PharmakologieWechselwirkungen von Vitamin E mit Arzneistoffen

Über ein Viertel der Bevölkerung in Deutschland nimmt regelmäßig Nahrungsergänzungsmittel ein. Welche möglichen Wechselwirkungen von Vitamin E mit Arzneistoffen gibt es?

Frau hält Nahrungsergänzungsmittel in der Hand und in der andern ein Glas  mit Wasser.
dragonstock/stock.adobe.com

Auch bei Supplementen ist kritisch zu untersuchen, ob sie ggf. die Wirkung von Arzneimitteln abschwächen oder verstärken.

von Jan Frank, Maren C. Podszun

Inhalt

Wechselwirkungen zwischen Nahrungsbestandteilen und Arzneistoffen

Pharmakokinetische Interaktionen von Arzneistoffen mit Vitamin E

Pharmakodynamische Interaktionen von Arzneistoffen mit Vitamin E

Schlussfolgerung

Wechselwirkungen zwischen Nahrungsbestandteilen und Arzneistoffen

Mit unserer täglichen Nahrung nehmen wir nicht nur energieliefernde Makromoleküle auf, sondern auch Tausende weiterer Bestandteile wie Vitamine, Mineralien und sekundäre Pflanzenstoffe. Einige dieser Stoffe können zu Veränderungen im Metabolismus von Arzneistoffen bzw. ihrer Wirkung führen. Solche Interaktionen sind teils schon bei Mengen möglich, die mit der Nahrung zugeführt werden. So können zum Beispiel die in einem Glas Grapefruitsaft enthaltenen Furanocumarine die Bioverfügbarkeit des Blutdrucksenkers Felodipin drastisch erhöhen [3]. Häufiger treten Interaktionen mit Arzneistoffen jedoch bei hochdosierter Einnahme einzelner (Nähr-)Stoffe auf.

Nährstoff-Arzneistoff-Interaktionen lassen sich unterteilen in:

  • pharmakokinetische Wechselwirkungen und
  • pharmakodynamische Wechselwirkungen.

Von einer pharmakokinetischen Nährstoff-Arzneistoff-Wechselwirkung spricht man, wenn ein Nährstoff die Aufnahme, den Stoffwechsel oder die Ausscheidung eines gleichzeitig verabreichten Arzneistoffs erhöht oder verringert. Dies kann, wenn die Konzentration des aktiven Wirkstoffs im Organismus stark erhöht wird, vor allem bei Medikamenten mit engem therapeutischem Fenster zu verstärkten Nebenwirkungen führen. Das bekannteste Beispiel für diese Art von Interaktion ist die bereits genannte Wechselwirkung zwischen Grapefruit (-saft) und blutdrucksenkenden Arzneistoffen. Bestandteile unserer Nahrung können aber auch zu einer verringerten Bioverfügbarkeit und/oder beschleunigtem Abbau von Arzneistoffen führen. Dies führt zu geringeren Konzentrationen des Stoffs an seinem Wirkort und so zu verringerter Wirksamkeit. Das bekannteste Beispiel hierfür ist Johanniskraut, welches bei regelmäßiger Einnahme die Bioverfügbarkeit des Herzmedikamentes Digoxin stark verringert [4].

Eine pharmakodynamische Nährstoff-Arzneistoff-Wechselwirkung beeinflusst direkt die Zielstruktur des Arzneistoffs (z. B. ein Enzym, zellulärer Rezeptor, Transkriptionsfaktor usw.), einen erforderlichen Kofaktor oder einen anderen Teil des Wirkmechanismus. Ein Beispiel für eine solche Wechselwirkung ist die verminderte Wirkung des gerinnungshemmenden Arzneistoffs Warfarin durch hohe Dosen Vitamin K. Warfarin hemmt die Vitamin-K-Epoxidase, ein Enzym, das für das Recycling von Vitamin K und die Reifung von Vitamin-K-abhängigen Gerinnungsfaktoren in der Leber erforderlich ist [5]. Durch eine Erhöhung der Vitamin-K-Zufuhr, zum Beispiel durch eine drastische Veränderung der Ernährungsgewohnheiten, kann die gerinnungshemmende Wirkung von Warfarin beeinträchtigt werden.

