SchlaganfallSpastik nach Schlaganfall: Botoxinjektionen zu selten eingesetzt

Die Injektionstherapie mit Botulinumtoxin wird bei Schlaganfallpatient*innen mit spastischer Lähmung zu selten eingesetzt: Nur 1 Prozent erhält die Therapie trotz Leitlinienempfehlung.

Spritze auf weißem Hintergrund
Thieme Verlagsgruppe

Injektionen mit Botulinumtoxin können spastische Lähmungen nach einem Schlaganfall lindern. Eine Versorgungsforschungsstudie zeigt: Sie werden viel zu selten eingesetzt.

Bei der Versorgung von Patient*innen nach einem Schlaganfall bestehen Qualitätsmängel. Das zeigt eine Studie des Universitätsklinikums Jena anhand von Krankenkassendaten. Die Forscher*innen kommen zu dem Schluss, dass nur die Minderheit der Patient*innen, die nach einem Schlaganfall an einer Spastik leiden, entsprechend den medizinischen Empfehlungen behandelt wird. Insbesondere wird die empfohlene Injektionstherapie mit Botulinumtoxin nur bei einem Prozent der Betroffenen durchgeführt.

Nur 1 Prozent der Patient*innen erhält Botox-Injektionen

Anhand einer repräsentativen Stichprobe aus Krankenkassendaten untersuchte ein Forschungsteam, wie diese Behandlungsempfehlungen in Deutschland umgesetzt werden. Dafür betrachteten Neurologen des Universitätsklinikums Jena zusammen mit Epidemiologen des Instituts InGef in Berlin die anonymisierten Versicherungsdaten von knapp 8000 Patient*innen, die zwischen 2015 und 2019 wegen einer Spastik nach einem Schlaganfall behandelt wurden.

Fast die Hälfte dieser Diagnosen wurde in der Hausarztpraxis gestellt. Zwar wurden drei Viertel der Patient*innen nach der Diagnose mindestens einmal physiotherapeutisch behandelt. Jedoch erhielt nur knapp die Hälfte regelmäßige Verordnungen und nur ein Viertel spezifisch zur Therapie einer schlaganfallbedingten Spastik. „Bemerkenswert ist, dass nur ein Prozent der Patient*innen Botulinumtoxin-Injektionen erhielten, aber zehn Prozent mit Tabletten gegen Spastik behandelt wurden“, sagt Dr. Florian Rakers. „Damit werden die Empfehlungen der deutschen Spastikleitlinie nicht konsequent umgesetzt.“

Besondere Rolle der Allgemeinmediziner

Für eine bessere Umsetzung der Leitlinien und zur Erhöhung der Qualität in der Schlaganfallnachsorge empfehlen die Autor*innen eine Ausweitung der regelmäßigen spezifischen Physiotherapie und die regelmäßige Botulinumtoxinbehandlung. Diese sollte vor allem bei den Patient*innen erwogen werden, die bislang ausschließlich antispastische Medikamente einnehmen und noch keine Injektionen erhielten.

„Bei diesen Patient*innen ist häufig von schmerzhaften und behindernden Spastiken auszugehen, die durch Botulinumtoxin sehr nebenwirkungsarm gemildert werden könnten“, so Dr. Albrecht Günther.

Er hebt dabei die besondere Bedeutung von Allgemeinmediziner*innen in der Schlaganfallnachsorge hervor, weil eine Spastik nach einem Schlaganfall sehr oft in der Hausarztpraxis diagnostiziert wird. „Patient*innen mit einer schlaganfallbedingten Spastik sollten möglichst an erfahrene Spastiktherapeut*innen überwiesen werden, um so die Qualität der Schlaganfallnachsorge zu verbessern“ empfehlen die Forscher abschließend.

Hintergrund

Etwa ein Drittel der Schlaganfall-Patient*innen leiden anschließend unter spastischen Bewegungsstörungen. Vom Schlaganfall verursachte Hirnschädigungen führen dabei zu schweren Bewegungsstörungen und Verkrampfungen der Muskulatur. Diese sind je nach Ausprägung und den betroffenen Bereichen mit Schmerzen und Funktionseinschränkungen verbunden sind. Die Lebensqualität der Betroffenen ist meist erheblich reduziert.

Die deutsche Behandlungsleitlinie sieht zur Therapie der Spastik regelmäßige Physio- und Ergotherapie sowie, falls notwendig, eine ergänzende medikamentöse Behandlung vor. Für diese werden in erster Linie regelmäßige Injektionen mit Botulinumtoxin in die spastischen Muskeln empfohlen. Das führt zu einer raschen Muskelentspannung und kann die Lebensqualität der Schlaganfallpatienten deutlich verbessern. Wegen erheblicher Nebenwirkungen wie Müdigkeit und Schwindel sollte die Einnahme weiterer antispastischer Medikamente nur nach strenger Abwägung verordnet werden.

Quelle: Universitätsklinikum Jena

Literatur

Rakers F, Weise D, Hamzei F et al. Inzidenz und ambulante medizinische Versorgung von Patienten mit schlaganfallassoziierter spastischer Bewegungsstörung. Dtsch Arztebl Int 2023; 120: 284-5; DOI: 10.3238/arztebl.m2023.0004