DermatologiePhytotherapeutische Behandlung bei Entzündungen der Haut

Entzündungen der Haut, der Schleimhaut und der Hautübergänge können durch Pflegemaßnahmen und pflanzliche Zubereitungen gelindert oder geheilt werden. Empfehlungen für die Hausarztpraxis.

Inhalt
Allergische Reaktion auf der Haut, die mit einer Salbe behandelt wird.
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Häufiger Patientenwunsch: Eine Therapie ohne Kortison.

Etwa 9 % aller Beratungsanlässe in der allgemeinmedizinischen Praxis erfolgen aufgrund von Hauterscheinungen [1]. Es sind sicherlich einige mehr, nimmt man die Schleimhautbeschwerden an Mund und Nase, an Darmausgang und Genitalien dazu. Diese Hautprobleme bereiten z. T. erhebliche Beschwerden. Etliche Patienten fragen explizit nach Behandlungsmöglichkeiten ohne Kortison und ohne Antibiotika.

An der Haut angewendete Phytotherapeutika sollen aus Arzt- und Patientensicht beruhigen, abschwellen und desinfizierend sowie Juckreiz stillend wirken. Dabei wird eine Wirksamkeit ohne schädliche Nebenwirkungen erwartet.

Sicherlich am häufigsten treten Pharyngitis und Rhinitis in der kalten Jahreszeit als Vorbote oder Teil einer Infektion der Atemwege auf. Übers gesamte Jahr wird in der Allgemeinpraxis häufig über Hautjucken mit und ohne Ekzem geklagt und – unabhängig davon – über Hämorrhoidalbeschwerden. Seltener kommen Aphthen und Entzündungen des Mundes, Lippen- oder Genitalherpes und Umläufe von Fingernägeln (Panaritien) vor. [Tab. 1] gibt eine Übersicht über diejenigen Befunde und Erkrankungen, die aus meiner Sicht einer phytotherapeutischen Behandlung zugänglich sind – dies schließt andere Therapiemöglichkeiten nicht aus.

Entzündungen von Mundschleimhaut und Lippen

In einer Dissertation aus Freiburg [2] von 2009 wurden Datenbanken auf präventive und therapeutische Wirksamkeit bekannter und weniger bekannter Arzneipflanzen hinsichtlich Entzündungen im Mundbereich (Stomatitis, aphthöse Stomatitis, Mukositis) untersucht. 31 von 46 eingeschlossenen Studien entsprachen den zuvor definierten Suchkriterien. Folgende Pflanzen bzw. pflanzliche Drogen wurden als wirksam befunden:

 Eupatorium laevigatum, eine Wasserdost-Art

  • Glycyrrhiza spec., Süßholzwurzel
  • Olivenblattextrakt
  • Propolis
  • Rindenextrakt der roten Mangrove
  •  Satureja khuzistanica, eine Bohnenkraut-Art
  •  Zataria multiflora
  • Zitrusöl

Für Aloe-vera-Gel und Kamillenblütenextrakt konnte in diesem Review keine Wirksamkeit nachgewiesen werden, auch Myrtus communis und Perillaöl überzeugten nicht.

Thymol und Carvacrol

Die in Deutschland wenig bekannte, in der o. g. Arbeit von Münch [2] aber als besonders wirkungsvoll herausgestellte Zataria multiflora ist ein Thymian-ähnlicher Halbstrauch, der im zentralen und südlichen Iran auf mageren Böden wächst. Öle oder Essenzen werden aus allen Pflanzenteilen hergestellt und z. B. bei Bestrahlungs- und Prothesenstomatitis eingesetzt, aber auch gegen Mykosen und Aphthen der Mundschleimhaut. In den ebenfalls als wirksam beschriebenen Arten Satureja montana und S. hortensis (Bohnenkraut), Verwandten von Thymian und Oregano, bewirken Thymol und Carvacrol, dass die Entzündungsmediatoren TNF-α, IL-1β und IL-6 heruntergeregelt werden.

Thymol und dessen Strukturisomer Carvacrol findet sich vor allem in südländischen Gewürzpflanzen, z. B. auch im Salbei. Es sind chemisch gut untersuchte Wirkstoffe mit desinfizierender, bakterizider und fungizider Wirkung (Hefen und Aspergillus). Thymol als phenolischer Stoff ist mit dem Desinfektionsmittel m-Cresol chemisch verwandt [Abb. 1].