In dieser Arbeit zu möglichen Nährstoff-Arzneistoff-Wechselwirkungen von Vitamin E liegt der Fokus auf den wichtigsten pharmakokinetischen und pharmakodynamischen Interaktionen, die für Vitamin E bekannt sind. Weiterführende Informationen zum Thema in englischer Sprache finden sich in vorherigen Arbeiten der Autoren [6] [7].

Pharmakokinetische Interaktionen von Arzneistoffen mit Vitamin E

Zwei wesentliche Hürden, die oral zugeführte Stoffe nehmen müssen, um in die Blutbahn zu gelangen, sind die Resorption im Darm sowie die Passage durch die Leber. Substanzen können sowohl im Darm als auch in der Leber durch Enzyme des Fremdstoffmetabolismus verstoffwechselt und in Metabolite umgewandelt werden, sodass von der aufgenommenen Substanz nichts oder nur sehr kleine Mengen im Blut nachweisbar sind. Dieses Phänomen wird auch als First-Pass-Effekt bezeichnet.

Merke

Pharmakokinetische Interaktionen zwischen Arzneistoffen und Nahrungsbestandteilen werden meist durch veränderte Expression bzw. Aktivität von Enzymen und Transportern des Fremdstoffmetabolismus verursacht.

Der Fremdstoffmetabolismus ist für die Elimination und Ausscheidung von vor allem lipophilen Substanzen essenziell; man unterteilt ihn vereinfacht in Phase I und Phase II.

Phase-I-Enzyme führen eine funktionelle Gruppe ein, z. B. eine Hydroxylgruppe, und machen das Xenobiotikum (Fremdstoff) reaktiver für den nächsten Schritt.

Phase-II-Enzyme nutzen diese reaktiven Gruppen als Andockstelle für hydrophile Gruppen, wie beispielsweise Glucuronsäure, Sulfat oder Glutathion, die sie auf den Fremdstoff übertragen. Die so biotransformierten Metabolite werden dann aktiv (unter ATP-Verbrauch) durch Effluxtransporter (z. B. P-Glykoprotein) in der Zellmembran aus der Zelle hinaus transportiert und so aus intestinalen Zellen zurück ins Darmlumen oder aus Leberzellen in die Galle sezerniert und erreichen so wieder den Darm, von wo sie mit dem Kot ausgeschieden werden [8].

Merke

Die quantitativ wichtigste Gruppe der Phase-I-Enzyme ist die der Cytochrom-P450-Monooxygenasen (CYP), und wichtige Phase-II-Enzyme sind die UDP-Glucuronosyltransferasen (UGT).

Unter den Phase-I-Enzymen sticht CYP3A4 heraus, da es für den Metabolismus von ca. 50% aller verschreibungspflichtigen Arzneistoffe verantwortlich ist [9]. CYP3A4 wird u. a. im Dünndarm und der Leber exprimiert und verringert die Bioverfügbarkeit seiner Substrate durch Metabolisierung. Die eingangs erwähnte Interaktion zwischen Grapefruitsaft und Arzneistoffen basiert auf einer irreversiblen Hemmung der intestinalen CYP3A4 durch Furanocumarine. Aufgrund seiner prominenten Rolle im Stoffwechsel von Arzneistoffen haben sich die meisten Studien zu möglichen Interaktionen mit Vitamin E auf dieses Phase-I-Enzym konzentriert. Es wurden aber auch Interaktionen von Vitamin E mit dem Membrantransporter P-Glykoprotein (P-gp, auch bekannt als MDR1 oder ABCB1) untersucht, der auf der apikalen Oberfläche von Zellen exprimiert wird (v. a. in Dünndarm und Leber) [10]. Eine hohe Aktivität von P-gp in Enterozyten reduziert die Bioverfügbarkeit seiner Substrate, die direkt nach Aufnahme (und möglicherweise Biotransformation) zurück in das intestinale Lumen gepumpt werden.

Im Nachfolgenden fassen wir die präklinischen und klinischen Daten zum Einfluss von Vitamin E auf die Expression und Aktivität von CYP3A4 und P-gp zusammen.

