MedizinsystemeAyurveda – alte Heilkunde und modernes Medizinsystem

Ayurveda ist eine umfassende wissenschaftliche Heilkunde und Gesundheitslehre. In Indien ist Ayurveda ein öffentlich anerkanntes Medizinsystem, international wird er meist als komplementäre Medizin praktiziert und erforscht.

Inhalt
4 Löffel mit unterschiedlichen Soßen vor weißem Hintergrund.
K.Oborny/Thieme

Individuelle Ernährungsempfehlungen sind fester Bestandteil der umfassenden ayurvedischen Therapie.

Der Ayurveda ist neben der alten chinesischen Medizin und der klassischen Heilkunde des Mittelmeerraums eine der drei großen Medizintraditionen der sog. Alten Welt. Während die mit den Namen von Hippokrates und Galen verbundene klassische Heilkunde in Europa durch die moderne naturwissenschaftliche Medizin verdrängt wurde und heutzutage unter der Bezeichnung Yunani tibb (wörtlich: „griechische Medizin“) hauptsächlich in Südasien (insbesondere in Indien, Pakistan und Bangladesch) praktiziert wird, haben sich chinesische Medizin und Ayurveda über viele Jahrhunderte bis in die heutige Zeit als eigenständige Medizinsysteme erhalten [6].

Entwicklung des Ayurveda

Ayurveda heißt wörtlich aus der altindischen Hochsprache Sanskrit übersetzt etwa „Wissenschaft vom Leben“. Nach einer berühmten alten Sentenz hat diese Wissenschaft den doppelten Zweck, die Gesundheit des Gesunden zu erhalten und die Krankheit des Kranken zu behandeln [5]. Die ältesten umfangreichen Lehrbücher des Ayurveda, die wir heute kennen, stammen in ihrer gegenwärtigen Form aus der Zeit um Christi Geburt. Von dieser Zeit bis heute ist kontinuierlich ayurvedische Fachliteratur verfasst worden. Der Ayurveda blickt also auf eine umfangreiche literarisch dokumentierte Tradition zurück, die in den vergangenen rund 2000 Jahren zum überwiegenden Teil in Sanskrit verfasst wurde. Betrachtet man die ayurvedische Fachliteratur über die Jahrhunderte, so beeindrucken „einerseits eine bemerkenswerte Kontinuität in Denken und Praxis wie andererseits ebenso bemerkenswerte Veränderungen“ [7].

Die heutige Form des Ayurveda wurde im 19. und 20. Jahrhundert geprägt. Diese Epoche ist dadurch gekennzeichnet, dass die moderne naturwissenschaftliche Medizin sich kraftvoll in der ganzen Welt verbreitet und heutzutage zu einer kosmopolitischen Medizin geworden ist. Vertreter anderer wissenschaftlicher Medizinsysteme kommen also nicht umhin, sich mit der modernen Medizin und ihren wissenschaftlichen Erkenntnissen auseinanderzusetzen.

Im Ayurveda kam es in den vergangenen Jahrzehnten in diesem Zusammenhang zu folgenreichen Entwicklungen: Auf der formalen Ebene professionalisieren sich die ayurvedischen Ärzte nach dem Vorbild der modernen Medizin. Das bedeutet etwa, dass Ayurveda in Indien heutzutage an Universitäten nach einem festgelegten Curriculum gelehrt wird – nicht zufällig dauert das Studium des Ayurveda genauso lange wie ein Studium der modernen Medizin. Nach Abschluss ihres Studiums erwerben ayurvedische Ärzte eine eigenständige Approbation, sie sind in eigenen Ärztekammern organisiert und es gibt einen nationalen Forschungsrat für Ayurveda.