Anwendung von Thymol

Thymol wird in der Tier- und Humanmedizin niedrig dosiert eingesetzt. Es ist u. a. in folgenden Mundtherapeutika auf dem deutschen Arzneimittelmarkt enthalten: Salviathymol, Dynexan Mundgel, Lidocain Kreussler, Parontal F5, Spenglersan Reiseset (alle ®). Fast immer wird Thymol in Kombination mit anderen Inhaltsstoffen eingesetzt [Tab. 2].

Fallbeispiel Chronisches Zahnfleischbluten

Wegen schmerzhaften Zahnputzens hat eine 30-jährige technische Zeichnerin die Zahnpflege zuletzt nur gelegentlich und sehr vorsichtig betrieben. Angefangen hätten diese Probleme in der letzten Schwangerschaft. Seitdem müsse sie auch Nifedipin gegen einen erhöhten Blutdruck einnehmen.

Bei der Inspektion der Mundhöhle finden sich leicht wulstige, gerötete Abschnitte der Gingiva, in einigen Bereichen mit beginnend freiliegenden Zahnhälsen. Auch Zahnbeläge sind erkennbar.

Der Patientin wird angeraten, den Mund 2–3 x tgl. mit Salbeitee oder besser mit verdünntem Desinfiziens (z. B. Salviathymol®) zu spülen. Die Zahnpflege muss mit einer weichen Bürste 2 x tgl. wieder aufgenommen werden, sodass die Beläge verschwinden. Die Zahnzwischenräume sollen mit Reinigungsseide gesäubert werden. Der Kalziumantagonist wird durch einen ACE-Hemmer ersetzt. Bereits nach einer Woche sistieren die Blutungen, das Zähneputzen ist weniger schmerzhaft. Die Mundspülungen werden nur noch 3 x je Woche empfohlen, damit die Mundflora sich wieder normalisiert. Nach 3 Wochen hat sich der Befund weitgehend zurückgebildet und die Symptome sind verschwunden.

Die häufigste Ursache für blutendes Zahnfleisch sind bakterielle lokale Entzündungsvorgänge durch Plaquebildung auf den Zähnen. In diesem Fall war die Schwangerschaft für die Blutungen auslösend und der Kalziumantagonist Nifedipin verstärkend wirksam.

Rosmarinsäure

Zu den Phenolderivaten gehört auch die Rosmarinsäure. Sie findet sich in zahlreichen Gewürzpflanzen wie Borretsch, Majoran, Rosmarin, Salbei, Thymian und Zitronenmelisse sowie in Beinwell. Auch sie vereint antibakterielle, fungizide und antivirale Eigenschaften bei zusätzlich gerbender Wirkung. Anwendung findet sie z. B. in Lomaherpan® gegen Herpes labialis und in Traumaplant®, einer Beinwell-Zubereitung gegen Prellungen, Schwellungen und aktivierte Arthrosen.

Fallbeispiel Totalendoprothese (TEP)

Eine 75-Jährige hat sich nach längeren Bedenken zu einer TEP des rechten Knies entschlossen. Nach Operation und Rehabilitationstherapie erscheint sie unzufrieden und mit langsamem Schongang in der Arztpraxis. Es zeigt sich, dass die noch frischen OP-Narben reizlos aussehen, es gibt keinen Gelenkerguss, Streckung und Beugung sind mit 5–100° wie zu erwarten. Das Knie ist jedoch geschwollen und überwärmt. Mehrere Hautstellen sind druck-schmerzhaft.

Die Patientin soll zweimal tgl. kühlende Umschläge mit Beinwell-Extrakt (z. B. Traumaplant®) messerrückendick auftragen. Das Knie soll nur dosiert belastet und möglichst nicht in kompletter Streckung gelagert werden. Isometrische Muskel-Anspannungsübungen werden gezeigt, ein Rezept für Wassergymnastik in der Gruppe wird ausgestellt.

