OnkologieErnährung bei Krebs: Was sind die Fakten?

Essenziell in Prävention und Therapie ist die Konzentration auf eine gesunde Ernährung, ein gesundes Körpergewicht und nicht auf einzelne Ernährungsfaktoren oder Ergänzungsmittel.

Gemüse, Hülsenfrüchte, Kartoffeln, Ballaststoffe
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Ballaststoffe kommen ausschließlich in pflanzlichen Lebensmitteln vor. Sie fördern eine gesunde Darmflora und ein gesundes Immunsystem.

Eine wichtige und wirksame Maßnahme zur Krebsprävention bildet die Verringerung der Exposition gegenüber Risikofaktoren. Das berichtete die Gastroenterologin Prof. Martina Müller-Schilling vom Uniklinikum Regensburg auf einer Pressekonferenz.

Zu den Risikofaktoren zählen z.B.

  • verhaltensbedingte Faktoren wie Tabakkonsum, schädlicher Alkoholkonsum, ungesunde Ernährung und Bewegungsmangel,
  • Stoffwechselfaktoren wie Bluthochdruck, Übergewicht, hoher Cholesterinspiegel) und
  • Umweltfaktoren wie Luftverschmutzung [1,5].

Müller-Schilling nahm insbesondere die Ernährung in den Fokus und berichtete über den aktuellen Stand der Wissenschaft.

Ausgewogene, pflanzenbasierte Ernährung

Eine ausgewogene, pflanzenbasierte, gesunde Ernährung spielt eine wichtige Rolle in der Vorbeugung von Krebserkrankungen.

Eine Zusammenfassung der Empfehlungen für die Ernährung und Prävention finden sich z.B. in den Empfehlungen des World Cancer Research Fund, den Empfehlungen der Internationalen Krebsforschungsagentur (International Agency for Research on Cancer, IARC), im Europäischen Kodex zur Krebsbekämpfung (12 Möglichkeiten Ihr Krebsrisiko zu senken) und in den 10 Regeln der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE).

Konkrete Empfehlungen sind:

  • Essen Sie häufig Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte, Nüsse, Obst und Gemüse.
  • Schränken Sie Ihre Ernährung mit kalorienreichen Nahrungsmitteln ein, die einen hohen Fett- oder Zuckergehalt haben, und vermeiden Sie zuckerhaltige Getränke.
  • Vermeiden Sie industriell verarbeitetes Fleisch und essen Sie weniger rotes Fleisch und salzreiche Lebensmittel.

Die Ernährungswissenschaft unterteilt industriell verarbeitete Lebensmittel in zwei Klassen: processed foods, was so viel wie verarbeitete Produkte bedeutet, und highly processed (ultra-processed) foods, was man mit hoch verarbeiteten Lebensmitteln übersetzen kann. Der Verzehr eines hohen Anteils von hochverarbeiteten Lebensmitteln geht mit einem erhöhten Risiko für Übergewicht, Diabetes und Krebs einher.

Um einzuschätzen, welchem Grad der Verarbeitung ein Lebensmittel unterliegt, kann die NOVA-Klassifikation verwendet werden.

Fleischverzehr und Krebsrisiko

Im Fokus der IARC steht die Prävention von Krebserkrankungen. Die Einrichtung der WHO analysiert die Ursachen von Krebserkrankungen und nimmt eine Einstufung in fünf verschiedenen Kategorien vor.

Die fünf Kategorien sind wie folgt eingeteilt:

  • Gruppe 1: karzinogen für Menschen,
  • Gruppe 2A: wahrscheinlich karzinogen,
  • Gruppe 2B: möglicherweise karzinogen,
  • Gruppe 3: nicht klassifiziert,
  • Gruppe 4: wahrscheinlich nicht karzinogen.

Die IARC hat verarbeitetes Fleisch in die Gruppe 1 ihrer „Carcinogenic Classification Groups“ eingestuft, es gilt damit als karzinogen. Verarbeitetes Fleisch bezeichnet Fleischprodukte, die beispielsweise zu Wurst verarbeitet wurden und/oder durch Pökeln, Räuchern oder auf andere Art haltbar oder geschmacklich verändert wurden. Die darin verwendeten Inhaltsstoffe können krebserregend sein, so etwa polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe oder Nitrosamine.

Rotes Fleisch gehört zu Gruppe 2a. Laut der IARC steigt das individuelle Risiko einer Krebserkrankung mit der gegessenen Fleischmenge.

In der IARC-Studie [6, 7] heißt es:

„Jede verzehrte Portion verarbeiteten Fleischs von täglich 50 Gramm erhöht das Darmkrebsrisiko um 18 Prozent.“

Ballaststoffe schützen

Die WHO und die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfehlen eine tägliche Verzehrmenge von mindestens 30 g Ballaststoffen.

