PräventionAlzheimer ist eine Erkrankung des mittleren Lebensalters

Neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer beginnen Jahrzehnte vor den ersten Gedächtnisstörungen. Eine frühe Diagnose wird zeitnah möglich sein, wirft aber auch Fragen auf.

Illustration: Brain Fog, Wölkchen im Kopf
HollyHarry/stock.adobe.com

Die Prävalenz von Alzheimer und Parkinson steigt drastischer als die Alterung der Gesellschaft rechtfertigt.

Neurodegenerative Erkrankungen seine damit anders als bislang angenommen keine Erkrankungen des hohen Lebensalters. Das stellten Expert*innen auf einem Symposium des Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Neurologie heraus. Bluttests sind demnach in der Entwicklung und werden eine frühe Diagnose zeitnah möglich machen.

Die Früherkennung ermögliche nicht nur, das Potenzial der Prävention voll auszuschöpfen, sondern birgt auch die Chance auf bessere Therapieergebnisse. Aber sie wirft auch gesellschaftliche Fragen auf.

Hintergrund: Steigende Prävalenz von Alzheimer und Parkinson 

Auf dem „Presidential Symmposium“ standen neurodegenerative Erkrankungen im Fokus, insbesondere Alzheimer und Parkinson. Beide Krankheiten verbindet:

  • Die Prävalenzen steigen, und zwar drastischer als allein die Alterung der Gesellschaft rechtfertigt: Bis zum Jahr 2050 wird weltweit eine Verdopplung der Betroffenen vorausgesagt.
  • Beide Erkrankungen beginnen Jahre bis Jahrzehnte, bevor die ersten klinischen Symptome sichtbar werden.

Die Alzheimer-Krankheit sei damit anders als bisher angenommen keine Alterserkrankung, sondern eine Erkrankung des mittleren Lebensalters. Das, was man allgemein unter dieser Krankheit versteht, ist bereits das „Endstadium“ eines langsamen, aber stetigen Abbauprozesses von Nervenzellen, so Prof. Michael Heneka, Spezialist für neurodegenerative Erkrankungen von der Universität Luxemburg.

Diese Erkenntnis kann auch erklären, warum Therapien oft nicht mehr greifen, wenn bereits klinische Symptome vorliegen und sich der Zustand der Betroffenen zunehmend verschlechtert. „Denn je früher Therapie und Sekundärprävention, also Maßnahmen zur Verlangsamung des Krankheitsprozesses, einsetzen, desto erfolgversprechender sind sie. Das gilt für jede Krankheit, auch für Alzheimer und Parkinson“, erklärte Kongress-Präsidentin Prof. Daniela Berg, Kiel.

Neue Tests zur Früherkennung in der Entwicklung

Die Crux war, dass bislang verlässliche Früherkennungstest für neurodegenerative Erkrankungen fehlten. Die Diagnose erfolgt erst anhand der klinischen Symptome – im höheren Alter. Hier zeichnen sich nun ganz neue Möglichkeiten ab:

Für Alzheimer und Parkinson werden derzeit Bluttests für die Früherkennung entwickelt, die bereits in wenigen Jahren in die Klinik überführt werden könnten.

Damit eröffne sich die Möglichkeit, früher in die Erkrankungskaskade einzugreigen und bereits in Frühstadien zu behandeln, so Daniela Berg. Ideal wäre, in einem Krankheitsstadium zu behandeln, in dem die Betroffenen noch klinisch beschwerdefrei sind, ergänzte Michael Heneka.

Offene Fragen

Die neuen, greifbaren Möglichkeiten der Frühdiagnostik und Therapie machen das möglich, werfen aber große gesellschaftliche Fragen auf:

  • Sollte man auf neurodegenerative Krankheiten screenen?
  • Wenn ja, ab welchem Alter?
  • Wie viele potenzielle Betroffene müssten dann medikamentös versorgt werden?
  • Wie ist das gesundheitsökonomisch zu stemmen?

Dr. Eva Schäffer führte aus, dass es ohne Prävention nicht gehen werde. Die wiederum habe ein großes, bisher weitgehend ungenutztes Potenzial:

Bis zu 40 % der neurodegenerativen Erkrankungen könnten durch die Vermeidung von Risikofaktoren verhindert werden.

Viel habe man selbst in der Hand, vor allem durch eine gesunde Lebensführung. Doch es gebe auch äußere Risikofaktoren, wie die Exposition gegenüber Umwelttoxinen. Beispielhaft führte sie Pestizide an, die nicht nur in Verdacht stehen, die Entstehung neurodegenerativer Erkrankungen zu begünstigen, sondern sogar in der Forschung genutzt werden, um in Versuchstieren Parkinson auszulösen.

Es bedürfe eines gesellschaftlichen Umdenkens, der Einsatz dieser Gifte müsse viel restriktiver gehandhabt werden, so Daniela Berg. Ein konsequentes Handeln jetzt sei notwendig.

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Neurologie