PharmakologieNervenschäden: Pflanzenwirkstoff fördert Regeneration

Ein Inhaltsstoff aus dem Mutterkraut hat im Tierversuch regenerative Effekte auf Nervenverletzungen gezeigt. Auch für menschliche Nervenzellen zeigen sich die Forscher*innen optimistisch.

Mutterkrautblüten
K. Oborny/Thieme

Parthenolid - ein Inhaltsstoff aus dem Mutterkraut - könnte ein Wirkstoffkandidat zur systemischen Anwendung für eine Funktionsverbesserung nach Rückenmarksverletzung werden.

Schädigungen des Gehirns, Rückenmarks oder Sehnervs führen in der Regel zu lebenslangen, irreparablen Schäden. Beispiele sind Querschnittslähmungen nach Rückenmarksverletzungen oder Erblindungen nach Sehnerv-Schäden. Bis heute sind Heilungen nicht möglich, da die durchtrennten Nervenfasern normalerweise nicht nach wachsen.

Kölner Wissenschaftler*innen um den Pharmakologen Prof. Dietmar Fischer haben eine neue Studie veröffentlicht, in der ein Inhaltsstoff aus dem Mutterkraut leichte regenerative Effekte im verletzten Sehnerv und Rückenmark gezeigt hat.

hIL-6 aktiviert Regenerationsprogramm

In einer vorangegangenen Arbeit konnten sie zeigen, dass durch die Anwendung des sog. Designer-Zytokins Hyper-Interleukin-6 (hIL-6) Nervenfasern im vollständig verletzten Sehnerv und Rückenmark von Mäusen über deutliche Strecken nachwachsen können: Zuvor komplett querschnittsgelähmte Mäuse konnten einige Wochen nach der Behandlung wieder laufen. Denn hIL-6 aktiviert ein Regenerationsprogramm in geschädigten Nervenzellen und ermöglicht so das Faserwachstum.

In ihrer jetzt veröffentlichten Arbeit fanden die Forschenden heraus, dass hIL-6 in den Nervenzellen neben den regenerationsfördernden Prozessen auch einen hemmenden Effekt ausübt. Dieser limitiert das volle Potenzial der Behandlung limitiert. Der hemmende Effekt beruht darauf, dass hIL-6 die dynamischen Prozesse in den Faserspitzen reduziert, wodurch die mögliche Wachstumsgeschwindigkeit herabgesetzt wird.

Parthenolid aus dem Mutterkraut steigert axonale Regeneration

Die Wissenschaftler*innen verwendeten einen Inhaltsstoff aus dem Mutterkraut mit dem Namen Parthenolid, der gezielt die dynamischen Prozesse in den Faserspitzen anregt und konnten damit erstmals zeigen, dass dadurch die axonale Regeneration deutlich gesteigert werden konnte. Damit wurde nicht nur die Wirkung von hIL-6 deutlich verbessert, sondern die tägliche Gabe von Parthenolid alleine zeigte bereits einen leichten Effekt auf die Regeneration im verletzten Sehnerv und das Rückenmark.

„Damit ist Parthenolid offenbar der erste systemisch anwendbare Wirkstoff der eine Funktionsverbesserung nach einer kompletten Rückenmarksverletzung möglich macht“, sagt der Pharmakologe Prof. Dietmar Fischer.

Prinzip auch für den Menschen relevant

Dass dieses Prinzip auch für den Menschen relevant ist, zeigten die Wissenschaftler*innen an echten, kultivierten menschlichen Nervenzellen, die aus gespendeten Augen gewonnen wurden. „Wir haben diesen Wirkstoff bisher nur bei sehr schweren Verletzung im Sehnerv und Rückenmark getestet, in denen bisher kaum eine relevante funktionelle Verbesserung erreicht werden konnte. Es ist aber wahrscheinlich, dass Parthenolid die Regeneration auch nach leichteren Verletzungen verbessert“, so der Pharmakologe. Er ergänzt: „Dass wir die Wirkung von Parthenolid auch an menschlichen Neuronen nachweisen konnten, ist natürlich besonders erfreulich und vielversprechend“.

Die Forschenden konnten auch zeigen, dass Parthenolid in den verwendeten Dosen zu keinen messbaren unerwünschten Nebenwirkungen führten. Trotz dieser äußerst vielversprechenden Ergebnisse ist eine schnelle Anwendung oder Testung am Menschen noch nicht möglich und bedarf zuvor noch weiterer klinischer Untersuchungen.

Quelle: Uniklinik Köln

Literatur

Leibinger M, Zeitler C, Fischer D et al. Inhibition of microtubule detyrosination by parthenolide facilitates functional CNS axon regeneration. eLife 2023;  doi.org/10.7554/eLife.88279.3