FSMEZecken & FSME: Hohe Fallzahlen für 2024 erwartet

Zecken sind mittlerweile ganzjährig aktiv. Expert*innen erwarten häufigere "Zecken-Jahre" und langfristig mehr Fälle der Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME). Impfen schützt.

Zecke auf einem Blatt
andrei310/stock.adobe.com

Forscher*innen identifizieren immer mehr sog. Naturherde - kleine, räumlich begrenzte Gebiete, in denen viele FSME-positive Zecken vorkommen.

Expert*innen erwarten langfristig steigende FSME-Fallzahlen, häufigere „Zecken-Jahre“ und eine hohe Dunkelziffer bei Infektionen mit durch Zecken übertragenen Krankheiten. Das berichteten Expert*innen auf einer Pressekonferenz der Uni Hohenheim.

Die Zahl der Fälle von Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) ist in Deutschland 2023 gesunken – doch die Entwicklung ist trügerisch. Der längerfristige Trend gehe nach oben, betonten die drei Expert*innen Dr. Rainer Oehme (Laborleiter des Landesgesundheitsamts), Prof. Ute Mackenstedt (Uni Hohenheim) und Prof. Gerhard Dobler (Nationales FSME-Konsiliarlabor). Grund dafür ist:

  • Zecken sind als Überträger der FSME mittlerweile ganzjährig aktiv.
  • Bedingt durch warme Wintertemperaturen überleben Zecken den Winter.
  • Die Zeckenaktivität ist bereits im Frühjahr sehr hoch.

FSME-Impfung wichtiger denn je

Demnach sei zu beobachten, dass in letzter Zeit alle 2 Jahre eine hohe Anzahl an FSME-Erkrankungen gemeldet werden und nicht, wie in der Vergangenheit, alle 3 Jahre. Neue Forschungen belegen außerdem eine hohe Dunkelziffer bei FSME, das Virus wird siebenmal häufiger übertragen als bisher angenommen. Die Impfung – auch für Kinder – sei daher wichtiger denn je.

In Baden-Württemberg sank die Zahl der FSME-Fälle im vergangenen Jahr auf 143 von 209 im Jahr 2022. Bayern verzeichnete nur 265 Fälle statt zuvor 291. In ganz Deutschland meldet das Robert-Koch-Institut (RKI) 527 Fälle, im Jahr 2022 waren es noch 627.

„Diese Zahlen täuschen“, betont Dr. Rainer Oehme. „Infektionszahlen unterliegen immer jährlichen Schwankungen. Doch der längerfristige Trend zeigt deutlich nach oben.“

Steigende FSME-Fallzahlen auch nördlich der Mittelgebirge

Nach wie vor finden sich 85 Prozent der FSME-Fälle in den beiden südlichen Bundesländern. Auch in Österreich und der Schweiz bleibt die Lage angespannt. „Die deutschen Mittelgebirge stellen eine Grenzlinie dar. Nördlich davon sind die Fallzahlen niedriger als im Süden“, berichtet Dr. Oehme.

Doch auch in den Regionen, die bisher nur wenige Fälle verzeichneten, sei ein deutlicher Anstieg festzustellen, so Oehme:

„Im Norden und Osten Deutschlands steigen die Fallzahlen massiv, beispielsweise in Sachsen, Brandenburg, Niedersachsen oder Thüringen. Selbst in Schweden ist ein Rekordwert verzeichnet worden.“

Frühe Zeckenaktivität und verkürzter Zyklus

2023 begann die Zeckenaktivität extrem früh, was sich in den FSME-Zahlen widerspiegelt, erklärt die Parasitologin Prof. Ute Mackenstedt.

„Auch in diesem Jahr gibt es bereits erste Fälle in Baden-Württemberg und Bayern. Bei einem Vorlauf von 4 Wochen bis zur Diagnose muss die Infektion mitten im Winter stattgefunden haben. Zecken haben also keine Winterpause mehr, das FSME-Geschehen verlagert sich nach vorne.“

Hinzu kommt, dass sich die Frequenz besonders zeckenreicher Jahre offenbar erhöht hat. „Früher hatten wir in Baden-Württemberg alle 3 Jahre besonders hohe FSME-Zahlen, seit etwa 2017 beobachten wir einen 2-jährigen Rhythmus“, beschreibt Dr. Oehme. „Demnach wäre im Südwesten in diesem Jahr mit hohen FSME-Zahlen zu rechnen.“