Die Heilung bis zur vollen Funktionsfähigkeit einer Knie-TEP benötigt oft mehr als ein halbes Jahr. Schonung, antiphlogistische Maßnahmen (z. B. Kühlung) und dosiertes Training führen häufig (aber in bis zu 20 % der Fälle nicht) zum gewünschten Erfolg eines beschwerdefreien Kniegelenks.

Eine Arbeitsgruppe der Österreichischen Gesellschaft für Phytotherapie (ÖGPhyt) beschrieb 2015 eine ganze Reihe von Mundspülungs- und Mund-Gel-Rezepturen [3], etliche mit einer Kombination aus Kamille und gerbstoffhaltigen Pflanzen (s. u.). Zum Betupfen einzelner Stellen im Mund oder zum Spülen (15 Tr. auf 15 ml Wasser) empfiehlt die ÖGPhyt z. B. folgende Rezeptur ([Info]). Die Haltbarkeit beträgt ca. 6 Monate ohne Konservierung. In der Datenbank PubMed fanden sich zum Suchbegriff Chamomilla 20 klinische Studien, davon zwei zur Mundschleimhautentzündung mit favorisierenden Ergebnissen.

Rezeptur Adstringens

Bei leichten Entzündungen und Druckstellen der Mund- und Rachenschleimhaut nach [3]:

  • Myrrhentinktur 5,0
  • Salbeitinktur 10,0
  • Kamillentinktur ad 30,0

Entzündungen der Übergänge von Haut zu Schleimhaut

Im enoralen Lippenbereich, im Bereich der Genitalien und des Darmausgangs wie auch an den Brustwarzen hat die Haut infolge vieler Drüsen v. a. sezernierende Eigenschaften. Sie besitzt hier i. d. R. keine Hornschicht, bietet also weniger mechanischen Widerstand und kann Wirkstoffe schneller aufnehmen als die Haut der Körperoberfläche. Entzündete Übergangshaut und Schleimhaut reagieren positiv auf pflanzliche Gerbstoff-Extrakte wie Schwarz- oder Grüntee, Ratanhia-Wurzel und Eichenrinden-, Myrrhen- oder Hamamelis-Extrakte. Diesen Extrakten gemein ist der Inhaltsstoff Tannin.

Tannine

Tannine und – davon chemisch abgeleitet – Gallussäuren und Proanthocyanidine aus Catechinen wirken

  • adstringierend
  • antioxidativ
  • antiinflammatorisch
  • lokal hämostyptisch
  • antiviral

Tannin, das auch synthetisch hergestellt wird, ist gut wasserlöslich und nicht toxisch bei äußerer und innerer Anwendung. Es führt zur Fällung und Vernetzung von Eiweißen und begünstigt das Austrocknen und die Resistenz gegenüber Bakterien. Es wird deshalb auch oral bei Diarrhoen eingesetzt [4].

Aus dem Wasserdampfdestillat von Blättern und Rinden der Zaubernuss (Hamamelis virginiana) werden wässrige Tinkturen, Cremes, Salben und Suppositorien hergestellt. Nahezu alle Hämorrhoidenmittel enthalten Hamamelis-Extrakte, z. B. Faktu lind, Haenal fact, Hametum, Posterine (alle ®). Hamamelis unterstützt die lokale Hautpflege und kann kleinere Reizungen, Entzündungen und Blutungen heilen [5].

In Deutschland gibt es jedes Jahr etwa 3,5 Mio. Fälle, die als „Hämorrhoidalleiden“ behandelt werden. Es wird geschätzt, dass pro Jahr etwa 1 % der Bevölkerung in den Industrienationen deswegen den Arzt aufsucht. Darüber hinaus gibt es einen kaum zu erfassenden hohen Anteil an Selbstdiagnosen und -behandlungen [6].

Fallbeispiel Darmbluten

Ein 80 Jahre alter Senior klagt in der Sprechstunde über länger anhaltendes Afterjucken und gelegentliche Blutungen aus dem Darm anlässlich des Stuhlgangs. Er benutzt seit längerer Zeit eine Hamamelis-haltige Salbe (z. B. Faktu lind®), gelegentlich auch Hamamelis-Suppositorien, die seine Beschwerden lindern. Bei der Untersuchung sieht man ein gerötetes Anoderm, einige Marisken und beim Pressversuch Hämorrhoiden 2°. Herr H. bittet darum, dass keine digitale Tastuntersuchung stattfindet, stimmt aber einer Proktoskopie zu. Fünf Wochen später erreicht Sie als Hausarzt ein Befund, dass bei Herrn H. ein Rektum-Karzinom mit der Klassifikation Duke 2 (U ICC IIb) festgestellt wurde.