Einfluss auf CYP3A4 und P-gp

In Zellkulturstudien hat man den Einfluss aller Tocopherole und Tocotrienole auf die Expression und Aktivität von P-gp in der intestinalen Zelllinie LS180 und in primären Hepatozyten untersucht. Alle 4 Tocotrienole, vor allem γ-Tocotrienol (γT3), nicht aber Tocopherole induzierten die mRNA- und Protein-Expression sowie die Aktivität von P-gp in Darmzellen [11] [12] [13]. Interessanterweise steigerte auch ein langkettiger Metabolit von α-Tocopherol, α-13‘-Carboxychromanol (α-13‘-COOH), die Protein-Expression und Aktivität von P-gp in LS180 Zellen [13]. In primären Hepatozyten hatten weder Tocopherole noch Tocotrienole einen Einfluss auf die Expression von P-gp [11]. In Mäusen, die über einen Zeitraum von 4 Monaten mit einer sehr hohen Dosis von 1000 mg α-Tocopherol (αT) pro kg Futter gefüttert wurden, kam es zu einer erhöhten P-gp mRNA-Expression [14]. Da die Konzentration des metabolischen Endproduktes von αT, nämlich α-Carboxyethyl-Hydroxychromanol (αCEHC), in der Leber um ein Vielfaches erhöht war [14], könnte dieser Effekt möglicherweise indirekt über den langkettigen Intermediaten α-13‘-COOH vermittelt sein.

Das Glykosid Digoxin gehört zu den ältesten Arzneistoffen in der Kardiologie. Es ist ein Substrat für P-gp und somit ein guter Biomarker für die Aktivität des Transporters. Die tägliche Supplementierung mit 400 I.E. α-Tocopherylacetat für 2 Wochen hatte keinen Einfluss auf die Pharmakokinetik von Digoxin, die des wasserlöslichen, synthetischen D-α-Tocopheryl-polyethylenglycol-1000-succinat (TPGS) hingegen führte zu einer Erhöhung der Bioverfügbarkeit von Digoxin [15]. TPGS wird daher auch in der Krebstherapie als Adjuvans erforscht, um die Wirksamkeit von Chemotherapeutika zu steigern [16].

Auch der Effekt der Tocopherole und Tocotrienole auf die CYP3A4-Expression wurde in der Zellkultur untersucht. Hier zeigte sich, ähnlich wie bei P-gp, ein zelltypspezifischer Effekt. Während weder Tocotrienole noch Tocopherole einen Effekt auf die mRNA-Expression von CYP3A4 in LS180-Zellen hatten, erhöhten Tocotrienole, nicht aber Tocopherole, die mRNA-Expression in primären Hepatozyten und der Leber-Zelllinie HepG2 [11] [17]. Im Einklang mit den In-vitro-Daten zeigte sich im Tiermodell (Maus und Meerschweinchen) keine Veränderung der hepatischen Expression der entsprechenden Nager-Homologe des humanen CYP3A4 bei Supplementation mit αT ([Tab. 1]) [18] [19]. Erst bei supraphysiologischen Dosen (1000 mg/kg Futter) stieg im Mausmodell die mRNA-Expression des CYP3A4-Homologs cyp3a11 signifikant an [14].

In einer placebokontrollierten Humanstudie (im Parallelgruppendesign) zeigte die tägliche Gabe von 400 I.E. αT-Acetat für 8 Wochen keinen Einfluss auf die CYP3A4-Aktivität in Patienten, die Statine erhielten, und die cholesterolsenkende Wirkung der Statine war unter Vitamin-E-Supplementation nicht verändert [20]. Das Fehlen einer pharmakokinetischen Interaktion mit CYP3A4-Substraten wurde auch in einer weiteren Studie mit gesunden Probanden und einer höheren Vitamin-E-Dosis (750 I.E. RRR-αT am Tag; 8 Wochen) bestätigt [21]. Nach einer Nierentransplantation hingegen zeigten sich in Patienten unter immunsuppressiver Therapie mit Cyclosporin A nach 6-monatiger Supplementation mit Vitamin E (400 I.E. am Tag) und Vitamin C (500 mg am Tag) sowie 3-monatiger Supplementation mit Vitamin E (300 I.E. am Tag) und Vitamin C (1000 mg am Tag) [22] [23] verringerte Plasmaspiegel des CYP3A4-Substrats Cyclosporin A [24]. Ob diese Wirkung auf Vitamin E, Vitamin C oder die Kombination beider Vitamine zurückzuführen ist, ließ sich durch diese Studien nicht abschließend klären.

