KoffeinKaffee: Multitalent mit schlechtem Image?

Kaffee galt lange Zeit als gesundheitsschädlich. Doch die Forschung zeigt, dass er, in Maßen genossen, sogar viele gesundheitsfördernde Effekte haben kann.

Eine Tasse Cappuccino auf Holztisch.
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Moderater Kaffeekonsum kann gesundheitlich vorteilhaft sein.

von Karen Nieber

Nichts geht über eine gute Tasse Kaffee – sagen die Freunde der gerösteten Bohnen. Lange warnten Mediziner, Kaffee schädige das Herz oder entwässere den Körper. Aktuelle Studien sagen etwas anderes und haben durch neue Erkenntnisse das schlechte Image von Kaffee gründlich revidiert.

Die Kaffeepflanze wurde erstmals 1558 in medizinischen und botanischen Werken Europas erwähnt. Angeregt durch den Kaffeeliebhaber Johann Wolfgang von Goethe gelang es dem Apotheker und Chemiker Friedlieb Ferdinand Runge im Jahr 1820 erstmals, reines Koffein aus Kaffeebohnen zu isolieren. Koffein ist in Kaffee, Tee, Cola, Mate, Guarana, Energy-Drinks und Schokolade enthalten. Weltweit sind rund 124 Arten der Coffea Pflanze bekannt. Die wohl bekanntesten Pflanzenarten aus der botanischen Gattung der Coffea sind Coffea arabica und Coffea canephora (Robusta-Kaffee).

Botanischer Steckbrief

Die Coffea ist eine exotische Pflanzengattung der Rötegewächse (Rubiaceae). Sie speichert Koffein in ihren Samen, den sogenannten Kaffeekirschen. Coffea-Arten sind immergrüne, kleine Bäume oder Sträucher. Die gegenständigen, gestielten Laubblätter haben eine länglich-ovale Form und besitzen eine einfache, glänzende Blattspreite. Sie wachsen in einer strauchförmigen Formation. Die Oberseite der Blätter ist dunkelgrün, die Unterseite hellgrün bis gelblich. Die Nebenblätter können 8–15 cm lang und 4–6 cm breit werden. Die duftenden, zwittrigen Blüten des Kaffeestrauches sind fünfgliedrig und wachsen als Blütenstände an den Blattachseln. Die Kaffeekirschen oder Kaffeebeeren sind Steinfrüchte, schmecken fruchtig süß, besitzen aber sehr wenig Fruchtfleisch. Dieses ist umgeben von einer dicken, weichen Schale. Darunter liegt das Silberhäutchen, welches die Samen bedeckt. In der Frucht befinden sich in der Regel 2 Samen, die sogenannten Kaffeebohnen.

Die Coffea-arabica-Pflanze wächst in höheren Lagen, was zu einem langsameren Wachstum führt. Diese Sorte benötigt ein ausgeglichenes Klima ohne Temperaturextreme und ohne zu viel Sonnenschein oder starke Hitze. Der Flachlandkaffee Robusta trägt mehr Früchte als Arabica, die zudem wesentlich schneller reifen und unempfindlicher gegen Witterungsbedingungen sind. Nach 3–4 Jahren liefern Kaffeebäume die ersten Ernteerträge. Die Reifezeit der Kaffeekirschen beträgt bis zu 10 Monate. Im Laufe der Reifung ändert die Kirsche ihre Farbe von Grün über Gelb zu Rot bis Schwarz. Die Ernte der roten Kaffeekirschen erfolgt durch Handpflücken (Picking) oder die aller Kirschen maschinell (Stripping) mit anschließender Sortierung.

Inhaltsstoffe

In der Kaffeebohne sind mehr als 1000 verschiedene Substanzen mit potenziell therapeutischen Wirkungen enthalten. Nur ein Bruchteil davon ist bis heute chemisch identifiziert worden. Der bekannteste Inhaltsstoff ist das Koffein. Koffein ist ein Purinalkaloid aus der Stoffgruppe der Xanthine. Es gehört zu den psychoaktiven Substanzen mit stimulierender Wirkung und wirkt im Gehirn als Antagonist an Adenosin-Rezeptoren. Koffein in reiner Form ist ein weißes kristallines Pulver mit bitterem Geschmack. Eine Tasse Bohnenkaffee enthält circa 80–100 mg Koffein. Etwa 30–40 % der Kaffeebohne bestehen aus wasserunlöslichen und wasserlöslichen Polysacchariden sowie aus Zucker wie Saccharose und Glukose. Allerdings werden diese bei der Röstung fast vollständig umgewandelt oder abgebaut. Die wasserunlöslichen Polysaccharide bleiben als Kaffeesatz zurück.