Auf der Ebene der ayurvedischen Lehre ist das Bild deutlich komplexer: Ayurvedische Gelehrte integrieren moderne wissenschaftliche Erkenntnisse in ihr System, ohne damit aber die überlieferten Lehren in Frage zu stellen. Vielmehr geht man mit beeindruckender Selbstverständlichkeit davon aus, dass die Lehren der alten Texte genauso wahr sind wie die Erkenntnisse der modernen Wissenschaft und dass bei richtigem Verständnis auch kein Widerspruch zwischen diesen beiden Systemen besteht (vgl. [4]). Insofern verwundert es nicht, dass im gegenwärtigen Ayurveda-Studium 2000 Jahre alte Sanskrit-Lehrbücher genauso studiert werden wie moderne Lehrbücher, etwa der Physiologie. Im Staat Indien ist Ayurveda heutzutage ein eigenständiges, öffentlich anerkanntes medizinisches System, welches formal der modernen Medizin gleichgestellt ist.

Schon vor vielen Jahrhunderten war der Ayurveda auch außerhalb des indischen Subkontinents bekannt. Besonders augenfällig ist etwa der Einfluss ayurvedischer Lehren auf die Herausbildung der Tibetischen Medizin – die moderne Verbreitung des Ayurveda ist jedoch ein recht neues Phänomen. Erst seit rund 40 Jahren wird Ayurveda nämlich auch international verbreitet und vor allem als „Komplementärmedizin“ praktiziert und auch erforscht. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) erkennt Ayurveda als „traditionelles Medizinsystem“ an, und ihre Mitgliedstaaten haben sich verpflichtet, traditionelle und komplementäre Medizinsysteme im Interesse der Gesundheit der Bevölkerung verstärkt zu nutzen [8]. Die steigende allgemeine Bedeutung von Ayurveda mag man auch daran erkennen, dass eine allgemeine Suche in einer medizinischen Datenbank (www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed) mit dem Stichwort „Ayurved*“ mehr als 6000 Einträge ergibt und inzwischen eine eigene Datenbank (www.dharaonline.org) existiert, in der speziell ayurvedische Forschungspublikationen aufgelistet sind.

Im Folgenden sollen nun einige ausgewählte Grundanschauungen der ayurvedischen Wissenschaft vorgestellt werden, um dann anhand einer Kasuistik zu verdeutlichen, wie die Praxis des Ayurveda in Deutschland aussehen kann.

Wissenschaftliche Systematik des Ayurveda

Dem Ayurveda liegt ein komplexes wissenschaftliches System zugrunde, das über Jahrhunderte bis in die Gegenwart detailliert ausgearbeitet wurde. Nach klassischer ayurvedischer Anschauung besteht der Mensch, den wir behandeln, aus drei Dimensionen: Neben Körper und Geist unterscheidet man als 3. Dimension des Menschen eine unsterbliche Seele (Sanskrit: Atman). Da die unsterbliche Seele aber ewig und unwandelbar ist, sind in Bezug auf Krankheit und Gesundheit allein Körper und Geist betroffen.

Im menschlichen Organismus unterscheidet man dann, grob vereinfacht beschrieben, zwei Anteile, nämlich strukturelle und funktionelle Komponenten. Zu den „strukturellen Komponenten“ des Menschen zählen etwa die verschiedenen Gewebe (Knochen, Muskeln usw.), das Skelett, aber auch Organsysteme wie etwa die Atemwege oder das Nervensystem. Diese strukturellen Anteile des Menschen gelten zunächst einmal als statisch. Wandel und Entwicklung, die ja als Merkmale des Lebendigen gelten, werden von diesen strukturellen Anteilen nicht selbst bewirkt, sondern hier sind die „funktionellen“ Komponenten des Organismus aktiv. Zu den „funktionellen“ Anteilen des Menschen zählt etwa der sog. Agni (wörtlich: Feuer), die „Stoffwechselkraft“ des Menschen. Zu den funktionellen Anteilen zählen auch die drei Doshas (sprich: Dohschas), genannt Vata, Pitta und Kapha.