Gerbstoffhaltige Salben beruhigen und pflegen die anale Übergangshaut. Gegen hämorrhoidale Gefäßveränderungen und gegen Neubildungen im Enddarm sind sie unwirksam.

Auch Gerbstoffe aus Teeblättern finden innere und äußere Anwendungen. Grüner Tee enthält die zehnfache Menge von Catechinen gegenüber fermentiertem Schwarztee; diese zeigen multiple gesundheitliche Wirkungen [7]. Befeuchtete Schwarzteeblätter eignen sich zur lokalen Behandlung von wunden Brustwarzen stillender Mütter. Eichenrindenbäder (Info) dienten früher zur Behandlung einer Windeldermatitis.

Rezeptur Anwendung eines Eichenrindenbades

Je 4 Esslöffel Eichenrinde, Kamillenblüten und Schachtelhalm-Kraut (Equisetum arvense) in 1 l siedendem Wasser 10 min. ziehen lassen. Nach dem Abseihen dem Badewasser zugießen.

(Gemäß Bundesanzeiger Nr. 90 vom 14.05.1992)

Entzündliche Hautkrankheiten

Akute Entzündungen, wie etwa ein Panaritium erfordern umgehende Maßnahmen, um einer Sepsis bzw. dem drohenden Verlust von Gliedmaßen vorzubeugen.

Zu Beginn können externe Maßnahmen die Entzündung ggf. noch stoppen – schon im mittleren Stadium (II) ist dies auch einem lokalen Antiseptikum zusammen mit einem internen Antibiotikum meist nicht mehr möglich. Das dritte Stadium gehört ausschließlich dem Chirurgen.

Nur im ersten Stadium kann z. B. Teebaumöl zur Anwendung kommen. Das Terpengemisch, das aus dem in Australien beheimateten Melaleucabaum destilliert wird, ist in einem breitem Indikationsgebiet von Gingivitis, Akne und anderen pyogenen Hautentzündungen, HIV-assoziierten Candidosen bis zur Tinea pedis und Onychomykose als antientzündlich wirksam getestet [8]. Problematisch bleiben zwei Faktoren:

Das angewendete, mind. 30 %ige Öl lässt sich kaum konservieren und oxidiert entsprechend schnell.

Außerdem allergisiert das Öl mindestens 3 % der Behandelten. Die Quote nimmt mit der Behandlungsdauer zu [9].

Stabiler und weniger problematisch sind die Terpene aus der Lärche und dem Eukalyptusbaum. Sie sind Hauptbestandteil z. B. der Wala® Resina Laricis Bademilch wie auch der Ilon® Salbe classic. Diese ist in Deutschland zur Behandlung leichter, lokal begrenzter eitriger Entzündungen der Haut zugelassen, beginnendes Stadium des Panaritiums.

In einer wässrigen Zubereitung sind die genannten antiseptischen Pflanzeninhaltsstoffe Thymol, Rosmarinöl sowie Arnikatinktur enthalten, wässriges Aluminiumkaliumsulfat dient als Gerbstoff und Stabilisator. Das so konfektionierte Produkt Retterspitz® Äußerlich nimmt für sich in Anspruch, antiphlogistisch bei postoperativer Wundheilung und bei Sportverletzungen, bei aktivierter Arthrose, bei Milchstau und Mastitis zu wirken. Auch Fieber ist eine Indikation (Anwendungshinweise des Herstellers). Vermutlich verursacht die flüssigkeitsvermittelte Kühlung einen wesentlichen Teil der antientzündlichen Effekte – lokale Wickel werden in der Packungsbeilage detailliert beschrieben.

