ErnährungstherapieAntientzündliche Ernährung bei Darm- und Lebererkrankungen

Bei der Prävention und Therapie von Darm- und Lebererkrankungen rückt die gesunde Ernährung mehr denn je in den Fokus.

Grafische Darstellung einer Entzündung im Gewebe.
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Hat eine antientzündliche Ernährung einen Effekt auf das Mikrobiom?

Bei vielen Darm- und Lebererkrankungen spielen offenkundige Entzündungen eine wichtige Rolle, wie z.B. bei den chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen oder Virus-Hepatitiden. Aber auch „stille Entzündungen“ in Darm und Leber rücken mehr in den Fokus, wie z.B. beim Reizdarmsyndrom oder den Fettlebererkrankungen. Hierbei ist das Verständnis von Ernährung und ihren potenziellen Effekten auf Entzündungen von besonderer Bedeutung und stellt auch gerade für die Erkrankten einen wesentlichen Aspekt im Selbstmanagement dar. 

Zahlreiche Berichte der letzten Jahre zeigen einen möglichen positiven Effekt einer antientzündlichen Ernährung auf, aber in realiter ist die evidenzbasierte Datenlage heterogen und spärlich.

Warum gibt es kaum randomisierte, kontrollierte Studien?

  • Die Ernährung des Einzelnen ist schwer standardisierbar (Aufnahme von unterschiedlichen Nahrungsmitteln und Nährstoffen).
  • Variierende Kombinationen von Lebensmitteln und deren Mengen.
  • Studien zu Ernährungsinterventionen sind aufwändig und komplex in ihrer Durchführung und Datenauswertung.

Studien zu Ernährungsinterventionen sind dringend notwendig, um mögliche Zusammenhänge zwischen der Pathophysiologie oder möglicher Beeinflussung der Krankheitsverläufe von Darm- und Lebererkrankten evidenzbasiert aufzuzeigen [1].

Antientzündliche Ernährung - was bedeutet das?

Antientzündliche Ernährung bedeutet, möglichst alle Nahrungsmittel vom Speisenplan zu entfernen, die Entzündungen (mit-)begünstigen könnten.

Dies bedeutet, dass die tägliche Ernährung

  • einen hohen Anteil (30 g pro Tag) an löslichen (z.B. Inulin) und nicht-löslichen Ballastoffen (z.B. Obst, Gemüse, Hülsenfrüchte),
  • wenig verarbeitete Kohlenhydrate,
  • maximal zweimal pro Woche Fleisch (max. 400 g) oder Wurst,
  • idealerweise zweimal pro Woche Fischsorten, die reich an antientzündlich wirkenden Omega-3-Fettsäuren sind (z.B. Lachs, Hering, Makrele), enthalten sollte.

Milchprodukte, die viel tierisches Fett mit gesättigten Fettsäuren aufweisen, sollten nur in moderaten Mengen aufgenommen werden. Als Fette sollten Öle mit einem 
hohen Anteil an alpha-Linolensäure
, einer Vorstufe der Omega-3-Fettsäuren, wie z.B. Raps-, Lein-, Weizenkeim-, Soja- oder Walnussöle bevorzugt werden. Auch bestimmte Gewürze können dazu beitragen, dass weniger Entzündungsstoffe aus der proinflammatorisch wirkenden Arachidonsäure (Omega-6-Fettsäure) entstehen. So zeigen z.B. Ingwer, Curry, Kurkuma, Kümmel und Knoblauch eine antioxidative Wirkung. Nicht zu vergessen ist dabei eine ausreichende Trinkmenge von mindestens 2 Litern pro Tag, möglichst kohlensäurearmes Wasser, Tee und auch Kaffee (bis drei Tassen pro Tag).

Worauf sollte verzichtet werden?

Verzichten werden sollte auf Smoothies und Softdrinks mit einem hohen Glukose- und Fruktose-Gehalt, die rasch den Blutzuckerspiegel erhöhen. Der „mediterranen antientzündlichen Kost“ steht die häufig auch als „Western-Style-Diät“ bezeichnete Ernährung gegenüber, die insbesondere einen hohen Anteil an tierischen Fetten und Eiweißen sowie unverarbeiteten Zuckerstoffen und wenig Ballaststoffe aufweist und damit gemieden werden sollte [2].