In der Kaffeebohne kommen mehr als 80 verschiedene Säuren vor, die 4–12 % des Gesamtanteils ausmachen. Die wichtigste ist die Chlorogensäure. Aber auch Apfelsäure, Zitronensäure und Essigsäure wurden nachgewiesen. Proteine haben im Rohkaffee ungefähr einen Anteil von 11 %, der allerdings beim Rösten extrem abnehmen kann. Durch die Hitzeeinwirkung verbinden sich Zucker und Aminosäuren (Maillard-Reaktion) und daraus entstehen die komplexen Aromastoffe, die den Geschmack des Kaffees prägen.

Pharmakokinetik

Das im Kaffee enthaltene Koffein wird schnell im Dünndarm und zum Teil auch schon im Magen resorbiert. Es überwindet die Blut-Hirn-Schranke fast ungehindert, erreicht auf diese Weise schnell das Gehirn und wirkt auf das Zentrale Nervensystem. Die stimulierende Wirkung setzt etwa nach 15–30 Minuten ein. Bei Menschen werden rund 80 % des aufgenommenen Koffeins durch das Enzym CYP1A2 zu Paraxanthin demethyliert und weitere etwa 16 % werden in der Leber zu Theobromin und Theophyllin umgesetzt. Die Halbwertszeit des Koffeins im Plasma hängt stark vom Alter des Konsumenten ab. Bei Jugendlichen und Erwachsenen beträgt sie 2,5–5 Stunden, bei Säuglingen und Kleinkindern bis zu 100 Stunden.

Wirkung

Kaffee hat zahlreiche positive Wirkungen auf den Körper, die medizinisch erwiesen sind. Sie lassen sich zum Teil auf die Wirkung des Koffeins und die zahlreich enthaltenen Antioxidantien zurückführen. Kaffee wirkt als mildes Stimulans auf das Zentrale Nervensystem und kann so die Wachheit, das Konzentrationsvermögen sowie die geistige und die körperliche Leistungsfähigkeit steigern. Wissenschaftliche Studien ermutigen zu der Annahme, dass der Konsum von Kaffee einen gewissen Schutz vor Morbus Parkinson und Demenz bietet. Bis zu einer abschließenden Beurteilung des Einflusses von Kaffee bzw. Koffein auf die neurodegenerativen Erkrankungen sind allerdings weitere wissenschaftliche Untersuchungen notwendig.

Häufig wird angenommen, dass Herz-Kreislauf-Patienten Kaffee meiden sollen. Wissenschaftliche Studien zeigen jedoch, dass der Genuss von Kaffee das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen nicht erhöht. Im Gegenteil: Moderater Kaffeekonsum kann sogar vorteilhaft sein. Gesichert ist die Wirkung auf den Kreislauf: Die Blutgefäße werden erweitert, der Herzschlag wird erhöht und die Durchblutung aller Organe verbessert. So mehren sich Hinweise, dass Kaffee das Schlaganfall- und Hirninfarkt-Risiko senken kann.

Auch Leber und Stoffwechsel profitieren von moderatem Kaffeegenuss. So ist zum Beispiel das Risiko für eine Leberzirrhose deutlich geringer. Auch entwickeln Kaffeetrinker seltener einen Diabetes Typ 2. Wie genau der schützende Effekt zustande kommt, ist bisher nicht geklärt. Diskutiert wird, ob Kaffee die Insulinsensitivität verbessert.

Bei einem täglichen Kaffeekonsum von mehr als 3 Tassen sinkt auch das Asthma-Risiko. Durch Koffein bzw. dessen Abbauprodukt Theophyllin werden die Bronchien erweitert, was die Lungenfunktion verbessert.

Kaffee hat außerdem anerkanntermaßen akut analgetische Effekte bei Spannungskopfschmerzen und Migräne sowie bei Muskelschmerzen, die durch Sport verursacht werden. Die additive oder synergistische Wirkung von Koffein als adjuvantes Analgetikum in Kombinationspräparaten wurde durch mehrere Studien belegt.

Die Frage, ob Kaffee das Risiko für Krebserkrankungen allgemein oder für bestimmte Krebsarten erhöhen könnte, wurde in den vergangenen Jahren intensiv untersucht. Nach Angaben der Internationalen Agentur für Krebsforschung, einer Einrichtung der Weltgesundheitsorganisation, gibt es keine Belege dafür, dass Kaffee krebserregend ist [5]. Im Gegenteil, es gibt Hinweise darauf, dass Kaffee das Risiko für Tumore der Leber und der Gebärmutter senken kann.