Ballaststoff sind Nahrungsfasern, die vom menschlichen Verdauungssystem nicht verdaut werden können und weitestgehend mit dem Stuhl ausgeschieden werden. Sie kommen ausschließlich in pflanzlichen Lebensmitteln vor, vornehmlich in Gemüse, Obst, Samen und Nüssen, Hülsenfrüchten und Getreide. Ballaststoffe halten eine gute Darmflora vor und fördern die Produktion von Immunmodulatoren, die für ein gesundes Immunsystem sorgen. Ein hoher Verzehr von Ballaststoffen senkt das Diabetesrisiko und das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Ballaststoffe schützen vor Darmkrebs [8].

Nahrungsergänzungsmittel bei Mangel sinnvoll

Nahrungsergänzungsmittel und Vitamine bei Krebs machen in der Regel nur dann Sinn, wenn ein Mangel im Blut festgestellt wurde. Dies gilt zum Beispiel für Patient*innen, die an Magenkrebs leiden, wenn eine teilweise oder vollständige Entfernung des Magens notwendig war. Viele Betroffene benötigen beispielsweise Vitamin B12 als Injektion, da die Aufnahme über den Magen nicht mehr möglich ist.

Ketogene Diät ohne Benefit

Es gibt keine wissenschaftlichen Ergebnisse, die zeigen, dass eine ketogene Diät das Wachstum oder die Metastasierung eines Tumors bei Patient*innen mit Krebs verhindern oder die Wirksamkeit oder Verträglichkeit einer Chemo- und/oder Strahlentherapie verbessern kann, berichtete Müller-Schilling.

Ketogene oder kohlenhydratarme Diäten zeichnen sich im Vergleich zu den nationalen Empfehlungen für die Nährstoffzufuhr der DGE durch einen hohen Fettanteil bei gleichzeitig geringem Kohlenhydratanteil von meistens <70 g täglich aus.

Von höchster klinischer Bedeutung ist, dass ketogene Diäten – bei fehlendem Benefit – das Risiko einer Mangelernährung bereits innerhalb weniger Wochen erhöhen.

Fazit: Die ketogene Diät ist einseitig und für die Patient*innen belastend und eine „Krebsdiät“ gibt es nicht.

Möglichkeiten bei Mangelernährung

Eine Mangelernährung ist bei Krebspatient*innen sehr häufig. 30 bis 50 Prozent zeigen bereits bei der Diagnose erste Anzeichen. Daher soll ausreichend Energie über die Nahrung zugeführt werden. Allgemein wird eine höhere Eiweißzufuhr von 1,2 – 1,5 g/kg Körpergewicht pro Tag empfohlen [12].

Patient*innen, die mangelernährt sind, empfiehlt die Gastroenterologin zunächst: Essen und trinken Sie alles, was Ihnen schmeckt und was Sie gut vertragen.

Bevorzugt sollte der Energie- und Nährstoffbedarf über die normale Nahrungsaufnahme, d.h. als orale Ernährung, gedeckt werden. Hier kommt es weniger darauf an, welche Lebensmittel verzehrt werden, sondern dass der Energie- und Nährstoffbedarf ausgeglichen wird.

Oft reiche eine normale Ernährung jedoch nicht mehr aus, dann sollten verschiedene Stufen einer Ernährungstherapie zum Einsatz kommen: Diese reichen von normaler Kost über zusätzliche Trinknahrung bis zur Ernährung über eine Magensonde und Infusionen mit den benötigten Nährstoffen [12].

Gesundes Körpergewicht und körperliche Aktivität

Es besteht starke Evidenz, dass eine höhere Körperfettmasse eine Ursache für viele Krebsarten darstellt. Der gesunde (bzw. von der WHO als normalgewichtig definierte) BMI-Bereich liegt für Erwachsene bei 18,5-24,9 kg/m2.

Adipositas führt zu erhöhter Produktion von systemischen Entzündungs-Botenstoffen und zu Veränderungen im Stoffwechsel und Hormonhaushalt, die das Zellwachstum begünstigen.

Körperliche Aktivität hingegen fördert ein gesundes Immunsystem. Es besteht starke Evidenz, dass der Verzehr von Ballaststoffen vor Gewichtszunahme, Übergewicht und Adipositas bewahrt.

Jede dritte Krebserkrankung ist vermeidbar

Die WHO geht davon aus, dass sich weltweit 30 bis 50 Prozent aller Krebsfälle verhindern lassen [1]. In Deutschland sind gemäß Schätzungen des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) mindestens 37 Prozent aller Krebsneuerkrankungsfälle durch vermeidbare oder zumindest beeinflussbare Risikofaktoren erklärbar [2].

