Klima und GesundheitKlimawandel: Kinder sind besonders vulnerabel

Wie beeinflusst der Klimawandel die Kindergesundheit? Und welche Handlungsoptionen haben wir? Diesen Fragen stellte sich ein Symposium auf dem diesjährigen Kongress für Kinder- und Jugendmedizin.

Trauriger Junge sitzt auf einer Bank
vejaa/stock.adobe.com; posed by a model

Die Wahrscheinlichkeit für das Erleben von Extremwetterereignissen ist stark gestiegen: Bei 2020 Geborenen liegt sie für Hitzewellen 6,8-fach höher im Vergleich zu 1960 Geborenen.

Wie beeinflusst der Klimawandel die Kindergesundheit? Und welche Handlungsoptionen haben wir? Diesen Fragen stellte sich ein Symposium auf dem diesjährigen Kongress für Kinder- und Jugendmedizin.

Hitze, Dürre, Starkregen, Umweltzerstörung, Artensterben

Der Klimawandel lässt sich nicht mehr leugnen: In deutschen Städten wurde 2022 vielfach die 40 Grad-Marke geknackt. Schwer beherrschbare Waldbrände z.B. in Brandenburg und im Harz, häufigere und längere Hitzeperioden, Dürre, Starkregenereignisse, Überflutungen, Unwetterkatastrophen wie im Ahrtal 2021 zeigen, dass die Folgen der Erderwärmung in Deutschland längst angekommen sind. Die Ökosysteme sind immer weniger in der Lage, sich an die veränderten Bedingungen anzupassen und sie zu kompensieren.

Die Wissenschaft warnt seit Langem vor diesen Klimafolgen. Das Fachjournal The Lancet bezeichnete bereits 2009 den Klimawandel als die größte globale Gesundheitsbedrohung des 21. Jahrhunderts.

Der Weltklimarat hat in seinem 2022 vorgelegten Bericht erneut eindringlich vor den Folgen der Erderwärmung gewarnt. Demnach sind wir auf dem Weg in die 3 Grad + Welt. Die globalen CO2-Emissionen sind auf dem Höchststand. Unter der Corona-Pandemie ließ sich ein Rückgang der CO2-Emissionen beobachten, der allerdings im letzten Jahr überkompensiert wurde, berichtete Dr. Veronika Huber vom Helmholtz Zentrum München.

Kinder besonders vulnerabel

Kinder sind besonders vulnerabel gegenüber Hitze. Veronika Huber zeigte anhand vorliegender Daten weltweit, welche Folgen belegt sind. So führt Hitze u.a. zu

  • Zunahme von plötzlichem Kindstod
  • erhöhtem Frühgeburtenrisiko
  • Zunahme gastroenteraler Infektionen
  • häufigeren Notaufnahme-Konsultationen, häufig wegen Dehydrierung

Den CO2-Fußabdruck reduzieren

Um die Erderwärmung zu stoppen müssen CO2-Emissionen reduziert werden. Zum einen ist die Politik in der Pflicht, die Weichen zu stellen. Zum anderen kann jeder Einzelne etwas tun, um seinen CO2-Fußabdruck reduzieren. Zu den wichtigsten Maßnahmen zählt der Ausstieg aus der Nutzung fossiler Energien wie Kohle.

„Der Klimawandel erfordert, dass wir alle unsere Gewohnheiten hinterfragen.“

Hubers Fazit

  • Die Klimaveränderungen bedrohen die Gesundheit der Menschen weltweit und auch in Deutschland. Kinder sind besonders gefährdet.
  • Die Mortalität und die Morbidität bei Kindern sind durch Hitze erhöht.
  • Die globalen Temperaturen werden so lange weiter steigen, bis die Treibhausgasemissionen auf Null reduziert sind. So lange werden sich auch die Folgen der Erderwärmung weiter verschärfen.

Beispiel Extremwetterereignisse

Annika Hieronimi stellte wissenschaftliche Daten zu den Auswirkungen von Extremwetterereignissen auf die mentale Gesundheit vor. Daten belegen, dass sich Extremwetterereignisse seit 1970 vervielfacht haben. Ebenso ist die Wahrscheinlichkeit für das Erleben von Extremwetterereignissen stark gestiegen: Bei 2020 Geborenen liegt sie für Hitzewellen 6,8-fach höher im Vergleich zu 1960 Geborenen, für Überschwemmungen um das 2,8-Fache.