Antientzündliche Ernährung und der Effekt auf das Mikrobiom

Die Literatur weist eine rasch wachsende Zahl an Publikationen zur antientzündlichen Ernährung und möglichen Einflüssen auf die Mikrobiota (Darmflora) auf. Allerdings gilt hier einschränkend, dass die bisherigen Kenntnisse überwiegend auf Assoziationsstudien basieren oder Erkenntnisse aus tierexperimentellen Studien auf die Situation im 
menschlichen Körper übertragen werden. Eingedenk dieser Limitationen weisen die derzeitigen Untersuchungen auf positive Effekte einer antiinflammatorischen Kost auf die Darmflora bzw. auf die Regulation einer Dysbiose (ausgelenkte Darmflora) hin. Eine ausgelenkte Darmflora soll im engen Kontext mit assoziierten Erkrankungen, wie z.B. kardiovaskulären Erkrankungen, Diabetes mellitus, Adipositas, psychiatrischen Erkrankungen („Darm-Hirn-Achse“), Psoriasis („Darm-Haut-Achse“), rheumatischen Erkrankungen, Leber- („Darm-Leber-Achse“) und Darmerkrankungen stehen [3, 4]. Exemplarisch seien diese Assoziationen an einer sehr aufwändig angelegten niederländischen Studie bei Patient*innen mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, Reizdarmsyndrom und Gesunden aufgezeigt. Die Forscher*innen konnten demonstrieren, dass ein „mediterraner Ernährungsstil“ zu einer Zunahme der bakteriellen Diversität führte, was allgemein als ein Indikator für eine „gesunde“ Darmflora angesehen wird [5]. Sie haben eine Vielzahl von Ernährungsmustern bei den Probanden identifiziert, die jeweils mit einem charakteristischen Muster der dominierenden Bakterien (Enterotyp) im Stuhl assoziiert waren. Bei einem mediterranen Ernährungsstil waren insbesondere antientzündlich wirkende Bakterien wie z.B. Bifidobacterium species, Milchsäurebakterien, Roseburia species, Faecalibacterium prausnitzii, Eubacterium species prädominant nachweisbar. Diese Bakterienspezies üben über die Produktion von kurzkettigen Fettsäuren, wie z.B. Butyraten, Acetaten und Propionaten, sowohl bei der primären Prävention von Erkrankungen als auch modifizierend bei eingetretener Erkrankung eine antientzündliche Wirkung aus. Hierbei scheint die Reduktion des tierischen Eiweißes  (z.B. Fleisch, Milchprodukte) zugunsten pflanzlicher Eiweiße (z.B. Hülsenfrüchte, Samen) in  der zugeführten Ernährung, einen besonders ausgeprägten antientzündlichen Effekt auf 
mikrobieller Ebene auszuüben [4]. 

Fazit

Auch wenn die Studienlage noch heterogen ist, soviel ist sicher: Einer antientzündlichen Ernährung scheint bei der Behandlung von Darm- und Lebererkrankten und möglicherweise auch in der Prävention derselben [5-7] eine wichtige Funktion zuzukommen, aber zukünftige Studien müssen die potenzielle krankheitsspezifische Wirkweise der antiinflammatorischen Ernährung weitergehend untersuchen und konsolidieren.

Quelle: PD Dr. med. Birgit Terjung/Online-Jahrespressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten e.V. (DGVS)

[1] Campmanns-Kuijpers MJE & Dijkstra G. Food and food groups in inflammatory bowel disease (IBD): the design of the Groningen anti-inflammatory diet (GrAID). Nutrients 2021; 13(4): 1067. Doi:10.3390/nu13041067 

[2] Christ A & Latz E. The Western lifestyle has lasting effects on metaflammation. Nat Rev Immunol 2019; 19(5): 267-268. Doi:10.1038/s41577-019-0156-1 

[3] Tasson L, Canova C, Vettorato MG et al. Influence of diet on the course of inflammatory bowel disease. Dig Dis Sci 2017; 62(8): 2087-2094 

[4] Gebrayel P, Nicco C, Al Khodor S et al. Microbiota medicine: towards clinical revolution. J Translat Med 2022; 20: 111 

[5] Bolte LA, Vich Vila A, Imhann F et al. Long-term dietary patterns are associated with pro-inflammatory and anti-inflammatory features of the gut microbiome. Gut 2021; 70: 1287-1298 

[6] Anania C, Perla FM, Olivero F et al. Mediterranaean diet and nonalcoholic fatty liver disease. World J Gastroenterol 2018; 24(19): 2083-2094 

[7] Abenavoli L, Boccuto L, Federico A et al. Diet and Non-Alcoholic Fatty Liver Disease: The Mediterraean Way. Int J Environ Res Public Health 2019; 16(17): 3011