Seltene ErkrankungenNeue Seltene Erkrankung entdeckt

Die beschriebene Seltene Erkrankung beruht auf der Veränderung des Gens SLC4A10. Betroffene Patient*innen leiden unter schweren Entwicklungsbeeinträchtigungen.

Illustration der DNA-Struktur
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Etwa 8000 Seltene Erkrankungen sind in Deutschland bekannt. Viele davon, wie das Asperger-Syndrom oder die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit, können genetisch bedingt sein.

Wissenschaftler*innen vom Zentrum für Seltene Erkrankungen am Universitätsklinikum Jena (UKJ) haben gemeinsam mit internationalen Kolleg*innen eine neue Seltene Erkrankung erstmals beschrieben, deren genetische Grundlagen sie erforscht und ihre zellulären Mechanismen aufgeklärt haben. Sie beruht auf der Veränderung des Gens SLC4A10, die dazu führt, dass bestimmte geladene Teilchen nicht mehr ausreichend über die Zellwand transportiert werden können.

10 erkrankte Kinder weltweit identifiziert

Bisher haben die Jenaer Wissenschaftler*innen in Zusammenarbeit mit Genetiker*innen weltweit 10 erkrankte Kinder aus 5 Familien identifiziert, bei denen das Gen verändert ist. „Diese Patient*innen leiden von Geburt an unter schweren Beeinträchtigungen in der Entwicklung, sowohl hinsichtlich Motorik, als auch bei Sprache und Intelligenz“, so Prof. Christian Hübner vom UKJ. Zudem sei bei Betroffenen die Gehirnstruktur verändert.

Die Wissenschaftler*innen am Institut für Humangenetik des UKJ beschäftigen sich bereits seit einigen Jahren mit dem SLC4A10-Gen. „Wir haben im Mausmodell untersucht, welche Auswirkungen es hat, das Gen auszuschalten. Neben Verhaltensauffälligkeiten und kollabierten Hirnventrikeln, den mit Hirnwasser gefüllten Hohlräumen im Gehirn, kam es bei den Mäusen auch zu Sehstörungen und Hörverlust“, erklärt Dr. Antje Hübner. „Eine klinische Relevanz dieser Forschungsergebnisse war bis vor kurzem aber nicht bekannt.“

Bis zu einer E-Mail-Anfrage von Salzburger Kollegen zu einem Neugeborenen mit Entwicklungsverzögerungen und kollabierten Hirnventrikeln. „Also mit genau den Symptomen, die auch bei den Mäusen im Tierversuch aufgetreten sind“, so Dr. Hübner. „Die genomweite Diagnostik beim betroffenen Neugeborenen ergab eine Veränderung im SLC4A10-Gen. Daraufhin haben wir weltweit weitere Betroffene gesucht.“

Im Mausmodell haben die Wissenschaftler*innen anschließend wichtige Mechanismen des Gens aufgeklärt. Fehlt das Gen, wird weniger Hirnwasser produziert, weshalb die Hirnventrikel kollabieren. Außerdem ist die Signalübertragung zwischen Nervenzellen gestört. In einer weiteren Studie soll nun untersucht werden, wie Pharmaka dabei helfen können, die gestörte Signalübertragung positiv zu beeinflussen, um die Verhaltensausfälligkeiten zu reduzieren.

Zentrum für Seltene Erkrankungen am Universitätsklinikum Jena

Im Zentrum für Seltene Erkrankungen am Universitätsklinikum Jena werden Seltene Erkrankungen erforscht, diagnostiziert und behandelt. Als selten gelten in Europa Erkrankungen, unter denen weniger als 5 von 10.000 Menschen leiden. In Deutschland sind insgesamt ca. 8.000 Seltene Erkrankungen bekannt, die zusammen 6 bis 8 Prozent der Bevölkerung betreffen. Ein Großteil der Erkrankungen sind genetisch bedingt. Da die Symptome so vielfältig und die Erkrankungen so selten sind, haben die Patienten häufig eine lange Reise von einem Arzt zum nächsten hinter sich. Im Zentrum für Seltene Erkrankungen in Jena können diese Krankheiten diagnostiziert werden. Dies geschieht sowohl genetisch, als auch in Fallkonferenzen mit den unterschiedlichsten Disziplinen.

Quelle: Universitätsklinikum Jena

Literatur

Fasham J et al. SLC4A10 mutation causes a neurological disorder associated with impaired GABAergic transmission. Brain 2023; doi: 10.1093/brain/awad235

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