Die Lehre von den drei Doshas ist von großer Bedeutung im Ayurveda. Hier sollen jedoch nur drei wichtige Aspekte vorgestellt werden, nämlich die physiologischen Funktionen der Doshas, die Rolle der Doshas bei der Herausbildung der Konstitution eines Menschen und die Bedeutung der Doshas für die Krankheitsentstehung. Am einfachsten stellt man sich die drei Doshas als Kräfte vor, die im menschlichen Organismus wirksam sind. Aus physiologischer Perspektive regulieren sie normale biologische Funktionen: Vata reguliert Prozesse, die mit Bewegung und Beweglichkeit zu tun haben – das sind beispielsweise die Atembewegung, die Darmperistaltik und auf psychisch-geistiger Ebene Begeisterung und Aufnahmefähigkeit. Pitta reguliert Prozesse der Umwandlung und Verwertung. Dazu zählt man den Verdauungsprozess oder das Sehen und auf psychisch-geistiger Ebene einen scharfen Intellekt. Kapha bewirkt Stabilität des Körpers insgesamt und etwa Geschmeidigkeit der Schleimhäute; auf psychisch-geistiger Ebene bewirkt Kapha Zufriedenheit und Geduld.

Schon an dieser kurzen Aufzählung wird deutlich, dass die Doshas sich im physischen Körper genauso auswirken wie auf psychisch-geistiger Ebene. Auch kann man feststellen, dass grundsätzlich alle drei Doshas in jedem Menschen wirksam sind. Aus einer anderen Perspektive werden die drei Doshas als wichtige Komponenten der Konstitution eines Menschen betrachtet. Dabei geht man davon aus, dass bei jedem Menschen bereits bei Geburt eine besondere, individuelle Konstellation der drei Doshas besteht, die man als Konstitution (Sanskrit: Prakrti) bezeichnet. Diese Grundkonstitution eines Menschen ist dadurch gekennzeichnet, dass ein oder zwei Doshas stärker ausgeprägt sind. Sie manifestieren sich in individuellen physischen und psychischen Merkmalen ebenso wie in den typischen Reaktionsweisen eines Menschen. Einige Konstitutionsmerkmale sind in [Tab. 1] aufgeführt.

Bei der Diagnose der Konstitution ist aber grundsätzlich zu bedenken, dass mit Konstitution der gesunde Zustand eines Menschen gemeint ist – dieser muss nicht unbedingt dem aktuellen Zustand eines Menschen entsprechen. Außerdem muss man stets beachten, dass jede Kombination von Merkmalen der drei Doshas möglich ist. Aus einer weiteren Perspektive betrachtet spielen die drei Doshas eine bedeutende Rolle im Krankheitsprozess. Wenn ein Dosha aufgrund verschiedener ätiologischer Stimuli etwa gesteigert wird, kommt es zu spezifischen Symptomen auf körperlicher wie psychischer Ebene: Typische Symptome einer Vata-Verstärkung wären etwa innere Unruhe, Hauttrockenheit und Verstopfung, eine Pitta-Steigerung macht sich u. a. bemerkbar mit Jähzorn, heißer, juckender Haut und Sodbrennen. Eine Kapha-Steigerung kann sich äußern mit Appetitlosigkeit, Schweregefühl und Brechreiz. Im weiteren Verlauf der Pathogenese affizieren die gesteigerten Doshas dann auch strukturelle Anteile des Menschen – im Endeffekt kommt es dann zu einer manifesten organischen Erkrankung.

In der ayurvedischen Diagnose gilt es nun alle diese Aspekte zu berücksichtigen. Dabei steht am Beginn der ayurvedischen Diagnose die Einschätzung der Grundkonstitution eines Menschen. Dann folgen die Einschätzung der Beschwerden und ihre nosologische Zuordnung innerhalb der ayurvedischen Krankheitslehre. Eine ausführliche Anamnese des Patienten ist genauso Teil der ayurvedischen Diagnostik wie eine körperliche Untersuchung. Darüber hinaus kommen auch eine jeweils spezifische Puls- und Zungendiagnose zur Anwendung [1].