Einen Hinweis darauf, dass Vitamin E verantwortlich sein könnte, liefert eine Studie mit gesunden Probanden, bei der eine um 21% geringere Bioverfügbarkeit von Cyclosporin A nach 6-wöchiger Einnahme von täglich 800 mg Vitamin E im Vergleich zur Bioverfügbarkeit vor der Intervention beobachtet wurde [25]. Eine Limitation dieser Studie ist allerdings das Fehlen einer Kontrollgruppe, weshalb Zeiteffekte als Ursache nicht ausgeschlossen werden können. Daher ist bis heute ungeklärt, ob und gegebenenfalls warum Vitamin E keinen Einfluss auf den Metabolismus von Statinen und anderen CYP3A4-Substraten, wohl aber auf die Pharmakokinetik von Cyclosporin A hat. Letzteres wird auch über weitere CYP-Enzyme verstoffwechselt und ist ein Substrat für P-gp. Somit könnte eine durch Vitamin E induzierte erhöhte Expression und Aktivität von P-gp [13] theoretisch für verringerte Cyclosporin-A-Plasmaspiegel verantwortlich sein.

Pharmakodynamische Interaktionen von Arzneistoffen mit Vitamin E

Wechselwirkungen mit Acetylsalicylsäure und Warfarin

Acetylsalicylsäure ist ein schmerzstillender, fiebersenkender Arzneistoff, der zusätzlich die Thrombozytenaggregation reduziert, indem er die Cyclooxygenase (COX)-vermittelte Bildung des Eicosanoids Thromboxan A2 (TXA2) hemmt [26]. Auch Vitamin E hat in einigen Studien einen Einfluss auf die Thrombozytenaggregation gezeigt [27] [28] [29], daher könnte es bei gleichzeitiger Einnahme von Vitamin E und Acetylsalicylsäure zu einer erhöhten Blutungsneigung kommen. Tatsächlich konnte man in der ATBC-Studie eine gesteigerte Blutungsneigung bei Patienten feststellen, die αT (50 mg/Tag für 5–7 Jahre) und Acetylsalicylsäure einnahmen, im Vergleich zu Probanden, die die jeweilige Substanz einzeln einnahmen [30]. Eine verringerte Thrombozytenaggregation kann aber zum Beispiel bei ischämischen Erkrankungen von Vorteil sein, und Patienten, die nach einem ischämischen Ereignis αT und Acetylsalicylsäure erhielten, hatten ein geringeres Risiko für ein erneutes ischämisches Ereignis als Patienten, die nur Acetylsalicylsäure erhielten [31]. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es Hinweise darauf gibt, dass Vitamin E und Acetylsalicylsäure bei der Verringerung der Thrombozytenaggregation synergistisch wirken. Je nach Situation kann dies negativ sein und zu einem erhöhten Blutungsrisiko führen oder sich positiv auswirken und das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Schlaganfälle verringern. Der genaue Mechanismus dieser Wechselwirkung ist noch nicht geklärt, eine Hemmung der Proteinkinase C durch Vitamin E könnte aber eine Rolle spielen [29].

