AllergieInsektengiftallergie: Immuntherapie schützt vor allergischen Reaktionen

Bei Bienen- und Wespenstichen kann eine Immuntherapie vor allergischen Reaktionen schützen. Sie wird aber zu selten angeboten. 

Wespe auf dem Reißverschluss einer Handtasche
K. Oborny/Thieme

Bei einer Allergie auf das Gift von Wespen oder Bienen ist vor allem auch eine Stichvermeidung wichtig.

 

Stiche von Bienen und Wespen sind in den meisten Fällen klinisch unproblematisch. Liegt jedoch eine Allergie gegen Bienen- oder Wespengift vor und kommt es zu einer Anaphylaxie, muss schnell gehandelt werden. Notfallsets zur Selbstbehandlung (mit Adrenalin-Autoinjektor, Kortison und Antihistaminikum) können lebensrettend sein bei der Kontrolle der akuten allergischen Stichreaktion.

Menschen mit Insektengiftallergie sollten im Alltag zudem Risikosituationen für Insektenstiche meiden. Einen wirksamen Schutz vor einer schweren anaphylaktischen Reaktion bietet die hochwirksame allergen-spezifische Immuntherapie.

Über 90% der durch Insektengift verursachten Anaphylaxien lassen sich nach Einschätzung der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft durch Immuntherapie verhindern. Allerdings erhalten bislang nur etwa 10% der Betroffenen eine solche Therapie.

Insektengiftallergie

Besteht eine Insektengiftallergie kann ein einziger Stich schwere, systemische Reaktionen hervorrufen, darunter

  • Atemprobleme,
  • Kreislaufbeschwerden,
  • allergischer Schock mit Todesfolge.

Die Zahl der hierzulande statistisch erfassten Todesfälle ist mit etwa 20-40 pro Jahr relativ niedrig. Doch Expert*innen vermuten, dass die Zahl aufgrund vieler nicht erkannter Fälle deutlich höher liegt. Daten des deutschen und europäischen Anaphylaxieregisters zeigen, dass die Insektengiftallergie im Erwachsenenalter die bei weitem häufigste Ursache für schwere allergische Reaktionen ist.

Die allermeisten Bienen- und Wespenstiche sind zwar unangenehm, aber nicht lebensbedrohlich. Eine Schwellung von bis zu 10 cm Durchmesser am Ort der Einstichstelle gilt als vollkommen normal und entspricht der Reaktion auf das beim Stich in die Haut abgegebene Gift.

„Wenn es nach dem Stich zu einer Hautschwellung mit deutlich mehr als 10 cm Durchmesser kommt, die länger als 24 Stunden anhält, nennt man das eine gesteigerte Lokalreaktion. Das ist noch keine systemische Allergie“, erklärt der Allergologe Prof. Thilo Jakob. „Aus epidemiologischen Studien wissen wir, dass bis zu 3,5% der Menschen in der Allgemeinbevölkerung eine echte Bienen- oder Wespengiftallergie haben. Diese bedürfen einer besonderen medizinischen Zuwendung.“

Immuntherapie kann wirksam schützen

Die allergen-spezifische Immuntherapie kann wirksam vor schweren allergischen Reaktionen schützen.

Sie funktioniert wie eine Impfung. Das Insektengift wird über einen längeren Zeitraum in zunehmenden Mengen in die Haut gespritzt. Das Immunsystem wird so an das Allergen gewöhnt und die Patientin/der Patient vor einer erneuten schweren allergischen Reaktion geschützt.

Bei der Bienengiftallergie liegt die Wirksamkeit der Immuntherapie bei bis zu 94%, bei Wespengift bis zu 99%. Jedoch erhalten sie nur schätzungsweise 10%  derjenigen, für die die Immuntherapie infrage käme.

Wann wird die Immuntherapie empfohlen?

Die Immuntherapie bei Insektengiftallergie wird gemäß der aktuellen deutschen Leitlinie ab einer Anaphylaxie Grad II (s. Kasten) empfohlen.

Auch bei Erwachsenen mit einer Grad-I-Anaphylaxie kann die Immuntherapie durchgeführt werden, wenn sie beispielsweise beruflich einem hohen Risiko für erneute Stiche ausgesetzt sind (z.B. Imker, Bäckereifachverkäufer*innen, Arbeitende in Gärtnereien oder Forstwirtschaft) und/oder wenn eine deutliche Einschränkung der Lebensqualität vorliegt.