Fallbeispiel Milchstau

Eine 28-jährige stillende Mutter klagt ihrer Hebamme gegenüber, dass ihre linke Brust an einer Stelle schmerze und dort auch die Haut gerötet sei. Die Hebamme lässt die Brust zunächst wärmen und von der Milch entlasten. Nach jedem Stillen / Abpumpen wird der Busen hochgebunden und nun gekühlt. Dabei kann z. B. Retterspitz® Äußerlich verwendet werden. Nach 12 Stunden ist der Milchstau gebessert, eine Brustentzündung wurde vermieden.

Atopische Dermatitis

Unter den chronischen Hauterkrankungen hat die atopische Dermatitis in der pädiatrischen und der allgemeinmedizinischen Praxis eine größere Bedeutung. Es handelt sich um ein recht komplexes und nicht gänzlich verstandenes immunologisches Geschehen mit einem Immunglobulin-E-vermittelten (atopischen) Anteil. Eine lokale Salbenbehandlung mit Kortikosteroiden verläuft stets erfolgreich, ist aber wegen der z. T. großen Hautareale und entsprechender Nebenwirkungen nicht dauerhaft indiziert.

Pflanzliche Auszüge in dermatologischen Salben haben es z. T. schwer, sich im Arzneimittelmarkt zu behaupten. Durch die Ergänzung der Apothekenbetriebsordnung (ApBtrO) 2017 [10] sind die Qualitätsanforderungen für die apothekengestützte Anfertigung von Salbenrezepturen angehoben worden. Es gibt fließende Übergänge von den Phytotherapeutika zu den Naturkosmetika, letztere sind in der Regel jedoch nicht durch wissenschaftliche Studien evaluiert. In einem Review [11] zur Therapie der atopischen Dermatitis bewerten die Autoren die vorliegende Evidenz zur Wirksamkeit von Heilpflanzen-Extrakten positiv für die externe Anwendung von Hyperforin-haltigem Johanniskraut-Extrakt, Süßholzwurzel-Extrakt, eine mit Vitamin B12 angereicherte Avocadoöl-Zubereitung und Birkenbast (s. u. ) sowie die innere Anwendung von Zistrosenblätter- und Oolong-Tee. Fragliche oder geringe Effekte ergaben die klinischen Untersuchungen mit Ballonrebenkraut (Cardiospermum halicacabum), Mahonienrinde (Mahonia aquifolium), Korianderfrüchten (Coriandrum sativum) und Nachtkerzenöl (Oenothera biennis). Keine positiven Belege fanden sie in dieser Indikation für Hamamelisrinde, Ringelblume, Bittersüßstängel und Kamillenblüten.

Birkenbast

Die Suche nach gangbaren therapeutischen Wegen führte zu in den letzten Jahren vielbeachteten klinischen Untersuchungen mit Birkenbast. Es ist schon länger bekannt, dass bei akuter atopischer Dermatitis rindentypische Gerbstoffe zur Beruhigung der Haut beitragen, etwa in Tannosynth® Creme. Da die europäische Neuzulassung eines Phytopharmakons wegen der hohen Auflagen heutzutage eine große Ausnahme ist, sollen Genese, Wirksamkeit und wissenschaftliche Erkenntnisse über Birkenrindenextrakt hier abschließend skizziert werden:

Birkenrinde enthält im weißen Korkgewebe (Birkenbast) durchschnittlich 22 % Betulin, den wirksamkeitsbestimmenden Stoff neben Betulinsäure und Lupeol. Mit Hilfe eines besonderen Verfahrens kann die Birkenrinde hochgereinigt aus der industriellen Holzverwertung dargestellt werden. Der pudrig vermahlene Birkenbast emulgiert Wasser und Öl in nahezu beliebiger Mischung und hält diesen Zustand aufrecht, ohne dass stabilisierende Hilfsstoffe oder Konservierungsmittel erforderlich sind. Oleogele eignen sich sowohl für die Hautpflege als auch für die Verwendung auf entzündlichen Hautveränderungen und Wunden.

Die Wirkung wurde bis zur molekularen Ebene aufgeklärt und eine zentrale europäische Zulassung als Arzneimittel mit Qualitäts-, Unbedenklichkeits- und Wirksamkeitsnachweis im Januar 2016 erreicht. Die Wirkstoffe sind im Arzneimittel Episalvan® (derzeit nicht produziert) und in der Kosmetikserie Imlan® enthalten [12].