Vitamin E könnte die Blutgerinnung auch indirekt über den Vitamin-K-Status beeinflussen. Die Vitamine E und K werden beide über CYP-Enzyme, möglicherweise sogar die gleiche Isoform CYP4F2, und eine anschließende Verkürzung der Seitenkette durch Enzyme der β-Oxidation verstoffwechselt [32] [33] [34]. Zur Carboxylierung der Gerinnungsfaktoren, die für die Blutgerinnung verantwortlich sind, wird Vitamin K als Kofaktor benötigt und anschließend durch die Vitamin-K-Epoxid-Reduktase regeneriert. Warfarin, ein Antikoagulans, hemmt die Vitamin-K-Epoxid-Reduktase und verringert so die Menge an Vitamin K, die für die Carboxylierung der Gerinnungsfaktoren zur Verfügung steht [35]. Sollte Vitamin E den Vitamin-K-Spiegel zusätzlich verringern, würde dies den gerinnungshemmenden Effekt von Warfarin verstärken. Tatsächlich zeigte sich eine verringerte Blutgerinnung in Ratten, denen 7 Tage lang intramuskulär αT (1 I.E./g Körpergewicht) in Kombination mit Warfarin injiziert wurde, im Vergleich zu Ratten, die diese Substanzen einzeln erhielten [36].

In Humanstudien hingegen konnte kein klinisch signifikanter Einfluss von Vitamin E (bis zu 1200 I.E. αT/Tag) auf die Gerinnungsaktivität bei gleichzeitiger Gabe von Warfarin beobachtet werden [36] [37].

Praxistipp

Auch wenn klinisch bedeutsame Wechselwirkungen von Vitamin E mit Vitamin K und Warfarin unwahrscheinlich sind, sollten sowohl der Vitamin-K-Status als auch die Gerinnungsaktivität bei Patienten, die Vitamin E und Warfarin kombinieren, überwacht werden, um einen latenten Vitamin-K-Mangel und damit ein höheres Interaktionsrisiko zu berücksichtigen.

Interaktionen zwischen Vitamin E, Statinen und Niacin

Statine zählen zu den am häufigsten verschriebenen Arzneistoffen weltweit und werden zur Senkung des Cholesterolspiegels eingesetzt. In Kombination mit Niacin können Statine nicht nur LDL-Cholesterol senken, sondern auch HDL-Cholesterol erhöhen [38] [39]. HDL-Cholesterol, und hier vor allem auch die Subpopulation der großen HDL2-Partikel, wirken antiatherogen und tragen so zu einer Verringerung des Risikos für koronare Herzerkrankungen bei [40]. Der Anstieg des HDL-Cholesterols und vor allem des protektiven HDL2 blieb allerdings aus, wenn Patienten mit koronaren Herzerkrankungen und niedrigem HDL zusätzlich zu Statinen und Niacin auch noch täglich mit β-Carotin (25 mg), Vitamin C (1000 mg), Vitamin E (800 IU/Tag) und Selen (100 µg/Tag) supplementiert wurden [38] [39]. Da in Studien mit dem starken Antioxidans Probucol ähnliche Effekte beobachtet wurden [41], könnte diese Interaktion auf die antioxidativen Effekte der Supplemente zurückzuführen sein.

Praxistipp

Patienten, die zur Erhöhung des HDL-Cholesterols mit Statinen und Niacin behandelt werden, sollten auf die Einnahme von Vitamin E und anderen Antioxidanzien in hohen Dosen verzichten.

Schlussfolgerung

Die vorliegende Auswertung der wissenschaftlichen Literatur liefert keine Hinweise auf klinisch relevante Wechselwirkungen zwischen durch die Nahrung aufgenommenem Vitamin E und Arzneistoffen. Lediglich bei Supplementierung höher dosierter Vitamin-E-Präparate konnten klinisch bedeutsame Vitamin-E-Arzneistoff-Interaktionen beobachtet werden.

Vorsicht

Es gibt Wechselwirkungen von hochdosierten Vitamin-E-Präparaten mit bestimmten Arzneimitteln: mit Cyclosporin A und bei Kombination von Statinen mit Niacin.

Die gleichzeitige Einnahme von Cyclosporin A und α-Tocopherol-Supplementen sollte vermieden werden, da eine Beeinträchtigung der immunsuppressiven Wirkung beim Menschen möglich ist.

Das Potenzial von α-Tocopherol, mit Acetylsalicylsäure und Warfarin zu interagieren und so die Blutgerinnung zu hemmen, kann nicht abschließend beurteilt werden.

Merke

Bei gleichzeitiger Einnahme von Vitamin E mit Acetylsalicylsäure oder Warfarin sollte eine enge Kontrolle der Blutgerinnung und des Vitamin-K-Status stattfinden.