Immer mehr FSME-Naturherde

Die Forschenden identifizieren immer mehr sogenannte Naturherde – kleine, räumlich begrenzte Gebiete, in denen viele FSME-positive Zecken vorkommen. „Diese Bereiche können z.B. die Größe eines halben Fußballfeldes haben“, so Mackenstedt. „Im Kreis Ravensburg etwa hatten wir 2007 8 solche Naturherde, 2023 waren es bereits 25.“

In Süddeutschland gäbe es mehr Naturherde als im Norden. „Sie sind zum Teil schon 20-30 Jahre alt, aber es kommen immer mehr dazu. Die infizierten Zecken werden aus Tschechien, Polen und der Schweiz durch Tiere eingeschleppt. In Norddeutschland stammen sie aus dem Baltikum. Doch viele Fragen, auch warum diese Gebiete räumlich so begrenzt sind, können wir noch nicht beantworten.“

Hohe Dunkelziffer bei FSME-Fällen

Nicht alle FSME-Fälle werden entdeckt – das zeigen neue Forschungsergebnisse von Prof. Gerhard Dobler vom Nationalen Konsiliarlabors FSME am Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr in München. Er hat im Ortenaukreis Blutproben von Blutspender*innen untersucht. Mit einem neuen Testverfahren kann er zwischen Antikörpern aus einer Impfung und aus einer natürlichen Infektion unterscheiden.

Das Ergebnis belegt eine hohe Dunkelziffer:

„Wenn man die nicht erkannten Infektionen einbezieht, ist das Risiko einer FSME-Infektion in dem Kreis [Ortenaukreis] um ein 7-faches höher als bisher angenommen“, hält Dobler fest. „Das Infektionsgeschehen ist also sehr hoch, auch wenn eine Infektion nicht immer zur Erkrankung führt.“

Impfung wird immer wichtiger – auch für Kinder

Der Mediziner rät dringend zur FSME-Impfung. „Eine Untersuchung des RKI hat gezeigt, dass bei schweren Infektionen Langzeitfolgen möglich sind. Rund 10 Prozent von über 500 befragten Patient*innen hatten auch nach über einem Jahr noch Konzentrationsschwierigkeiten, Probleme mit der Balance oder beim Gehen“, sagt Dobler. Der Virologe empfiehlt:

FSME-Impfung

  • 3 Impfungen zur Grundimmunisierung
  • eine Auffrischimpfung alle 5 Jahre bzw. ab dem 60. Lebensjahr alle 3 Jahre
  • Die Impfung ist auch für Menschen außerhalb der Risikogebiete sinnvoll. Denn FSME-Fälle gebe es auch dort.

Auch für Kinder empfiehlt Dobler die Impfung: „Auch bei Kindern kann es einen schweren Verlauf geben – bis hin zu künstlicher Beatmung und Ernährung. Vor dem Hintergrund der steigenden Fallzahlen ist daher auch eine Impfung von Kindern dringend anzuraten.“

Hintergrund: Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME)

Die FSME-Erreger werden durch europäische Zecken wie den europäischen Holzbock, aber auch die Auwaldzecke übertragen. In den Risikogebieten liegt die Wahrscheinlichkeit einer FSME-Infektion nach einem Zeckenstich bei 1:50 bis 1:100. Nach circa 10 Tagen treten grippeähnliche Symptome auf. Bei rund einem Drittel der Patient*innen kommt es nach einer vorübergehenden Besserung zu einem erneuten Fieberanstieg und einer zweiten Krankheitsphase.

Bei leichten Verläufen klagen die Patient*innen vorwiegend über starke Kopfschmerzen. Bei schwereren Verläufen sind auch Gehirn und Rückenmark beteiligt.

Zu den Symptomen gehören:

  • Koordinationsstörungen,
  • Lähmungen,
  • Sprach- und Sprechstörungen,
  • Bewusstseinsstörungen und
  • epileptische Anfälle.

Für rund 1% der Patient*innen endet die Krankheit tödlich. Ist die Krankheit erst einmal ausgebrochen, können nur die Symptome therapiert werden. Schützen kann eine Impfung.

Quelle: Elsner/Pressekonferenz Uni Hohenheim 20.2.2024