patient ist, umso anfälliger ist er für Hitze. In der Folge kann er einen schweren Flüssigkeitsmangel erleiden, Herzrhythmusstörungen, Bewusstseinseinschränkungen, Krämpfe oder gar einen Kollaps. "Als Gefäßchirurg*innen sehen wir in der Folge vermehrt Gefäß- und Bypassverschlüsse bei unseren Patient*innen", so Weidenhagen, der die Kommission Klima und Gefäßgesundheit der Deutschen Gesellschaft für Gefäßmedizin und Gefäßchirurgie leitet.

Die Auswirkungen des Klimawandels haben zusammen mit der Zunahme anderer Erkrankungen wie Diabetes das Potenzial, die Erkrankungshäufigkeit und Erkrankungsschwere von Gefäßkrankheiten weiter zu erhöhen. Dies sei sowohl bei der Behandlung in der Klink als auch in ihrem häuslichen Umfeld zu berücksichtigen.

Was können wir dagegen tun?

Beratung und Fürsorge

In Kliniken und Praxen ist die Etablierung von Hitzeschutzplänen mit Handlungsempfehlungen für Patient*innen und Ärzt*innen sowie Pflegepersonal und Verwaltung ein wesentlicher Schritt in der Anpassung an die klimatischen Veränderungen. Eine Vielzahl von Maßnahmen müsse eingeführt, umgesetzt und eingeübt werden. Dazu zählen:

  • das Erkennen von Risikopatienten,
  • das Überwachen der Trinkmengen,
  • eine kontrollierte Flüssigkeitszufuhr,
  • die regelmäßige Anpassung der Medikation,
  • die Schaffung von Abkühlmöglichkeiten sowie
  • die Beratung von Patient*innen und Angehörigen.

Viele Kliniken sind nur in Teilbereichen klimatisiert, die Patientenzimmer oft nicht. Häufig sind die Klimaanlagen für dauerhaft hohe Temperaturen nicht ausgelegt. Notwendige bauliche Veränderungen zur Abkühlung der Klinikräume bedürfen einer längerfristigen Planung und müssen dringend in Vorbereitung auf den Klimawandel angegangen werden. Synergismen von Gebäudeverschattung, Photovoltaik, modernen Heizsystemen mit Kühlmöglichkeit und Begrünung sollten gesucht werden. Vor allem bei der Renovierung und dem Neubau von Klinikgebäuden muss dies dringend einbezogen werden.

Gesunde Ernährung und Planetary Health Diet

Viele Erkrankungen in der Gefäßmedizin gehen auf falsche Ernährung zurück. Falsche Ernährung (viel Zucker, fettreich, fleischlastig und industriell verarbeitet) schädigt die Gefäße und ist gleichzeitig nicht gut für das Weltklima.

Oft stehen die Interessen beim Umweltschutz persönlichen Interessen entgegen: Flugreisen zum Beispiel, die Zeit ersparen auf Dienstreisen und Fernreisen überhaupt erst ermöglichen, aber einen unseligen CO2-Abdruck pro Reisenden hinterlassen. Mit der richtigen Ernährung hingegen treffen sich die Interessen: Man tut sich und seiner Gesundheit Gutes und dem Klima. Gefäßgesunde Ernährung ist auch gut für unseren Planeten.

Planetary Health Diet ist der EAT-Lancet-Kommission als weltweit anwendbare Ernährungsform entwickelt worden. Sie fördert die individuelle Gesundheit und ist mit Umwelt- und Klimaschutz verträglich ist (CO2-Ausstoße, Land- und Wasserverbrauch) [1].

Planetary Health Diet

  • Die Empfehlungen gehen beispielhaft von einem täglichen Energiebedarf von 2500 kcal aus.
  • Er soll weit überwiegend durch pflanzliche Lebensmittel gedeckt werden, mit kleinen Ergänzungen von Fisch, Fleisch und Milchprodukten.

Diese Zusammenstellung fördert auch die Gefäßgesundheit.

Ernährungsempfehlungen umzusetzen fällt vielen schwer. Mit der Wahl im Supermarkt direkt etwas gegen den Klimawandel unternehmen zu können, kann vielleicht eine weitere Motivation sein, zu gesünderen Lebensmitteln zu greifen. Bei vielen Mitarbeitenden in den Krankenhäusern gebe es eine große Motivation, Gesundheit und Nachhaltigkeit auch beim Essen zu thematisieren. Doch aus verschiedenen Gründen kommt aus der Klinikküche und Kantine nur allzu oft noch eine andere Kost für Patient*innen und Mitarbeitende.

Eine gesunde und leckere Kost könne jedoch auch ein Wettbewerbsvorteil sein. Eine gesunde Ernährung nach dem Prinzip der Planetary Health Diet könnte Patient*innen in der Klinik einen Weg zu gesunder Ernährung für sich selbst und den Planeten zeigen. Personal und Patienten sollten das immer wieder thematisieren.

Verhalten

Das deutsche Gesundheitswesen verursacht 5,2 Prozent der bundesweiten Treibgasemissionen. Auch das Verhalten von Patient*innen und Personal beeinflusst den CO2-Fußabdruck von Kliniken, beispielsweise durch Mobilität und die täglich genutzten Ressourcen und Methoden. Die Chirurgie hat in den Kliniken mit bis zu 25 Prozent einen relevanten Anteil am Ressourcenverbrauch.

Gesundheitsvorsorge und effektive Prophylaxe von kardiovaskulären Erkrankungen bilden einen wesentlichen Schritt, wenn dadurch aufwendige Interventionen und Operationen vermieden werden können.

Großbritannien konnte zeigen, dass durch die Einrichtung von sogenannten „One-Stop“ Kliniken, in denen Diagnostik und Therapie während eines Aufenthalts in der Klinik durchgeführt werden, die Behandlungsqualität und die Patientenzufriedenheit gesteigert werden konnten, die Anfahrtswege aber reduziert. Zusätzlich konnten durch die Einrichtung von Videosprechstunden mehrfache Fahrten zur Klinik deutlich reduziert werden. Dass das funktioniert, habe die Covid-19-Pandemie auch in Deutschland gezeigt. Leider wird unter dem ökonomischen Druck und der weiteren Tendenz zur Reduktion von Liegezeiten in den Kliniken solchen One-Stop-Aufenthalten in den Kliniken entgegengearbeitet.

Bewusster Einsatz von Ressourcen

Der gezielte Einsatz von Produkten in OPs kann ebenfalls helfen, den Ressourcenverbrauch zu reduzieren. Kleine OP-Sets für kleine Eingriffe und eine Reduktion von Einmalprodukten, wo die Verwendung von wieder verwendbaren Produkten in der Gesamtbilanz sinnvoll ist. Auch das sollte das Personal immer wieder ansprechen. Durch Müllreduktion und konsequente Trennung können allen Kliniken ohne wesentlichen Mehraufwand einen einfachen Beitrag zur CO2-Reduktion leisten, z.B. durch die Trennung von kontaminiertem OP-Müll und nicht kontaminiertem Verpackungsmüll.

Quelle: Pressekonferenz Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin

Literatur

[1] https://hitze.info/infomaterialien/

[2] https://www.klimawandel-gesundheit.de

[3] https://www.klimawandel-gesundheit.de/planetary-health/ernaehrung/

[4] https://www.aerzteblatt.de/archiv/201358/Planetary-Health-Ein-umfassendes-Gesundheitskonzept