 Patienten, die zur Erhöhung des HDL-Cholesterols Statine und Niacin einnehmen, sollten auf eine Supplementation von Vitamin E und anderen Antioxidanzien verzichten. Mechanistische Studien zeigten zwar für Tocotrienole in Zellkulturexperimenten eine Aktivierung von Enzymen und Transportern des Fremdstoffmetabolismus, das Risiko für klinisch relevante Interaktionen ist aber aufgrund ihrer niedrigen Bioverfügbarkeit [42] als gering einzustufen.

Insgesamt ist das Risiko für unerwünschte Vitamin-E-Arzneistoff-Interaktionen, unter Berücksichtigung der oben genannten Ausnahmen, als gering einzustufen.

Kernaussagen

  • Für eine Vitamin-E-Zufuhr über die Nahrung sind keine Interaktionen mit Arzneistoffen bekannt.
  • Tocotrienole zeigen in der Zellkultur zwar Potenzial für Nährstoff-Arzneistoff-Interaktionen, eine klinische Relevanz ist aber aufgrund ihrer geringen Bioverfügbarkeit nicht gegeben.
  • Interaktionen zwischen Vitamin E und Aspirin sowie Warfarin sind möglich, weshalb bei chronischer Einnahme dieser Arzneistoffe die Blutgerinnung regelmäßig überprüft werden sollte.
  • Patienten, die Statine und Niacin einnehmen, sollten auf eine Supplementation mit Antioxidanzien, inklusive Vitamin E, verzichten.
  • Eine gleichzeitige Einnahme von Cyclosporin A und hochdosiertem Vitamin E (≥300 I.E. am Tag) sollte vermieden werden.

Prof. Dr. Jan Frank
Studium der Ernährungs- und Haushaltswissenschaften
Wissenschaftliche Schwerpunkte: u. a. Aufklärung der Mechanismen, die für die selektive Retention von α-Tocopherol und die bevorzugte Metabolisierung und Ausscheidung der übrigen Vitamin-E-Kongenere sowie seltener Vitamin-E-Derivate verantwortlich sind.

Dr. Maren Podszun
Studium der Ernährungswissenschaften
Wissenschaftliche Schwerpunkte: NAFLD mit besonderem Fokus auf lokalisiertem Mikronährstoffmangel und oxidativem Stress sowie Interaktionen zwischen isolierten Nähr- und Arzneistoffen.

Interessenkonflikt: Autorin und Autor erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.

1 Max Rubner-Institut . Nationale Verzehrsstudie II: Ergebnisbericht Teil 2, 2008. Im Internet www.mri.bund.de/fileadmin/Institute/EV/NVSII_Abschlussbericht_Teil_2.pdf

2 Wolfram G. New reference values for nutrient intake in Germany, Austria and Switzerland (DACH-Reference Values). Forum Nutr 2003; 56: 95-97

3 Lown KS, Bailey DG, Fontana RJ. et al. Grapefruit juice increases felodipine oral availability in humans by decreasing intestinal CYP3A protein expression. J Clin Invest 1997; 99: 2545-2553 DOI: 10.1172/JCI119439.

4 Dürr D, Stieger B, Kullak-Ublick GA. et al. St John’s Wort induces intestinal P-glycoprotein/MDR1 and intestinal and hepatic CYP3A4. Clin Pharmacol Ther 2000; 68: 598-604 DOI: 10.1067/mcp.2000.112240.

5 Fasco MJ, Principe LM. R- and S-warfarin inhibition of vitamin K and vitamin K 2,3-epoxide reductase activities in the rat. J Biol Chem 1982; 257: 4894-4901

6 Podszun M, Frank J. Vitamin E-drug interactions: molecular basis and clinical relevance. Nutr Res Rev 2014; 27: 215-231 DOI: 10.1017/S0954422414000146.

7 Podszun MC, Frank J. Vitamin E-drug interactions. In: Weber P, Birringer M, Blumberg JB et al., Hrsg. Vitamin E in Human Health. Cham: Humana Press 2019; 247-260 DOI: 10.1007/978-3-030-05315-4_18.