„Wer sich immunisieren lassen möchte, muss sich auf eine über mehrere Jahre erstreckende Behandlung einlassen“, sagt Jakob. Wenn sich die Verdachtsdiagnose einer Bienen- oder Wespengiftallergie bestätigt, empfiehlt Jakob, die Immuntherapie im Rahmen eines kurzen stationären Aufenthalts einzuleiten. Die ambulante Weiterbehandlung wird anschließend in der Regel von niedergelassenen Allergolog*innen in regelmäßigen Abständen für insgesamt 3 bis 5 Jahre fortgeführt.

"Die meisten unserer Patientinnen und Patienten vertragen die Immuntherapie gut. Bedeutsame Nebenwirkungen sind selten. Rötungen und Schwellungen an der Injektionsstelle werden häufig beobachtet. Da helfen kühlende Umschläge und bei Bedarf die Einnahme eines Antihistaminikums“, erklärt die Allergologin Prof. Silke Hofmann.

In Deutschland sind über 10.000 Ärzt*innen mit der Zusatzbezeichnung „Allergologie“ bei den Kammern registriert. Anlaufstelle für Menschen mit einer Insektengiftallergie können Allergologen in Kliniken und Praxen mit den Facharztbezeichnungen Dermatologie, HNO, Innere Medizin, Allgemeinmedizin oder Kinderheilkunde sein.

Schweregrade der Anaphylaxie

Bei einer Anaphylaxie werden 4 Schweregrade unterschieden:

  • Grad I (mild): Die Reaktion ist systemisch. Es traten aber „nur“ Hautsymptome auf wie Hautrötungen, Juckreiz und/oder Schwellungen.
  • Grad II (moderat): Es treten zusätzlich Übelkeit, Kreislaufprobleme, Schluckbeschwerden und/oder Atemnot auf.
  • Grad III und IV (schwerwiegend): Es treten zusätzlich Symptome auf, die sich äußern durch Symptome des Magen-Darm-Traktes (Erbrechen, Durchfall), der Atemwege (Bronchospasmus, Asthmaanfall bis Atemstillstand) oder Kreislaufversagen mit Bewusstlosigkeit bis hin zum Kreislaufstillstand.

Tipps bei Insektengiftallergie

Wenn die Bienen- oder Wespengiftallergie bekannt ist:

  • Notfallset (Adrenalin-Autoinjektor, Kortison und Antihistaminikum) mitführen.
  • Sich selbst und andere (Familienangehörige, Freunde und Freundinnen, Arbeitskollegen) vorher mit der Anwendung vertraut machen.

Vorgehen im Notfall:

Antihistaminikum und Kortison einnehmen, wenn erste Anzeichen wie Hautrötung, Kratzen im Hals, Quaddeln auftreten. Der Adrenalin-Pen (Autoinjektor) wird bereitgehalten und bei weiteren Anzeichen (Atemnot, Übelkeit, Erbrechen, Herzrasen etc.) eingesetzt oder aber auch sofort, wenn unzweifelhaft klar ist, dass das Insekt gestochen hat, auf das bereits eine schwere Allergie bekannt ist.

Bei noch nicht bekannter Allergie, aber starken systemischen Symptomen nach einem Insektenstich wie Atemnot, Schwindelgefühl, Übelkeit, Herzrasen oder Bewusstlosigkeit sofort über die 112 den Rettungsdienst alarmieren.

Stichrisiko reduzieren:

  • Nicht barfuß im Grünen laufen. Kein offenes Schuhwerk tragen.
  • Nicht nach Bienen und Wespen schlagen. Rasche Bewegungen unterlassen.
  • Den Körper möglichst durch enganliegende Kleidung (mit langen Ärmeln und langen Hosenbeinen) schützen. Schwarze und bunt geblümte Stoffe meiden.
  • Auf Parfüm und stark parfümierte Pflegeprodukte verzichten.
  • Gläser im Freien abdecken. Aus einem durchsichtigen Strohhalm trinken.
  • Beim Essen im Freien immer zuerst schauen, ob ein Insekt am „Bissen“ hängt.
  • Mülltonnen und Abfallkörbe im Freien meiden.
  • Obstwiesen mit Fallobst meiden.
  • Besondere Vorsicht beim Obstpflücken im Garten.
  • Tagsüber die Fenster schließen.
  • Insektenschutzgitter an den Fenstern anbringen.

Quelle: Deutsche Dermatologische Gesellschaft