Therapie im Ayurveda

Prinzipiell muss die ayurvedische Therapie stets individuell geplant und durchgeführt werden. Voraussetzung dafür ist, dass in der Diagnose die jeweilige Erkrankung bzw. die jeweiligen Beschwerden genauso berücksichtigt werden wie die Grundkonstitution eines Menschen. Anders ausgedrückt könnte man sagen, dass im Ayurveda niemals nur Krankheiten behandelt werden, sondern Menschen mit einer Krankheit. Beispielsweise würde ein Mensch mit einer Vata-dominierten Konstitution, der an Asthma leidet, anders behandelt werden als ein Mensch mit einer Pitta-dominierten Konstitution und Asthma.

Die ayurvedische Auffassung von Therapie ist zudem umfassend. Nach einem alten Grundsatz ist der 1. Schritt in der Therapie die Vermeidung ätiologischer oder krankheitsverstärkender Faktoren. In der Praxis bedeutet dies meist, dass der Patient im 1. Schritt individuelle Empfehlungen zu Ernährung und allgemeiner Lebensweise erhält. Des Weiteren kennt der Ayurveda eine differenzierte Arzneimitteltherapie, insbesondere mit pflanzlichen Arzneien [2]. Dabei werden sowohl einzelne Pflanzenbestandteile verwendet als auch komplexe Kombinationspräparate aus mehreren Pflanzen. Die verwendete Heilpflanze wie auch Darreichungsform (Pillen, Pulver, Abkochung etc.) und Dosierung müssen individuell auf den jeweiligen Patienten und seinen aktuellen Zustand abgestimmt werden.

Eine besondere Therapieform ist darüber hinaus die sog. Panchakarma-Therapie [3]. Dieses intensive Therapieverfahren verbindet ausleitende Verfahren (wie etwa einen Abführtag) mit Behandlungen zur Krankheitstherapie und physikalischen Therapien. Zu den physikalischen Therapien zählen hier insbesondere differenzierte Öl- und Wärmeanwendungen. Bei den Ölanwendungen verwendet man im therapeutischen Kontext meist medizinierte Öle, das heißt, die Öle werden mit spezifischen Kräutern verkocht. Welche Kräuter man dabei verwendet, aber auch, welche Art von Ölanwendung (Ganzkörpermassage, Teilkörperanwendungen wie der Kopfguss etc.) man über welchen Zeitraum appliziert, sind wiederum individuelle Fragen. Ähnliches gilt für die Wärmeanwendungen: Hier findet man Wärmeanwendungen des ganzen Körpers ebenso wie Teilkörperanwendungen, und auch hier kommen Kräuter zum Einsatz, z. B. als Zusätze bei einem Dampfbad oder als Bestandteil von wärmenden Auflagen. Wie stets im Ayurveda, so gilt auch in Bezug auf Panchakarma, dass diese Therapie individuell geplant und durchgeführt werden muss.

Das folgende Fallbeispiel zeigt zum einen, wie verschiedene therapeutische Ansätze (in diesem Falle diätetische Therapie, Phytotherapie und intensive Panchakarma-Therapie) in der Praxis zusammenwirken, zum anderen wird aber auch deutlich, dass Ayurveda heutzutage in Deutschland durchaus ein wirksames Therapieverfahren darstellt.