8 Williams RT. Detoxication Mechanisms: The Metabolism of Drugs and Allied Organic Compounds. London: Champan & Hall; 1947

9 Guengerich FP. Cytochrome P-450 3A4: regulation and role in drug metabolism. Annu Rev Pharmacol Toxicol 1999; 39: 1-17 DOI: 10.1146/annurev.pharmtox.39.1.1.

10 Uhlén M, Fagerberg L, Hallström BM. et al. Tissue-based map of the human proteome. Science 2015; 347: 6220 DOI: 10.1126/science.1260419.

11 Zhou C, Tabb MM, Sadatrafiei A. et al. Tocotrienols activate the steroid and xenobiotic receptor, SXR, and selectively regulate expression of its target genes. Drug Metab Dispos 2004; 32: 1075-1082 DOI: 10.1124/dmd.104.000299.

12 Abuznait A, Patrick SG, Kaddoumi A. Exposure of LS-180 cells to drugs of diverse physicochemical and therapeutic properties up-regulates P-glycoprotein expression and activity. J Pharm 2011; 14: 236-248 DOI: 10.18433/j36016.

13 Podszun MC, Jakobi M, Birringer M. et al. The long chain α–tocopherol metabolite α-13’-COOH and γ- tocotrienol induce P-glycoprotein expression and activity by activation of the pregnane X receptor in the intestinal cell line LS 180. Mol Nutr Food Res 2016; 61: 1-9 DOI: 10.1002/mnfr.201600605.

14 Mustacich DJ, Gohil K, Bruno RS. et al. Alpha-tocopherol modulates genes involved in hepatic xenobiotic pathways in mice. J Nutr Biochem 2009; 20: 469-476 DOI: 10.1016/j.jnutbio.2008.05.007.

15 Chan L, Humma LM, Schriever CA. et al. Vitamin E formulation affects digoxin absorption by inhibiting P-glycoprotein (P-GP) in humans. Clin Pharmacol Ther 2004; 75: P95 DOI: 10.1016/j.clpt.2003.11.364.

16 Duhem N, Danhier F, Préat V. Vitamin E-based nanomedicines for anti-cancer drug delivery. J Control Release 2014; 182: 33-44 DOI: 10.1016/j.jconrel.2014.03.009.

17 Hundhausen C, Frank J, Rimbach G. et al. Effect of vitamin E on cytochrome P450 mRNA levels in cultured hepatocytes (HepG2 ) and in rat liver. Animals 2006; 190: 183-190

18 Kluth D, Landes N, Pfluger P. et al. Modulation of Cyp3a11 mRNA expression by alpha-tocopherol but not gamma-tocotrienol in mice. Free Radic Biol Med 2005; 38: 507-514 DOI: 10.1016/j.freeradbiomed.2004.11.010.

19 Podszun MC, Grebenstein N, Spruss A. et al. Dietary α-tocopherol and atorvastatin reduce high-fat-induced lipid accumulation and down-regulate CD36 protein in the liver of guinea pigs. J Nutr Biochem 2014; 25: 573-579 DOI: 10.1016/j.jnutbio.2014.01.008.

20 Leonard SW, Joss JD, Mustacich DJ. et al. Effects of vitamin E on cholesterol levels of hypercholesterolemic patients receiving statins. Am J Health Syst Pharm 2007; 64: 2257-2266 DOI: 10.2146/ajhp070041.

21 Clarke MW, Burnett JR, Wu JHY. et al. Vitamin E supplementation and hepatic drug metabolism in humans. J Cardiovasc Pharmacol 2009; 54: 491-496

22 Blackhall ML, Fassett RG, Sharman JE. et al. Effects of antioxidant supplementation on blood cyclosporin A and glomerular filtration rate in renal transplant recipients. Nephrol Dial Transplant 2005; 20: 1970-1975 DOI: 10.1093/ndt/gfh875.

23 de Vries APJ, Oterdoom LH, Gans ROB, Bakker SJL. Supplementation with anti-oxidants Vitamin C and E decreases cyclosporine A trough-levels in renal transplant recipients. Nephrol Dial Transplant 2006; 21: 231-232 DOI: 10.1093/ndt/gfi112.

