NeurologieFachgesellschaft warnt vor Botox-Spritzen in die Magenwand

Botulismus ist selten, aber lebensgefährlich. Einen aktuellen Ausbruch nach Botox-Spritzen in die Magenwand bei 12 "Health-Touristen" hat die DGN zum Anlass genommen, für die Symptome zu sensibilisieren.

Spritze auf weißem Hintergrund
Thieme Verlagsgruppe

Botox zum Abnehmen? Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie warnt vor den möglichen lebensgefährlichen Folgen von Botox-Spritzen in die Magenwand.

Nach einer Behandlung mit „Magen-Botox“ sind mehrere Menschen schwer an Botulismus erkrankt und werden neurointensivmedizinisch behandelt. Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie möchte Betroffene sowie Ärzt*innen für die Symptome sensibilisieren, damit möglichst schnell eine Therapie eingeleitet werden kann.

Botulismus: selten, aber lebensgefährlich

Aktuell wird von 12 „Health-Touristen“ berichtet, die ihren Aufenthalt in der Türkei dazu nutzten, sich in Privatkliniken Botox in die Magenwand spritzen zu lassen. Sie sind nun infolge der Behandlung schwer erkrankt. Einige von ihnen werden derzeit auf Neurointensivstationen in Deutschland behandelt. Ziel der Botox-Injektion in die Magenwand ist die Gewichtsabnahme: Die durch das Nervengift verringerte Peristaltik führt dazu, dass die Nahrung länger in Magen verbleibt und das Sättigungsgefühl länger andauert. Die Betroffenen erkrankten an Botulismus, einer lebensbedrohlichen Vergiftung durch das Botulinum-Nervengift.

Typische Symptome und Behandlungsoptionen

Zu Beginn zeigt sich Botulismus mit unspezifischen Symptomen. Typischerweise treten zunächst Magen-Darm-Beschwerden auf, wie Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, dann Schluckstörungen und Lähmungserscheinungen. Lähmungserscheinungen, die auf die Atemmuskulatur übergreifen, können zum Tod führen.

„Betroffene sollten sich möglichst schnell neurologisch vorstellen“, rät Neurologe Prof. Tim Hagenacker: Binnen 48 Stunden nach der Botox-Behandlung kann ein Anti-Toxin verabreicht werden, das Zeitfenster wird aber häufig verpasst.

Laut Einschätzung des Experten ist auch nicht ganz klar, ob bzw. wie gut es bei dieser iatrogen verursachten Botulismus-Form wirkt. Die Betroffenen werden immer auch symptomatisch behandelt. In der S1-Leitlinie zur Diagnostik und Behandlung des Botulismus der Deutschen Gesellschaft für Neurologie [1] sind die Therapiemöglichkeiten dargestellt. Neu ist der Einsatz von Pyridostigmin, einem Arzneimittel, das sonst bei der Myasthenia gravis zur Anwendung kommt.

Besonders wichtig ist bei schweren Fällen die Unterstützung der Schluck- und Atemfunktion, damit es nicht zu schweren Lungenentzündungen oder anderen lebensbedrohlichen Komplikationen kommt. Die gute Nachricht: „Auch Betroffene, die neurointensivmedizinisch betreut werden müssen, haben Aussicht auf vollständige Genesung“, erklärt Hagenacker. Oft dauere der Genesungsprozess aber mehrere Wochen und Monate „Das Gift baut sich nur langsam ab und die geschädigten Synapsen, die die Lähmungssymptome verursachen, müssen erst wieder gebildet werden.“

„Botulismus ist eine sehr selten auftretende Krankheit und nicht immer das erste, woran Mediziner*innen bei diesen Symptomen denken.“ Auch sei die Abgrenzung von anderen neurologischen Krankheiten wie der Myasthenia gravis oder dem Guillain-Barré-Syndrom nicht immer einfach.

Wir möchten Menschen, die sich einem solchen Eingriff in den letzten zehn Tagen unterzogen haben, sowie unsere hausärztlichen Kolleg*innen für die Symptome sensibilisieren, damit möglichst schnell eine Therapie eingeleitet werden kann“, erklärt Prof. Tim Hagenacker von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie.

Um die Diagnostik abzukürzen, ist es wichtig, dass Patient*innen bei der Ärztin/beim Arzt angeben, wenn sie sich zuvor einer Botox-Behandlung unterzogen haben. Das kann die Diagnostik verkürzen.

Fallserie zu Botulismus-Ausbruch nach Magenspritze

In Deutschland erkranken pro Jahr durchschnittlich nur etwa 5 Menschen an Botulismus. Die häufigste Form ist der sog. Lebensmittelbotulismus. Er entsteht dadurch, dass man Lebensmittel – häufig Eingemachtes oder Konserven – verzehrt, die mit Clostridien-Bakterien oder ihren Sporen belastet sind. Diese Bakterien produzieren dann das Nervengift Botox im Körper. „Doch angesichts der zunehmenden Verwendung von Botox im Medizin- bzw. Lifestyle-Bereich, müssen wir daran denken, dass perspektivisch auch in diesem Zusammenhang mehr Fälle von Botulismus auftreten können“, erklärt Prof. Peter Berlit von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie.

Um den derzeitigen Botulismus-Ausbruch durch die „Magenspritze“ zu untersuchen, Komplikationen, Outcome und Schwere der Symptome zu analysieren, haben Hagenacker mit seinem Team eine Fallserie initiiert. Ärzt*innen, die aktuell entsprechende Verdachtsfälle behandeln, werden gebeten, Kontakt mit ihm oder der DGN aufzunehmen. „Die wissenschaftliche Aufarbeitung dieses Botulismus-Ausbruchs ist wichtig, um zukünftig Betroffenen schneller helfen zu können“, so Hagenacker abschließend.

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Neurologie

Literatur

[1] Pfausler B. et al. S1-Leitlinie Botulismus. 2017. In: Deutsche Gesellschaft für Neurologie, Hrsg. Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. www.dgn.org/leitlinien (abgerufen am 18.03.2023)

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