Dosierung

Eine allgemeine Regel, wie viel Kaffee unschädlich ist, ist nur schwer zu formulieren, da die Verträglichkeit individuell stark variiert. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat 2015 eine Bewertung der gesundheitlichen Wirkungen von Kaffee veröffentlicht, nachdem eine Reihe von Mitgliedstaaten Bedenken gegen den Genuss von Kaffee geäußert hatten, insbesondere im Hinblick auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Auswirkungen auf das Zentrale Nervensystem sowie mögliche Gesundheitsrisiken für Ungeborene im Mutterleib. Nach Auffassung der EFSA sind 200 mg Koffein pro Einzeldosis und 400 mg pro Tag unbedenklich für den Menschen, was etwa 4–5 Tassen Filterkaffee entspricht. Bei Schwangeren ist eine Koffein-Aufnahme von bis zu 200 mg pro Tag für das Ungeborene unbedenklich. Eine Menge von bis zu 3 Tassen Kaffee täglich ist daher auch während der Schwangerschaft sicher.

Nebenwirkungen und Kontraindikationen

Wer zu viel Kaffee trinkt, kann an den Folgen einer Koffein-Überdosis leiden. Mediziner sprechen von einer Überdosis ab 1 g Koffein am Tag. Das entspricht 15–20 Tassen Espresso. Mögliche Folgen sind Schlafstörungen, Reizbarkeit und Unruhe. Wie Kaffee etwa den Schlaf beeinflusst, ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich und scheint genetisch bedingt zu sein. Zwillingsanalysen zeigten, dass bei Menschen mit bestimmten Variationen im Adenosin-A2A-Rezeptor-Gen Koffein den Schlaf stören kann. Dies entspricht nicht nur dem persönlichen Empfinden vieler Kaffeetrinker, sondern lässt sich auch anhand typischer Veränderungen der Hirnströme in der Elektroenzephalografie (EEG) nachweisen.

Schwangere sollten mit dem Kaffeegenuss generell vorsichtig sein. Ein hoher Kaffeekonsum kann zu einem geringen Geburtsgewicht beim Neugeborenen führen. Außerdem kann er im 1. und 2. Trimester Früh- und Fehlgeburten verursachen. Mütter, die stillen, sollten sich ebenfalls mit dem Kaffee mäßigen und möglichst nicht mehr als 1–2 Tassen am Tag trinken. Insbesondere Säuglinge, die zu früh geboren wurden, verarbeiten das Koffein langsamer und reagieren unter anderem mit Schlafproblemen auf Koffein aus der Muttermilch. Und auch für Frauen mit brüchigen Knochen ist Kaffee nicht zu empfehlen, da er dem Körper Kalzium entzieht.

Fazit

Kaffee ist das am häufigsten konsumierte Getränk in Deutschland. Heute belegen zahlreiche wissenschaftliche Studien, dass Kaffee in Maßen genossen, sprich 3–5 Tassen pro Tag, nicht nur gesundheitlich unbedenklich ist, sondern sogar gesundheitsfördernde Eigenschaften besitzt. Sicher spielt das Koffein bei den Wirkungen eine wichtige Rolle, aber auch die anderen Inhaltsstoffe des Kaffees tragen zu den Effekten auf den menschlichen Organismus bei. Denn wie viele Naturprodukte ist auch Kaffee strukturell und funktionell ein Vielstoffgemisch. Die reine Analytik der Einzelkomponenten oder die Annahme, Kaffee sei nur eine einfache Ansammlung von Monosubstanzen, ergibt kein hinreichendes Funktionsbild. Die Wirkungen der Inhaltsstoffe ergänzen sich additiv oder synergistisch und machen oftmals die Wirkung aus.

Prof. (em.) Dr. Karen Nieber
Pharmakologin 
Schwerpunkte ihrer Forschungen waren Wirkungsmechanismen von pflanzlichen Arzneimitteln bei neurodegenerativen und gastrointestinalen Störungen.

Interessenkonflikt: Die Autorin erklärt, dass keine wirtschaftlichen oder persönlichen Verbindungen bestehen.

[1] Poole R, Kennedy OJ, Roderick P. et al Coffee consumption and health: umbrella review of meta-analyses of multiple health outcomes. BMJ 2017; 359: j5024

[2] Nieber K. Kaffee: Das Gute in der Bohne. Pharm ZTG 2016; 161: 4-8

[3] Nieber K. Schwarz und Stark. Wie Kaffee die Gesundheit fördert. Stuttgart: Hirzel; 2013

[4] European Food Safety Authority. EFSA erklärt Risikobewertung: Koffein (27.05.2015). Im Internet: www.efsa.europa.eu/de/corporate/pub/efsaexplainscaffeine150527.htm ; Stand:13.06.2019

[5] International Agency for Research on Cancer. IARC Monographs evaluate drinking coffee, maté, and very hot beverages (06.06.2016). Im Internet: www.iarc.fr/wp-content/uploads/2018/07/pr244_E.pdf Stand: 13.06.2019

[6] Byrne E.M. et al A genome-wide association study of caffeine-related sleep disturbance: confirmation of a role for a common variant in the adenosine receptor. Sleep 2012; 35 (07) 967-975