24 Pichard L, Domergue J, Fourtanier G. et al. Metabolism of the new immunosuppressor cyclosporin G by human liver cytochromes P450. Biochem Pharmacol 1996; 51: 591-598 DOI: 10.1016/S0006-2952(95)02175-2.

25 Bárány P, Stenvinkel P, Ottosson A. et al. Effect of 6 weeks of vitamin E administration on renal haemodynamic alterations following a single dose of neoral in healthy volunteers. Nephrol Dial Transpl 2001; 16: 580-584

26 Vane JR, Botting RM. The mechanism of action of aspirin. Thromb Res 2003; 110: 255-258 DOI: 10.1016/S0049-3848(03)00379-7.

27 Ali M, Gudbranson C, McDonald J. Inhibition of human platelet cyclooxygenase by alpha-tocopherol. Prostaglandins Med 1980; 4: 79-85

28 Freedman JE, Keaney JF. Vitamin E inhibition of platelet aggregation is independent of antioxidant activity. J Nutr 2001; 131: 374S-377S

29 Freedman JE, Farhat JH, Loscalzo J, Keaney JF. alpha-tocopherol inhibits aggregation of human platelets by a protein kinase C-dependent mechanism. Circulation 1996; 94: 2434-2440

30 Liede K, Haukka J, Saxén LM, Heinonen OP. Increased tendency towards gingival bleeding caused by joint effect of α-tocopherol supplementation and acetylsalicylic acid. Ann Med 1998; 30: 542-546 DOI: 10.3109/07853899709002602.

31 Steiner M, Glantz M, Lekos A. Vitamin E plus aspirin compared with aspirin alone in patients with transient ischemic attacks. Am J Clin Nutr 1995; 62: 1381S-1384S DOI: 10.1093/ajcn/62.6.1381S.

32 Sontag TJ, Parker RS. Cytochrome P450 omega-hydroxylase pathway of tocopherol catabolism. Novel mechanism of regulation of vitamin E status. J Biol Chem 2002; 277: 25290-25296 DOI: 10.1074/jbc.M201466200.

33 Bardowell SA, Ding X, Parker RS. Disruption of P450-mediated vitamin E hydroxylase activities alters vitamin E status in tocopherol supplemented mice and reveals extra-hepatic vitamin E metabolism. J Lipid Res 2012; 53: 2667-2676 DOI: 10.1194/jlr.M030734.

34 Edson KZ, Prasat B, Unadkat JD. et al. Cytochrome P450-dependent catabolism of vitamin K: ω-hydroxylation catalyzed by human CYP4F2 and CYP4F11. Biochemistry 2013; 52: 8276-8285 DOI: 10.1021/bi401208m.

35 Hirsh J, Dalen J, Anderson DR. et al. Oral anticoagulants: mechanism of action, clinical effectiveness, and optimal therapeutic range. Chest 2001; 119: 8S-21S

36 Corrigan JJ, Ulfers LL. Effect of vitamin E on prothrombin levels in warfarin-induced vitamin K deficiency. Am J Clin Nutr 1981; 34: 1701-1705

37 Kim JM, White RH. Effect of vitamin E on the anticoagulant response to warfarin. Am J Cardiol 1996; 77: 545-546 DOI: 10.1016/S0002-9149(97)89357-5.

38 Cheung MC, Zhao X-Q, Chait A. et al. Antioxidant supplements block the response of HDL to simvastatin-niacin therapy in patients with coronary artery disease and low HDL. Arterioscler Thromb Vasc Biol 2001; 21: 1320-1326 DOI: 10.1161/hq0801.095151.

39 Brown BG, Zhao X-Q, Chait A, Fisher L. Simvastatin and niacin, antioxidant vitamins, or the combination for the prevention of coronary diseases. N Engl J Med 2001; 345: 1583-1592

40 Johansson J, Carlson LA, Landou C, Hamsten A. High density lipoproteins and coronary atherosclerosis. A strong inverse relation with the largest particles is confined to normotriglyceridemic patients. Arterioscler Thromb 2004; 11: 174-182 DOI: 10.1161/01.atv.11.1.174.