GesundheitspolitikErnährung: Privatangelegenheit oder staatliche Aufgabe?

Der Bürgerrat "Ernährung im Wandel" hat seine Empfehlungen an den Deutschen Bundestag vorgelegt. Bleibt zu hoffen, dass daraus kein Papiertiger wird, sagt Dr. Barbara Bitzer von der Diabetesgesellschaft.

Kleinkind leckt seinen Teller ab
Jevgenij/stock.adobe.com - Stockphoto. Posed by a Model

Kostenfreies Mittagessen in Kitas und Schulen und frühe Ernährungsbildung stehen ganz oben bei den Empfehlungen des Bürgerrats Ernährung im Wandel.

Der vom Deutschen Bundestag beauftragte Bürgerrat Ernährung im Wandel hat am vergangenen Wochenende seine Empfehlungen vorgelegt. Diese Maßnahmen priorisierten die Teilnehmer*innen am höchsten:

  1. Investition in die Zukunft: Kostenfreies Mittagessen für alle Kinder als Schlüssel für Bildungschancen und Gesundheit
  2. Bewusstes Einkaufen leicht gemacht durch ein verpflichtendes staatliches Label
  3. Verpflichtende Weitergabe von genießbaren Lebensmitteln durch den Lebensmitteleinzelhandel
  4. Lebensbedingungen und Herkunft von Tieren transparent darstellen
  5. Fördern statt Fordern – neuer Steuerkurs für Lebensmittel
  6. Gesunde, ausgewogene und angepasste Gemeinschaftsverpflegung in Krankenhäusern, Reha-, Senioren- und sonstigen Pflegeeinrichtungen
  7. Verbrauchsabgabe zur Förderung des Tierwohls
  8. Altersgrenze für Energydrinks
  9. Mehr Personal für Lebensmittelkontrollen und bessere Transparenz der Ergebnisse für die Öffentlichkeit

Eine Querschnittsempfehlung des Bürgerrates ist Aufklärung und Bildung als Fundament für alle Empfehlungen.

Der Bürgerrat spricht sich insgesamt für mehr Aufklärung und Transparenz aus, aber auch für Eigenverantwortung ohne Verbote. Eine Lenkungssteuer z.B. für stark zuckerhaltige Getränke, empfiehlt der Bürgerrat nicht, da die Reaktion der Verbraucher*innen darauf nicht vorhersehbar sei und möglicherweise auf andere ggf. ebenso schädliche Produkte umgestiegen wird. Vielmehr sollten Anreize bei den Herstellern gesetzt werden, gesunde Getränke zu produzieren. Nicht zuletzt sollten Menschen mit niedrigem Einkommen nicht zusätzlich belastet werden.

Kommentar

Dr. Barbara Bitzer von der Deutschen Allianz Nicht übertragbare Krankheiten (DANK) kommentiert:

„Die Empfehlungen des Bürgerrates sind eindeutig und zeigen, was die Menschen in unserem Land wirklich wollen. Eine gesunde, klimafreundliche und bezahlbare Ernährung für alle Menschen ist nur möglich, wenn es auch bei der Lebensmittelbesteuerung keine Denkverbote mehr gibt. Die steuerliche Entlastung von gesunden Lebensmitteln wie Obst, Gemüse und Hülsenfürchten und eine höhere Besteuerung von Zucker machen die gesunde Wahl zur einfacheren Wahl und führen auch zu Einsparungen im Gesundheitssystem im Bereich ernährungsbedingter Erkrankungen. Die wichtigen und richtigen Empfehlungen des Bürgerrates dürfen jetzt aber nicht zu einem weiteren geduldigen Papiertiger werden. Eine gesunde und nachhaltige Ernährung kann nur funktionieren, wenn wir das Mehrwertsteuersystem für Lebensmittel grundlegend überdenken. Das ist nun die Hausaufgabe für die Bundesregierung.“

Bürgerrat Ernährung im Wandel

Der Deutsche Bundestag setzt Bürgerräte ein, um jenseits von Meinungsumfragen und Lobbyismus zu konkreten politischen Fragestellungen direkte Rückmeldungen aus der Mitte der Gesellschaft zu erhalten.

Die 160 Mitglieder des Bürgerrats Ernährung im Wandel wurden ausgelost und tagten seit September 2023 an 3 Präsenzwochenenden und 6 Online-Sitzungen. Ein wissenschaftlicher Beirat, für den alle Fraktionen des Deutschen Bundestags Experten benannt haben, unterstützte den Bürgerrat bei seiner Arbeit. Eine wissenschaftliche Evaluation begleitet den Bürgerrat. Die Auswertung wird voraussichtlich Ende Februar 2024 vorliegen.

Quellen: Deutscher Bundestag/DANK

Lesen Sie im neuen Spezialthema:

  • Blutegeltherapie und Cantharidenpflaster gegen Schmerzen
  • Schröpfen: Therapieoption bei Schmerzen
  • Evidenzbasierte Aromatherapie bei Schmerzen
  • Heilpflanzen bei Rückenschmerzen