HeilpflanzenScharfstoff im Ingwer aktiviert Leukozyten

Ingwer wird u.a. bei dyspeptischen Beschwerden, Übelkeit und Erbrechen eingesetzt. Eine neue Studie liefert Belege für immunmodulierende Effekte.

Ein Glas Ingwertee, daneben eine angeschnittene Ingwerknolle
K. Oborny/Thieme

Der im Ingwer enthaltene Scharfstoff Gingerol versetzt weiße Blutkörperchen in Alarmbereitschaft.

Etwa 1 Liter Ingwertee könnte ausreichen, um gesundheitliche Effekte auf das Immunsystem zu erzielen.

Eine neue Untersuchung [1] eines Forscherteams um Veronika Somoza vom Freisinger Leibniz-Institut stützt die These, dass Ingwer das Immunsystem stimuliert. Im Laborversuch versetzten bereits geringe Mengen des Ingwerscharfstoffs Gingerol Leukozyten in Alarmbereitschaft. Basis der Untersuchung bildete eine Pilotstudie [2], in der bei Proband*innen nach dem Trinken von 1 Liter Ingwertee signifikante Mengen von Gingerol im Blut nachgewiesen wurden.

Das Team ging für die aktuelle Untersuchung der Frage nach, ob übliche Verzehrmengen ausreichen, um gesundheitliche Effekte zu erzielen. Und wenn ja, welche Inhaltsstoffe und molekulare Mechanismen dafür verantwortlich sind. Die Pilotstudie hatte gezeigt, dass der Scharfstoff [6]-Gingerol mit einer Plasmakonzentration von 7 bis 17 Mikrogramm pro Liter die höchsten Plasmakonzentrationen erzielte.

Von dem Scharfstoff ist bekannt, dass er seine „geschmackliche“ Wirkung über den sogenannten TRPV1-Rezeptor entfaltet. Beim TRPV1-Rezeptor handelt es sich um einen Ionenkanal auf der Oberfläche von Nervenzellen, der auf Hitze- und Schmerzreize sowie auf Scharfstoffe aus Chili und Ingwer reagiert. Einige Studien lassen annehmen, dass auch Leukozyten über den Rezeptor verfügen. Daher prüfte das Forschungsteam, ob [6]-Gingerol über den TRPV1-Rezeptor die Aktivität der weißen Blutkörperchen beeinflusst.

Ingwerscharfstoff [6]-Gingerol aktiviert Immunzellen

In einem ersten Schritt gelang es dem Team, den Rezeptor in neutrophilen Granulozyten nachzuweisen. Diese machen etwa zwei Drittel der weißen Blutkörperchen aus und dienen dazu, eindringende Bakterien abzuwehren. Weitere Laborversuche der Forschungsgruppe ergaben: Bereits eine sehr geringe Konzentration von knapp 15 Mikrogramm [6]-Gingerol pro Liter Nährmedium reicht aus, um neutrophile Granulozyten in erhöhte Alarmbereitschaft zu versetzen. So reagierten die stimulierten Zellen im Vergleich zu Kontrollzellen um etwa 30 Prozent stärker auf ein Peptid, das eine bakterielle Infektion simuliert. Die Zugabe eines TRPV1-Rezeptor-spezifischen Hemmstoffs hob die durch [6]-Gingerol induzierte Wirkung wieder auf.

„Somit reichen zumindest im Versuch sehr geringe [6]-Gingerol-Konzentrationen aus, um über den TRPV1-Rezeptor die Aktivität von Immunzellen zu beeinflussen. Im Blut ließen sich solche Konzentrationen theoretisch durch den Konsum von gut einem Liter Ingwertee erzielen“, sagt Gaby Andersen. „Damit stützen unsere Ergebnisse die Annahme, dass der Konsum üblicher Ingwermengen ausreichen kann, zelluläre Antworten des Immunsystems zu modulieren. Dennoch sind noch viele Fragen auf molekularer, epidemiologischer und medizinischer Ebene offen, die es gilt, mithilfe einer modernen Lebensmittel- und Gesundheitsforschung zu klären“, schließt Veronika Somoza.

Hintergrund

In der Pilotstudie tranken Testpersonen einen Liter Ingwertee innerhalb von 20 Minuten auf nüchternen Magen. Der Tee war wie folgt zubereitet worden: 100 g einer frischen chinesischen Ingwerknolle wurden geschält und zerkleinert, mit einem Liter kochendem Wasser überbrüht und 15 Minuten ziehen gelassen. Anschließend wurde der Aufguss gefiltert, um unlösliche Bestandteile zu entfernen. Die Forschungsgruppe ermittelte die höchsten durchschnittlichen Plasmakonzentrationen für die Scharfstoffe [6]-, [8]- und [10]-Gingerol (42,0; 5,3 bzw. 4,8 nmol pro Liter) ca. 30 bis 60 Minuten nachdem die Testpersonen den Ingwertee getrunken hatten.

Quelle: Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie

Literatur

[1] Andersen G, Kahlenberg K, Krautwurst D, Somoza V. [6]-Gingerol Facilitates CXCL8 Secretion and ROS Production in Primary Human Neutrophils by Targeting the TRPV1 Channel. Mol Nutr Food Res 2022; https://onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.1002/mnfr.202200434

[2] Schoenknecht C, Andersen G, Schmidts I, Schieberle P. (2016). Quantitation of Gingerols in Human Plasma by Newly Developed Stable Isotope Dilution Assays and Assessment of Their Immunomodulatory Potential. J Agric Food Chem 2016; https://pubs.acs.org/doi/10.1021/acs.jafc.6b00030

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