RheumatologieGeschlechterspezifik rheumatischer Erkrankungen

Frauen erkranken häufiger als Männer an rheumatischen Erkrankungen. Trotzdem erfolgt bei ihnen in der Regel später die Diagnosestellung und damit gezielte Therapie. Woran liegt das?

Würfel mit Marssymbol und mit Venussymbol, dazwischen ein Würfel gekippt zwischen Gleich- und Ungleichzeichen
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One size fits all? Keineswegs. In der Rheumatologie sollte eine geschlechtsspezifische Herangehensweise in der Diagnostik und Therapie eine größere Rolle spielen, sagt PD Dr. Uta Kiltz vom Rheumazentrum Ruhrgebiet.  

Mehr Frauen als Männer erkranken

Bei der Mehrzahl der rheumatischen Erkrankungen ist der Anteil an Frauen größer als der der Männer. Dies betrifft vor allem Kollagenosen und die rheumatoide Arthritis (RA). Bei den Spondyloarthritiden ist die Geschlechterverteilung ausgewogen. Nur wenige entzündlich rheumatische Erkrankungen, z.B. der Morbus Behcet, weisen einen höheren Anteil an Männern aus.

Diese Unterschiede können u.a. auf hormonelle, immunologische und (epi)genetische Veränderungen zurückgeführt werden.

Auch im Krankheitsverlauf und der klinischen Präsentation sind bei der Mehrzahl der rheumatischen Erkrankungen Unterschiede zwischen den Geschlechtern beschrieben:

Grob zusammengefasst bedeutet das:

  • Frauen zeigen oft eine größere Vielfalt der Symptome und berichten über eine höhere Krankheitslast.
  • Männer können tendenziell einen schwereren Krankheitsverlauf haben.

Frühere Diagnosestellung bei Männern

Gut dokumentiert ist, dass bei Männern die Diagnose einer rheumatischen Erkrankung früher als bei Frauen gestellt wird. Mögliche Erklärungen sind hier:

  • Die Krankheitsschwere begünstigt die schnellere Diagnosestellung.
  • Ärztlich erwartete geschlechtsdifferente Symptome beeinflussen die Diagnosestellung.

Die spätere Diagnosestellung bei Frauen sei umso bemerkenswerter, da Frauen häufiger als Männer vor Diagnosestellung gesundheitliche Leistungen in Anspruch genommen haben. Auch Komorbiditäten treten in unterschiedlicher Häufigkeit zwischen den Geschlechtern auf:

  • Während Frauen mit Rheumatoider Arthritis häufiger u.a. Osteoporose und Depression haben,
  • sind es bei Männern eher kardiovaskuläre Erkrankungen und Diabetes [1].

Ob sich die Wirksamkeit von Medikamenten zwischen den Geschlechtern unterscheidet, ist umstritten. Evident ist jedoch, dass Frauen eine niedrigere Persistenz der immunsuppressiven Therapien zeigen und im Vergleich zu Männern deutlich seltener das Therapieziel einer niedrigen Krankheitsaktivität erreichen. Das betreffe z.B. die TNF-Blocker, die bei rheumatoider Arthritis und axialer Spondyloarthritis eingesetzt werden, so Kiltz.

Eine Ursache könnte sein, dass Frauen in der Selbstauskunft die Krankheitsaktivität höher einschätzen als Männer. Zudem können rheumatische Erkrankungen soziale und psychologische Folgen haben, die sich auf Männer und Frauen unterschiedlich auswirken können, z.B. Unterschiede in gesellschaftlichen Erwartungen und Rollenbildern.

Hier bestehe noch erheblicher Forschungsbedarf, um die Kontextfaktoren so weit zu verstehen, dass eine personalisierte Medizin möglich ist. Geschlechtsspezifische Unterschiede in der Rheumatologie sind komplex und können durch viele Faktoren beeinflusst werden. Eine individualisierte Herangehensweise unter Berücksichtigung der geschlechtsspezifischen Unterschiede, kann dazu beitragen, Diagnose und Behandlung besser auf die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten abzustimmen.

Quelle: Pressekonferenz 51. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie

 Literatur

[1] Albrecht K, Strangfeld A. Geschlechtsspezifische Unterschiede in Diagnostik und Therapie entzündlich-rheumatischer Erkrankungen. Die Innere Medizin 2023; doi: https://doi.org/10.1007/s00108-023-01484-3