Kasuistik

Der 60-jährige Patient erscheint zunächst für eine ambulante ärztliche Konsultation in der Ayurveda-Klinik. Seine hauptsächliche Beschwerde ist eine Bluthochdruckerkrankung. Seit drei Jahren wird der Bluthochdruck medikamentös behandelt, gegenwärtig nimmt der Patient eine Tablette eines Kombinationspräparats aus Betarezeptorenblocker und Kalziumantagonist sowie eine Tablette eines Alphablockers regelmäßig ein. Unter dieser Medikation zeigt der Blutdruck bei regelmäßiger Selbstmessung grenzwertig normale Werte. Seit rund zwei Jahren leidet der Patient zudem auch an gelegentlichen Schmerzen im linken Unterbauch, die vor allem bei psychischer oder körperlicher Belastung auftreten. Diesbezüglich ist bislang noch keine weitere Diagnostik erfolgt. Der Patient weist keine nennenswerten Vorerkrankungen auf. Er ist verheiratet und hat zwei gesunde Kinder. Bis vor drei Jahren war er als selbstständiger Unternehmer beruflich stark engagiert, dann hat er sein Unternehmen verkauft und befindet sich nun im Ruhestand. Der Patient ist leicht übergewichtig (BMI 26,5 kg/m2) und weist ansonsten einen altersentsprechenden Normalbefund auf.

Aus ayurvedischer Sicht hat dieser Patient grundsätzlich eine Pitta-Kapha-Konstitution. Gegenwärtig weist er eine Verstärkung des Vata auf, die sich sowohl im erhöhten Blutdruck als auch in den gelegentlichen Unterbauchbeschwerden äußert.

Nach der ersten Konsultation erhält der Patient ausführliche diätetische Empfehlungen unter Berücksichtigung von Konstitution und gegenwärtiger Imbalance. Dazu gehört der Rat zur regelmäßigen Selbstmassage mit Öl ebenso wie individuelle Ernährungsempfehlungen. Zur ayurvedischen Behandlung des Bluthochdrucks erhält der Patient eine phytotherapeutische Präparation, welche Rauwolfia serpentina enthält. Die Wurzel dieser Pflanze wird im Ayurveda seit Jahrhunderten zur Besänftigung eines starken Vata verwendet. Der Patient erklärt zudem, dass er etwa zwei Monate später eine intensive ayurvedische Panchakarma-Therapie durchlaufen möchte. Aus diesem Grunde erhält er spezielle Empfehlungen zur Ernährung und phytotherapeutischen Nahrungsergänzung in Vorbereitung dieser Therapie.

In den nächsten zwei Monaten führt der Patient die Empfehlungen recht konsequent durch. In dieser Zeit kann er – bei ständiger Selbstmessung des Blutdrucks – seine schulmedizinische Blutdruckmedikation nach und nach vollständig ausschleichen. Die ayurvedische Phytotherapie läuft weiter.

Nach zwei Monaten kommt der Patient dann zu einer stationären Panchakarma-Therapie in die Ayurveda-Klinik. Auf der Grundlage der ayurvedischen Diagnostik führen wir über einen Zeitraum von 18 Tagen ein intensives Panchakarma-Therapieverfahren durch, welches folgende Elemente enthält:

  • Purvakarma (vorbereitende Behandlungen):
    • Snehana (Öl- und Fettbehandlungen)
      • innerliches Fetten: 3 Tage lang nimmt der Patient morgens ein speziell präpariertes Butterfett ein, über den restlichen Tag erhält er nur warme Flüssigkeit.
      • äußerliche Ölanwendungen: Verschiedene äußerliche Ölanwendungen (z. B. Ganzkörperölmassage am 4. Tag) werden über den gesamten Aufenthalt individuell verordnet.
    • Svedana (Wärme- und Schwitzanwendungen): Der Patient erhält am 4. Tag im Anschluss an die Ganzkörperölmassage ein mildes Dampfbad mit Kräuterzusatz.
  • Pradhanakarma (Hauptbehandlungen):
    • Virecana (Abführen): Ein Abführtag (5. Tag) mit einer kleinen Dosis Rizinusöl am Morgen eingenommen, dient vor allem dazu, das gesteigerte Vata zu regulieren.
    • Bastikarma: Der Patient erhält insgesamt 8 Darmeinläufe unterschiedlicher Zusammensetzung (ölige Präparationen, Kräuterabkochungen) an aufeinanderfolgenden Tagen (Tag 8–15).
    • Nasya: Zum Ende des stationären Aufenthalts hin werden nasale Instillationen spezifischer medizinierter Kräuteröle durchgeführt. Diese Behandlungstechnik gilt als beste Therapie für Beschwerden im Bereich des Kopfes (Tag 16–18).