Krebs ist weltweit für einen von acht Todesfällen verantwortlich und hat die Herz-Kreislauf-Erkrankungen als führende Todesursache in vielen Teilen der Welt „überholt“. In 134 von 183 Ländern stellt Krebs die häufigste oder zweithäufigste Ursache für einen vorzeitigen Tod (d.h. im Alter von 30 bis 69 Jahren) dar. Im Jahr 2019 sind nach Schätzung des Zentrums für Krebsregisterdaten in Deutschland rund 502.655 Krebserkrankungen erstmalig diagnostiziert worden [3, 4].

Assoziation von Diabetes und gastrointestinalen Tumoren

Die Assoziation von Diabetes mellitus und Krebs des Gastrointestinaltrakts ist belegt für das Adenokarzinom der Speiseröhre, das Kardiakarzinom, das hepatozelluläre Karzinom (Leberkrebs), Karzinome der Gallenblase und der Gallenwege, das Pankreaskarzinom und Dickdarmkrebs. Ein Diabetes mellitus steigert das Darmkrebsrisiko in ähnlichem Maß wie eine familiäre Vorbelastung [9, 10].

Alkohol vermeiden

Mehr als 20.000 Krebsneuerkrankungen ließen sich in Deutschland im Jahr 2022 auf den Konsum von Alkohol zurückführen. U.a. führt Alkoholkonsum zu einem erhöhten Risiko für die Entstehung von Krebs in Mund und Rachen, Kehlkopf-, Speiseröhren-, Darm-, Leber-, Magen- und Bauchspeicheldrüsenkrebs.

Bereits ein geringer Alkoholkonsum von bis zu 12,5 Gramm Alkohol/Tag führt zu einem erhöhten Risiko für die Entstehung von Krebs in Mund und Rachen, der Speiseröhre und der weiblichen Brust.

Zur Reduktion des Krebsrisikos sei der völlige Verzicht auf Alkohol am besten [11]. Zumindest sollte aber der Alkoholkonsum reduziert werden.

Fazit

Jede Krebserkrankung ist unterschiedlich. Auch bei gesunder Ernährung und viel Bewegung kann man an Krebs erkranken. Es werde jedoch immer besser verstanden, wie Ernährung und Aktivität einen für Krebs mehr oder weniger förderlichen Stoffwechselzustand hervorrufen und so das Krebsrisiko und den Krankheitsverlauf beeinflussen können, sagt Martina Müler-Schilling. Essenziell ist die Konzentration auf eine gesunde Ernährung, ein gesundes Körpergewicht und nicht auf einzelne Ernährungsfaktoren oder Ergänzungsmittel.

Quelle: Pressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten/14.6.2023

Literatur

[1] World Cancer Research Fund International, American Institute for Cancer Research. Diet, nutrition, physical activity and cancer: A global perspective a summary of the Third expert report. London: World Cancer Research Fund International; 2018

[2] Behrens G, Gredner T, Stock C et al. Cancers Due to Excess Weight, Low Physical Activity, and Unhealthy Diet. Deutsches Arzteblatt international 2018; 115(35-36): 578–585

[3] Krebsdaten. https://www.krebsdaten.de/Krebs/DE/Home/homepage_node.html (11.06.2023)

[4] Cancer Trends. https://www.wcrf.org/cancer-trends/ (11.06.2023)

[5] Weissbuch Gastroenterologie 2020/21; 2023. https://www.dgvs.de/publication/weissbuch-gastroenterologie-2020-21/

[6] Chang K, Gunter MJ, Rauber F et al. Ultra-processed food consumption, cancer risk and cancer mortality: a large-scale prospective analysis within the UK Biobank. EClinicalMedicine 2023; 56: 101840

[7] IARC. https://www.iarc.who.int/ (11.06.2023)

[8] Müller-Schilling M. Balaststoffe. BR Fernsehen. https://www.br.de/br-fernsehen/sendungen/gesundheit/ballaststoffe-ernaehrung-verdauung-100.html (11.06.2023)

[9] Ali Khan U, Fallah M, Tian Y et al. Personal History of Diabetes as Important as Family History of Colorectal Cancer for Risk of Colorectal Cancer: A Nationwide Cohort Study. The American journal of gastroenterology 2020; 115(7): 1103–1109

[10] Pearson-Stuttard J, Bennett J, Cheng YJ et al. Trends in predominant causes of death in individuals with and without diabetes in England from 2001 to 2018: an epidemiological analysis of linked primary care records. The lancet. Diabetes & endocrinology 2021; 9(3): 165–173

[11] WHO - alcohol consumption. https://www.who.int/europe/news/item/04-01-2023-no-level-of-alcohol-consumption-is-safe-for-our-health (11.06.2023)

[12] Muscaritoli M, Arends J, Bachmann P et al. ESPEN practical guideline: Clinical Nutrition in cancer. Clinical nutrition (Edinburgh, Scotland) 2021; 40(5): 2898–2913