Von 111 behandelten Patienten beurteilten 60 % die Behandlungsergebnisse als sehr gut bis gut bei atopischer Dermatitis und anderen Ekzemen, 66 % bei Erosionen / Ulcerationen und Verbrennungen und 89 % bei intertriginöser Dermatitis [13]. Eine günstige Wirkung auf die subakute atopische Dermatitis wurde bereits 2001 dokumentiert [14]. Wundheilungsfördernde Eigenschaften wurden in vitro und in vivo (mittels Spalthautentnahmen) überzeugend belegt [15], [16]. Nach intraperitonealer und subkutaner Gabe im Tiermodell konnte keine akute oder chronische Toxizität festgestellt werden [17].

Fazit

Pflanzliche Sekundärstoffe, Terpene, Gerbstoffe und ätherische Öle sind antiphlogistisch und antiinfektiv wirksam, jedoch in der Regel Glukokortikoiden bzw. einer gezielten Antibiotikatherapie unterlegen. Die wirksamsten Substanzen wie Thymol und Terpene aus dem Teebaum sind nicht frei von Nebenwirkungen. Viele kleine entzündliche Körpersignale der Haut, der Schleimhaut und der Hautübergänge können durch Pflegemaßnahmen und durch pflanzliche Zubereitungen gelindert oder geheilt werden. Als Ärztin und als Arzt achtet man dabei auch auf mögliche systemische oder maligne Zeichen, zumal chronische Entzündungen unseren körperlichen Alterungsprozess beschleunigen.

Bei den vorgestellten Arzneimitteln handelt es sich häufig um konfektionierte Präparate mit einer Reihe von Inhaltsstoffen, selten um ein Medikament im Sinne des Arzneimittelgesetzes. Es ist zu hoffen, dass diese Arzneimittel den (Haus-)Ärzten auch zukünftig zur Verfügung stehen werden und eine Weiterentwicklung und Aufwertung zum verordnungsfähigen Medikament erfahren.

Prof. Dr. med. Detmar Jobst
Facharzt für Allgemeinmedizin, Naturheilverfahren

Interessenkonflikt: Zu keinem der Hersteller der genannten Produkte besteht ein berufliches, beratendes oder sonstiges finanzielles Verhältnis.

  1. Kühlein T, Laux G, Gutscher A. et al. Kontinuierliche Morbiditätsregistrierung in der Hausarztpraxis. CONTENT. München: Urban und Vogel; 2008
  2. Münch EM. Prävention und Behandlungsmöglichkeiten der Stomatitis mit Phytotherapie – eine systematische Übersichtsarbeit [Dissertation]. Universität Freiburg: 2010
  3. Österreichische Gesellschaft für Phytotherapie. Kommentar Mundzubereitungen; 2015 . http: / /www.phytotherapie.at/Mundzubereitungen.final_letterhead.pdf ; Zugriff 24.02.19
  4. Chung KT, Wong TY, Wei CI. et al. Tannins and human health: a review. Crit Rev Food Sci Nutr 1998; 38: 421-464
  5. European Medicines Agency. Community Herbal Monograph on Hamamelis virginiana L., folium. EMA / HMPC / 114586 / 2008. London: EMA; 2010
  6. https: / /de.wikipedia.org/wiki/Hämorrhoiden ; Zugriff 26.07.2018
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  8. Bedi MK, Shenefelt PD. Herbal therapy in dermatology. Arch Dermatol 2001; 138: 232-242
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  10. https: / /www.gesetze-im-internet.de/apobetro_1987/ApBetrO.pdf ; Zugriff 24.02.2019
  11. Reuter J, Wölfle U, Weckesser S, Schempp C. Welche Pflanze für welche Hauterkrankung? Teil 1: Atopische Dermatitis, Psoriasis, Akne, Kondylome und Herpes simplex. JDDG 2010; 8: 788-796 . doi: 10.1111/j.1610-0387.2010.07496.x
  12. Wortlaut Innovationspreis Baden-Württemberg 2016 . https: / /www.innovationspreis-bw.de/index.php?page = auszeichnungen&jahr = 2016 ; Zugriff 24.02.2019
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