Während des gesamten stationären Aufenthalts erhält der Patient laktovegetarische Kost, die auf Grundkonstitution, Erkrankung und Therapieverlauf abgestimmt ist. Zur Veranschaulichung des Therapieverlaufs bildet [Tab. 2] noch einmal die Anwendungen in ihrem zeitlichen Ablauf ab.

Im Verlauf der stationären Behandlung kann bei normalen Blutdruckwerten auch das ayurvedische Phytotherapeutikum auf der Basis von Rauwolfia serpentina abgesetzt werden. Im Entlassungsgespräch berichtet der Patient über ein gutes Befinden mit normotonen Blutdruckwerten. Über die gesamten 2½ Monate seit der Erstkonsultation hat er 6 kg Gewicht abgenommen.

Wieder erhält der Patient ausführliche individuelle Empfehlungen zu Ernährung und allgemeiner Diätetik. Für weitere sechs Monate im Anschluss an die intensive ayurvedische Behandlung empfehlen wir dem Patienten eine Präparation aus Emblica officinalis, Terminalia chebula und Terminalia belerica (sog. Triphala) zur Regulierung der Stoffwechselkraft. Das Rauwolfia-serpentina-Präparat soll der Patient nur bei einem erneuten Anstieg des Blutdrucks wieder einnehmen. In einer Nachbeobachtungszeit von insgesamt fünf Jahren bleibt der Blutdruck ohne jegliche Medikation normal, und der Patient setzt weiterhin viele diätetische Empfehlungen engagiert um.

Ananda Samir Chopra

von 1996–2009 und seit 2011 leitender Arzt der Ayurveda-Klinik Kassel. Außerdem wissenschaftliche Tätigkeit in der Medizingeschichte mit einem Schwerpunkt auf Geschichte und Gegenwart des Ayurveda. 2009–2011 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Exzellenzcluster „Asien und Europa im globalen Kontext“ der Universität Heidelberg in einem Projekt zur modernen Geschichte des Ayurveda.

Interessenkonflikt: Der Autor erklärt, dass keine wirtschaftlichen oder persönlichen Verbindungen bestehen.

  1. Chopra AS. Diagnose im Ayurveda. In: Ranade S, Hosius C, Heckmann J. Hrsg. Ayurveda Basislehrbuch. München, Jena: Urban & Fischer; 2003: 97-125
  2. Chopra AS. Einführung in die Ayurveda-Medizin. In: Heinze S. Hrsg. Naturheilkunde und Homöopathie. Eschborn: Govi Pharmazeutischer Verlag; 2008: 245-255
  3. Chopra AS. Panchakarma-Therapie im Ayurveda. Eine gute Therapie für Gesunde und Kranke. Erfahrungsheilkunde 2012; 61 (01) 10-16
  4. Dwarakanath C. The Fundamental Principles of Ayurveda. Reprint, 3 Volumes in one bound. Krishnadas Ayurveda Series 50. Varanasi: Krishnadas Academy; 1998
  5. Jadavaji T. ed. The Charakasahita by Agniveśa revised by Charaka and Didhabala with the Ayurveda-Dīpika Commentary of Chakrapanidatta. 3rd ed.. Bombay: Niraya Sagar Press; 1941
  6. Leslie C. 1998. Asian Medical Systems: A Comparative Study. Indian Medical Tradition, ed., Vol. III. Delhi: Motilal Banarsidass Publishers; 1976
  7. Meulenbeld GJ. The many faces of Ayurveda. J Eur Ayur Soc 1995; 4: 1-10
  8. World Health Organization WHO. WHO traditional medicine strategy: 2014–2023. www.who.int/medicines/publications/traditional/trm_strategy14_23/en/ Stand: 24.03.2020