HeilpflanzenporträtGewöhnlicher Andorn: expektorierend, antiphlogistisch und spasmolytisch

Marrubium vulgare, der Gewöhnliche Andorn, ist eine Heilpflanze mit langer Tradition. Geschätzt werden vor allem seine schleimlösenden, antientzündlichen und krampflösenden Eigenschaften.

Andorn, Marrubium
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Marrubium vulgare - Gewöhnlicher Andorn.

Andorn (Marrubium) ist eine Gattung innerhalb der Familie der Lippenblütler, die rund 50 Arten umfasst. In Europa sind etwa ein Dutzend Arten heimisch. Arzneiliche Verwendung findet allerdings nur der Gewöhnliche Andorn (Marrubium vulgare). Die ausdauernde, krautige Pflanze besitzt aufrechte, unverzweigte Stängel, die 30–80 cm Höhe erreichen können. Die Blätter sind rund bis herzförmig und unregelmäßig gezähnt. Charakteristisch sind das tief eingesenkte Nervennetz und die filzige Behaarung der Blattunterseite. Die kleinen, weißen Blüten stehen in kugeligen Scheinquirlen in den Blattachseln. Auswilderungen aus früheren Züchtungen sind regional noch zu finden, nicht selten aber – etwa in der Steiermark – stark bedroht [4][5].

Geschichte

Von der Antike bis weit in die Neuzeit hinein zählte der Andorn zu den wichtigsten Arzneipflanzen in Europa. Die heute anerkannten Indikationen finden sich bereits in Quellen des 1. nachchristlichen Jahrhunderts wie Celsus, Dioskurides und Plinius. Beliebt war die Pflanze damals auch bei diversen Frauenleiden, Ohrenschmerzen, Wunden und nicht zuletzt bei Vergiftungen.

Der Andorn wurde früher „Weißer Andorn“ genannt, als „Schwarzer Andorn“ wurde hingegen die heutige Schwarznessel (Ballota nigra) bezeichnet [6].

Droge und Inhaltsstoffe

Der Ausschuss für pflanzliche Arzneimittel (HMPC) der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) hat eine Monografie zu Andornkraut veröffentlicht, ebenso die European Scientific Cooperative on Phytotherapy (ESCOP).

Die Qualität der Droge (Marrubii herba) ist im Europäischen Arzneibuch (Ph. Eur.) beschrieben. Die Droge des Handels enthält mindestens 0,7 % des Diterpen-Bitterstoffes Marrubiin. Wirksamkeitsmitbestimmende Inhaltsstoffe sind außerdem Phenylethanoidderivate (ca. 5 %), darunter Acteosid sowie Lamiaceen-Gerbstoffe (bis zu 7 %). Für einen Lippenblütler enthält Andornkraut untypisch wenig ätherisches Öl (ca. 0,06 %, vorwiegend Monoterpene) [7][8].

Verfälschungen der Droge mit anderen Andorn-Arten, der Schwarznessel sowie einigen weiteren Pflanzen sind bekannt, jedoch selten [1][8].

Wirkung

Das Andornkraut wirkt

  • schleimlösend bei festsitzendem Schleim,
  • antientzündlich,
  • krampflösend und
  • fördert die Ausscheidung der Lebergalle.

Durch die Bitterstoffe wird die Magensaftsekretion angeregt und das darmassoziierte Immunsystem moduliert [9]. Zudem gibt es aus experimentellen Studien Hinweise auf eine Verringerung der Sensitivität gegenüber Schmerzreizen (antinozizeptive Wirkung) [7]. Im Tierversuch hat sich Marrubiin gegenüber etablierten Analgetika wie ASS, Diclofenac und Paracetamol als wirksamer erwiesen [1].

Ebenso kann aufgrund der Inhaltsstoffe eine leicht blutdrucksenkende (durch das Acteosid) und gefäßerweiternde Wirkung (durch das ätherische Öl) vermutet werden [10].

Indikationen

Die HMPC-Monografie nennt für Andornkraut drei Indikationen. Neben dem Einsatz als Expektorans bei erkältungsbedingtem Husten werden auch leichte dyspeptische Beschwerden wie Blähungen und Flatulenz als Anwendungsgebiete aufgeführt. Zudem ist die Verwendung bei temporär auftretender Appetitlosigkeit anerkannt [2].

In der Atemwegstherapie spielt Andorn heute eine nur sehr untergeordnete Rolle. Dabei kann die allgemein tonisierende Wirkung der Bitterstoffe gerade dann genutzt werden, wenn neben der spezifischen Therapie auch eine roborierende Wirkung erwünscht ist [9].

Kontraindikationen

Aufgrund mangelnder Erkenntnisse kann die Anwendung von Andornkraut bei Kindern und Jugendlichen unter 12 Jahren sowie während der Schwangerschaft und Stillzeit nicht empfohlen werden [1][3]. Bei hoher Dosierung könnte Andorn Herz und Uterus stimulieren [10].

Als Kontraindikationen gelten bestehende Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüre. Vorsicht geboten ist bei Gallensteinen und sonstigen Gallenbeschwerden. Interaktionen mit anderen Arzneistoffen sind nicht bekannt.

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[1] HMPC. Assessment report on Marrubium vulgare L., herba. EMA/HMPC/604273/2012, Juli 2013

[2] HMPC. Community herbal monograph on Marrubium vulgare L., herba. EMA/HMPC/604271/2012, Juli 2013

[3] HMPC. White horehound – Summary for the public. EMA/HMPC/446032/2013, August 2013

[4] Maurer W. Flora der Steiermark. Band II/1. Eching: IHW-Verlag; 1998: 63

[5] Mayer JG, Uehleke B, Saum K. Handbuch der Klosterheilkunde. 11. Aufl. München: Zabert Sandmann; 2007: 42-43

[6] Niedenthal T, Mayer JG. „Der weisse Andorn ist zur Lungesucht gar gut“: Historische Bemerkungen zur Arzneipflanze des Jahres 2018. Zeitschrift für Phytotherapie 2017; 38: 253-257

[7] Schilcher H. Hrsg Leitfaden Phytotherapie. 5. Aufl. München: Urban & Fischer; 201652-53

[8] Wichtl M. Hrsg Teedrogen und Phytopharmaka. 5. Aufl. Stuttgart: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft; 2009: 415-416

[9] Wiesenauer M. PhytoPraxis. 6. Aufl. Berlin, Heidelberg: Springer; 2016: 112-113

[10] van Wyk BE, Wink C, Wink M. Handbuch der Arzneipflanzen. 3. Aufl. Stuttgart: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft; 2015: 217

Tobias Niedenthal ist Mitglied der Forschergruppe Klostermedizin, Würzburg.
www.klostermedizin.de

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