Die psychischen Auswirkungen zeigen sich v.a. als Posttraumatische Belastungsstörung, Verhaltens- und Angststörungen. In psychosozialer Hinsicht zeigt sich eine Solastalgie etwa als Folge gewaltsamer Konflikte und erzwungener Migration. Klimaemotionen resultieren indirekt als psychische Auswirkung des Klimawandels. Heute gehen ca. 5-6 Prozent der kindlichen Traumatisierungen auf Extremwetterereignisse (weltweit) zurück, berichtete Hieronimi. Der Verlust des Zuhauses, von Familienmitgliedern und Freunden machen Kinder zu einer besonders verwundbaren Gruppe.

Als Beispiel nennt Hieronimi die Flut im Ahrtal: Für die Schüler, die in Simbach in einer Schule eingeschlossen waren, war die Ungewissheit, was mit den Eltern ist, der größte Stressor. Die wichtigsten protektiven Maßnahmen sind soziale Unterstützung und Bewältigungsstrategien. Besonders wichtig sei es, die Ressourcen der Kinder zu stärken; auf Früherscheinungen zu achten, z.B. Einnässen oder aggressives Verhalten; sowie ein sicheres Umfeld zu schaffen und sich ggf. Hilfe zu holen.

Die vorliegenden Daten basieren zum großen Teil aus anderen Regionen der Welt und seien nicht ohne weiteres auf Deutschland zu übertragen. Klar belegt aber sei, dass Extremwetterereignisse als Folge des Klimawandels zunehmen und Kinder besonders vulnerabel sind.

Hieronimi resümiert:

  • Die Forschung muss ausgeweitet werden.
  • Die persönliche Katastrophenvorsorge muss ausgebaut werden.
  • Gezielte Versorgung durch geschultes Personal sowie psychosziale Strukturen sind notwendig.

Gesundheit im Kontext der Planetary Health

Dr. Eva-Maria Schwienhorst-Stich von der Uniklinik Würzburg richtete den Fokus auf die Gesundheit im Kontext der Planetary Health. Die ökologischen Belastungsgrenzen sind teilweise bereits überschritten, Ökosysteme kollabieren, das Artensterben hat bereits begonnen.

Dass Klimaschutz gleichzeitig Gesundheitsschutz bedeutet, ist hinreichend belegt. Klimaschutz bedeutet Prävention von Krankheiten wie Krebs, Herzerkrankungen, Kreislauferkrankungen, Schlaganfällen oder Lungenerkrankungen. Die Frage, warum nicht entschlossen gehandelt wird, um unsere natürlichen Lebensgrundlagen zu erhalten, beantwortet Schwienhorst-Stich mit psychologischen Erkenntnissen: Optimismusverzerrung; Hilflosigkeit; der Glaube, dass irgendjemand das Problem lösen wird; Gewissensangst wegen der eigenen Mitverantwortung und nicht zuletzt eine Verweigerungshaltung ob der radikalen Konsequenzen, die notwendig sind.

5,2 Prozent der Treibhausgasemissionen werden im Gesundheitssektor produziert. Unter anderem auch deshalb kommt dem Gesundheitssektor eine besondere Rolle beim Klimaschutz zu. Der Deutsche Ärztetag hat deshalb 2021 den Klimaschutz als Aufgabe von Menschen in Gesundheitsberufen in den Fokus gestellt. Sie genießen großes Vertrauen in der Bevölkerung, haben Vorbildfunktion und Verantwortung. Die Umsetzung der Ziele des Ärztetags braucht die Zusammenarbeit vieler Akteure, auch des Einzelnen. Große Einsparpotenziale in puncto Klimaschutz bestehen bei Narkosegasen, Dosieraerosolen, Ernährung, Energie und Lieferketten. Wie es funktionieren kann, darüber informieren Organisationen wie KLUG, Health for Future, Psychologists for Future oder Fortbildungsreihen wie der Online-Kurs Planetary Health

Die Handlungsoptionen sind klar: Klimaschutz auf der einen Seite und Klimafolgenanpassung auf der anderen Seite. Jeder Einzelne kann dazu beitragen. Auch indem man sich die Frage stellt: Wie viel ist zum guten Leben genug? Schwienhorst-Stich appelliert abschließend:

Wir sind die einzige Generation, die die Gefahren der Klima- und Umweltkrise kennt, die ersten Auswirkungen bereits spürt und gegen die Folgen noch etwas tun kann.

Quelle: Pressekonferenz/Kongress für Kinder- und Jugendmedizin 2022/Ni