Prävention220.000 Herzinfarkte pro Jahr: Früherkennung von Herzkrankheiten vernachlässigt

Herz-Kreislauf-Erkrankungen machen 40% der Todesursachen in Deutschland aus. Pro Jahr erleiden etwa 220.000 Menschen einen Herzinfarkt. Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie plädiert eindringlich für einen Herz-Kreislauf-Check ab 50 Jahren.

Blutgefäß mit Arteriosklerose, Gefäßverschluss, Illustration
hywards/stock.adobe.com

Aufklärung und Vorsorgeuntersuchungen könnten schwere Herzerkrankungen durch die Möglichkeit früher Intervention verhindern.

Herz-Kreislauf-Erkrankungen machen 40% der Todesursachen in Deutschland aus. Etwa 2 Mio. Menschen werden pro Jahr wegen Herzkrankheiten stationär behandelt. Circa 220.000 Menschen erleiden jährlich einen Herzinfarkt. Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie plädiert eindringlich für einen Herz-Kreislauf-Check ab einem Alter von 50 Jahren. Das berichtete Prof. Ulf Landmesser auf einer Presskonferenz der diesjährigen Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK).

Herz-Kreislauf-Erkrankungen entwickeln sich über einen Zeitraum von Jahren bis Jahrzehnten, oft unbemerkt. Ein Herzinfarkt ist eine Spätkomplikation einer Erkrankung der Herzkranzgefäße.

Warum ist Prävention so wichtig?

  • Je früher mit Prävention begonnen wird, desto besser die Heilungschancen.
  • Patient*innen können vor schweren Folgen ihrer Erkrankung geschützt werden.
  • Mit moderaten frühen Interventionen können strukturelle Veränderungen der Herzkranzgefäße vermieden werden.

Ziel ist die Früherkennung und frühe Behandlung der wichtigsten kardiovaskulären Risikofaktoren:

  • Bluthochdruck
  • atherogene Lipoproteine (HDL-/LDL-Cholesterin, Triglyceride, Lipoprotein(a))
  • Diabetes

Blutdruck 

Zielwerte: < 140 bis > 120/80 mmHg

kontrollbedürftig: > 140/90 mmHg

Studien belegen Unterschiede bei den Geschlechtern: Frauen erkranken zeitlich versetzt, d.h. ca. 10 Jahre später als Männer. Allerdings besteht auch bei Frauen kein Nullrisiko zu erkranken.

Der erste Schritt in der Behandlung ist die Optimierung von Lebensstilfaktoren: Rauchverzicht, Gewichtsreduktion, regelmäßige Bewegung. Dies sei in der Praxis allerdings auch der schwierigste Schritt, deshalb empfehlen die Kardiologen eine Kombination aus medikamentöser Behandlung und der Korrektur der Lebensstilfaktoren. Durch moderate frühe Interventionen könne vermieden werden, dass es zu strukturellen Veränderungen der Herzkrankgefäße kommt.

Pilotprojekt der DKG zur Früherkennung

Die DGK arbeitet bereits an einem Pilotprojekt, das die Effektivität eines regelhaften Herz-Kreislauf-Checks ab 50 Jahren zeigen und einen wichtigen Beitrag zur Einführung eines bundesweiten Vorsorgeprogramms 50+
leisten kann. Durch eine einfache Laboruntersuchung des Blutes wird in dem Projekt der NT-proBNP-Wert bestimmt, der mit hoher Zuverlässigkeit darauf hinweist, ob Patient*innen an einer bisher unerkannten Herzinsuffizienz leiden. Im Frühstadium lässt sich die Krankheit effektiv behandeln und so die Lebensqualität und Lebenserwartung deutlich verbessern. Sobald sich eine Herzinsuffizienz sich manifestiert und verschlechtert hat, ist sie deutlich schwieriger zu behandeln.

Behandlung nach Herzinfarkt: Leitlinien vs. Realität

Während der Pressekonferenz bei der 88. Jahrestagung der DGK werden erstmals Daten eines Registers des DGK-Zentrums für kardiologische Versorgungsforschung (DGK-ZfkV) präsentiert. Sie zeigen deutlich, wie wichtig eine bessere Aufklärung und Bestimmung der Risikofaktoren bei Herz-Patient*innen in Deutschland ist.

Im Rahmen des GULLIVE-R-Projekts wurde untersucht, wie es um die Behandlung von Menschen bestellt ist, die vor mehr als einem Jahr einen Herzinfarkt erlitten hatten. Dies ist vor allem deswegen von höchster Bedeutung, weil das Risiko für das Eintreten eines weiteren schwerwiegenden kardiovaskulären Ereignisses bei dieser Personengruppe stark erhöht ist.

Eine große Zahl der untersuchten Patient*innen wurde leitliniengerecht behandelt und folgte mehrheitlich den Maßnahmen zu Lebensstilveränderungen. Schon ein Jahr nach Beginn der Therapie änderte sich das Bild jedoch: Die Rate der Betroffenen, die die in den Leitlinien empfohlenen Medikamente erhielt, sank von 80 auf 50 Prozent.

Selbsteinschätzung entspricht nicht tatsächlichem Risiko

Die Expert*innen des (DGK-ZfkV) verglichen die Einschätzung der Patient*innen und auch ihrer behandelnden Ärzt*innen hinsichtlich ihres persönlichen Risikos, einen weiteren Infarkt zu erleiden, mit der objektiven Risikobewertung durch einen Score, der neun einfach zu messende klinische Parameter einbezieht:

  • Knapp 37 Prozent der Patient*innen und 32 Prozent ihrer Ärzt*innen schätzten das Risiko für ein weiteres Ereignis niedrig ein. Laut Score waren es aber nur 7,1 Prozent, die wirklich ein niedriges Risiko hatten.
  • Als hoch schätzten das Risiko nur 7,1 Prozent der Patient*innen und 11,4 Prozent der Ärzt*innen ein. Der Score sagte etwas anderes: 34 Prozent hatten tatsächlich ein hohes Risiko.

Wissen der Patient*innen muss dringend erweitert werden

Ein ähnliches Bild wie bei der Risikoeinschätzung zeigte sich bei den Kenntnissen der Patient*innen über ihre Krankheit: 87,7 Prozent fühlten sich ausreichend über die koronare Herzkrankheit informiert, doch nur 15,7 Prozent kannten den richtigen LDL-Zielwert und 38,5 Prozent den korrekten Zielblutdruck. Und während nur 21 Prozent der Patient*innen den eigenen Cholesterin-Wert kannte, nahmen 72,4 Prozent an, dieser liege im gewünschten Bereich.

„Es zeigt sich, dass unbedingt zielgerichtete und breit angelegte Kampagnen zur Aufklärung der von koronarer Herzkrankheit betroffenen Menschen dringend notwendig sind“, sagt Prof. Dr. Uwe Zeymer, wissenschaftlicher Leiter des Registers. „Gleichzeitig müssen wir die Informationen und Ausbildungsangebote für Ärzt*innen verbessern, die diese Menschen versorgen.“

Quelle: Pressemitteilung/Pressekonferenz/DGK/Ni

Lesen Sie im neuen Spezialthema:

  • Blutegeltherapie und Cantharidenpflaster gegen Schmerzen
  • Schröpfen: Therapieoption bei Schmerzen
  • Evidenzbasierte Aromatherapie bei Schmerzen
  • Heilpflanzen bei Rückenschmerzen