WeltfrauentagWarum Frauen häufiger an Alzheimer erkranken

Frauen erkranken deutlich häufiger als Männer an Alzheimer. Forschende haben 3 Faktoren identifiziert, die mutmaßlich dazu beitragen.

2 Holzwürfel, links mit weiblichem, rechts mit männlichem Symbol; in der Mitte dreht eine Hand einen Würfel mit dem Ungleich-Symbol
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In der Forschung wurden geschlechterspezifische Unterschiede kaum beachtet. Seit einigen Jahren wächst allerdings das Bewusstsein.

Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Frau an Alzheimer erkrankt, ist höher als bei einem Mann, unabhängig von der jeweiligen Lebenserwartung. Eine neue Forschungsarbeit hat 3 mögliche Faktoren für die geschlechtsspezifischen Unterschiede identifiziert.

Diese 3 Faktoren spielen demnach eine Rolle:

  • Durchblutungsstörungen im Gehirn
  • Störung der Informationsweiterleitung im Gehirn
  • Geschwächte Immunabwehr

Faktor 1: Durchblutungsstörungen im Gehirn

Durchblutungsstörungen im Gehirn treten bei rund 80 Prozent der Alzheimer-Erkrankten auf. Ursache dafür ist u.a. der Abbau von Perizyten. Diese Zellen regulieren den Blutfluss im Gehirn.

Nimmt die Zahl der Perizyten ab, wird das Gehirn nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt und die geistigen Fähigkeiten lassen nach. Außerdem können sich verstärkt schädliche Ablagerungen des Proteins Beta-Amyloid im Gehirn ansammeln, die mutmaßlich zum Absterben von Nervenzellen führen.

Die Gene, die die Funktion der Perizyten steuern, liegen auf den männlichen und weiblichen Geschlechtschromosomen. Dies führt zu einer unterschiedlichen Regulation der Perizyten.

Yang Liu, Erstautor der Studie, kommentiert: „Ich denke, der vaskuläre Aspekt ist sehr wichtig, um zu verstehen, warum Frauen häufiger an Alzheimer erkranken. Vor der Menopause haben Frauen ein geringeres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen als Männer. Nach der Menopause verdoppelt sich bei Frauen nahezu die Häufigkeit von Herzerkrankungen und Schlaganfällen.“

Faktor 2: Störung der Informationsweiterleitung im Gehirn

Das Geschlecht beeinflusst bei der Alzheimer-Krankheit auch die Informationsübertragung im Gehirn. Die Oligodendrozyten, die Isolationsschichten um die Nervenzellförtsätze bilden, sorgen dafür, dass die Nervenzellen geschützt sind und Informationen schnell ausgetauscht werden können.

Es gibt Hinweise, dass die Oligodendrozyten im Falle einer Alzheimer-Erkrankung bei Frauen weniger stark aktiviert werden als bei Männern. Dadurch bleibt diese Schutzschicht bei Frauen weniger gut erhalten und die Informationsweiterleitung im Gehirn wird stärker beeinträchtigt.

Gesteuert werden diese Prozesse vermutlich durch Gene in den Fortpflanzungsorganen, bei Männern in den Hoden, bei Frauen in den Eierstöcken.

Faktor 3: Geschwächte Immunabwehr

Mikrogliazellen sind ein wichtiger Teil der Immunabwehr des Gehirns. Im gesunden Gehirn wirken sie entzündungshemmend und entfernen Krankheitserreger und abgestorbene Zellen.

Bei der Alzheimer-Krankheit sind Mikrogliazellen zunächst noch in der Lage, für die Krankheit typischen schädlichen Proteinablagerungen im Gehirn abzubauen. Im Krankheitsverlauf werden die Mikrogliazellen durch ständige Aktivierung zunehmend erschöpft. Sie können den Schutz des Gehirns dann nicht mehr gewährleisten. Sie verursachen dann chronische Entzündungen, die den Abbau der Nervenzellen zusätzlich fördern.

Mikrogliazellen werden durch unterschiedliche Faktoren beeinflusst, die ebenfalls vom Geschlecht abhängig sind. Bei Frauen scheinen die Immunabwehr und die Regulation von Entzündungsprozessen schlechter zu funktionieren als bei Männern.

„Das Geschlecht beeinflusst auch die Immun- und Entzündungsreaktionen, weil viele Gene, die mit Immunreaktionen zu tun haben, auf dem X-Chromosom liegen“, sagt Yang Liu. Bei Frauen bestehen die Geschlechtschromosomen aus zwei X-Chromosomen, bei Männern aus einem X- und einem Y-Chromosom.

Geschlechtersensible Forschung noch am Anfang

Die Erforschung von geschlechtsspezifischen Unterschieden bei der Entstehung der Alzheimer-Krankheit steht noch am Anfang. In Forschung und Medizin galten lange Zeit Männer als Maßstab. Geschlechterspezifische Unterschiede wurden kaum beachtet und in Studien waren die Testpersonen überwiegend männlich.

Seit einigen Jahren wächst das Bewusstsein, dass geschlechtsspezifischen Unterschiede bei der Entstehung und Behandlung von Krankheiten eine wichtige Rolle spielen. Der technische Fortschritt macht es jetzt möglich, dies auch in der Grundlagenforschung zu berücksichtigen.

„Jetzt können wir diese winzigen Unterschiede auf molekularer Ebene zwischen Männern und Frauen feststellen, weil die Technologien mittlerweile so weit entwickelt sind, insbesondere die genetische Sequenzierung und die Big-Data-Analyse“, erklärt Yang Liu.

Hintergrund: Alzheimer

Frauen erkranken deutlich häufiger als Männer an der Alzheimer-Krankheit. Insgesamt sind zwei Drittel der Erkrankten Frauen, für Deutschland entspricht dies einer Zahl von etwa 800.000 Betroffenen. Forscher*innen hatten dieses Ungleichgewicht lange der höheren Lebenserwartung von Frauen zugeschrieben, da der größte Risikofaktor für die Alzheimer-Krankheit das Alter ist.

Heute weiß man jedoch: Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Frau an Alzheimer erkrankt, ist höher als bei einem Mann, unabhängig von der jeweiligen Lebenserwartung.

Als Ursache rückte in den letzten Jahren verstärkt der weibliche Hormonhaushalt in den Blick. Die neue Forschungsarbeit zeigt: Die Ursachen sind auch in den geschlechtsspezifischen Genen zu finden.

Quelle: Alzheimer Forschung Initiative