PräventionZecken und Klimawandel: FSME wird unterschätzt

Ganz Deutschland ist inzwischen Endemiegebiet für Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME). Forscher*innen geben Empfehlungen, wie man sich schützen kann.

Zecke auf grünem Blatt, Makroaufnahme
Michael/stock.adobe.com

Zecken sind inzwischen ganzjährig aktiv, besonders durch zu kurze Kälteperioden im Winter.

Der Klimawandel begünstigt die Ausbreitung von Zecken und damit auch das Übertragungsrisiko der Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME). FSME-Fälle treten inzwischen deutschlandweit auf. Das berichteten Forscher*innen auf einer Pressekonferenz der Uni Hohenheim.

Zecken ganzjährig aktiv

Die Zecke bleibe ganzjährig aktiv und habe inzwischen selbst höher gelegene Bergregionen erobert: Der Klimawandel begünstigt die Ausbreitung von Zecken und damit auch das Auftreten der FSME, warnte die Parasitologin Prof. Ute Mackenstedt von der Uni Hohenheim. FSME-Infektionen können zudem sehr untypische Symptome hervorrufen, sodass gerade bei Kindern die Gefahr der Fehldiagnose bestehe, sagte der Mikrobiologe Prof. Gerhard Dobler vom Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr.

Ein paar Tage Frost im Winter reichten nicht: „Damit die Zecke im Winter nicht überlebt, braucht es richtig knackig tiefe Temperaturen, die wochenlang andauern. Da tiefe Temperaturen von -15 Grad durch den Klimawandel selbst in den Alpen immer seltener werden, sind die Zecken auch in den Wintermonaten aktiv“, so Mackenstedt.

In der Folge werden Zecken immer früher im Jahr und sogar ganzjährig aktiv. In Bergregionen bis zu 1200 m Höhe wurden stabile Zeckenpopulationen gefunden, berichtete die Parasitologin. Das zeigen auch Daten aus Österreich: In Tirol, Salzburg und Oberösterreich sind die Zahlen besonders angestiegen.

Zunahme von FSME

Mit den Zecken breiteten sich Krankheiten aus, deren Erreger von den Zecken übertragen werden: „Die Anzahl der FSME-Fälle hat in den letzten Jahren zugenommen“, erklärt Dr. Rainer Oehme vom Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg. 

Er weist darauf hin, dass vom Robert-Koch-Institut (RKI) in diesem Frühjahr weitere zusätzliche Land- und Stadtkreise zu Risikogebieten in Deutschland erklärt worden seien, die z.B. in Sachsen liegen. Doch bleibe die Situation bestehen, dass mehr als 80% der FSME-Fälle in Baden-Württemberg und Bayern liegen. Hotspots sind z.B. der Landkreis Ravensburg.

FSME-Viren treten in sog. Naturherden auf, d.h. in diesen Naturherden sind Zecken mit dem FSME-Virus infiziert und können es auf den Menschen übertragen. es werden immer mehr Naturherde identifiziert: "Wir können nicht mit Sicherheit sagen, dass es irgendwo in Deutschland keine Naturherde gibt", so Dobler.

Hochdynamische Situation vor allem in Süddeutschland

Vor allem in Süddeutschland sei die Situation sehr dynamisch, ergänzt Prof. Dr. Mackenstedt. Die Untersuchungen und die genetische Charakterisierung der FSME-Viren habe gezeigt, dass sich gerade hier viele verschiedene FSME-Stämme etabliert hätten, die für die Krankheitsfälle verantwortlich seien. Diese genetische Vielfalt sähe man in anderen Regionen Deutschlands nicht.

Die langjährigen Untersuchungen zeigten aber auch: Die FSME-Situation sei ein hochkomplexes vielfältiges Geschehen und Vorhersagen seien schwierig. Manche Regionen erwiesen sich über Jahre oder Jahrzehnte als FSME-Hotspot. Bei anderen schnellten die Fallzahlen innerhalb eines Jahres rapide nach oben und nähmen im nächsten Jahr wieder ab, so die Experten.

FSME: Für keine Region in Deutschland Entwarnung

Bei genauer Betrachtung der Fallzahlen stehe fest: „Wir können für keine Region in Deutschland Entwarnung geben. Was die FSME betrifft, ist Deutschland inzwischen ein bundesweites Endemiegebiet“, betont Mackenstedt.

Aus diesem Grund seien Darstellungen irreführend, die weiße Flecken auf der FSME-Karte auswiesen: „In den Gebieten sind die Fallzahlen sehr gering, was aber nicht heißt, dass dort keine FSME-Fälle gemeldet werden. Es heißt nur, dass die Anzahl nicht den Schwellenwert übersteigt, bei dem dieser Landkreis zu einem Risikogebieten erklärt wird. Auch das RKI bestätigt, dass FSME Fälle in fast allen Bundesländern auftreten.“

Atypische Symptome bei FSME

FSME sollte keinesfalls unterschätzt werden. Ein Großteil der Infizierten habe keine Symptome. Die Symptomatik sei allerdings ausgesprochen vielfältig. Nicht nur Gehirn- und Hirnhautentzündung treten auf. Zu den atypischen Symptomen zählen z.B. Symptome einer Sommergrippe wie Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen, Husten, Schnupfen, aber Magen-Darm-Symptome oder Müdigkeit. Oft klinge die Symptomatik nach 3-5 Tagen ab. Bei einem Teil der Patient*innen komme es jedoch nach dem Stadium der Besserung zu einer Meningitis oder Enzephalitis, erklärte Dobler.

"Die FSME kann auch bei Kindern einen schweren Verlauf nehmen. Hier wird häufig von einem uncharakteristischen Krankheitsbeginn berichtet, der immer wieder zu verspäteten Diagnosen oder zu Fehldiagnosen führen kann“, so der Mikrobiologe.

98% der Erkrankten hatten keinen oder unvollständigen Impfschutz

Die beste Strategie ist die Prävention, waren sich die Wissenschaftler*innen einig. So hatten 98 Prozent der FSME-Patient*innen im letzten Jahr keine oder wegen einer fehlenden Auffrischimpfung nur unzureichenden Impfschutz. Die Impfung hat eine Effektivität von über 95 Prozent und zählt zu den am besten wirksamen und am besten verträglichen Impfstoffe. Sie wird von den Krankenkassen übernommen.

Die STIKO empfiehlt die FSME-Impfung für Süddeutschland.

Verhaltenstipps

Jede*r Einzelne müsse sich fragen, wie groß die eigene Exposition ist, z.B. ob man sich oft im Wald, Park oder heimischen Garten aufhält. So haben beispielsweise Hundebesitzer, die oft im Grünen Gassi gehen, ein signifikant erhöhtes Expositionsrisiko. Ebenso Menschen, die sich oft in Wäldern, Parks oder im Garten aufhalten.

Die Expert*innen raten:

  • möglichst lange Kleidung draußen zu tragen
  • Reppellentien, also z.B. Sprays zur Zeckenabwehr, zu benutzen
  • nach dem Aufenthalt draußen den Körper nach Zecken abzusuchen

Je früher die Zecken entfernt werden, umso geringer ist das Übertragungsrisiko für FSME oder Borrelien.

Quelle: Pressekonferenz Uni Hohenheim/Klebs/Ni