PsycheZukunftsangst unter Jugendlichen wächst weltweit

Immer mehr Jugendliche weltweit sorgen sich aktiv um ihre Zukunft. Die Sorge um die Zukunft wiegt dabei schwerer als Stress mit Familie und Freunden.

Zwei Schilder: Vergangenheit und Zukunft
Quelle: K. Oborny/Thieme

Mädchen berichten über deutlich mehr Zukunftsangst als Jungen.

Eine neu Studie zeigt: Zukunftsängste unter Jugendlichen nehmen weltweit zu. Persönliche Probleme mit Familie und Freunden treten dahinter zurück. Sorgten sich Heranwachsende vor 30 Jahren vor allem um ihre eigene Zukunft, stehen heute gesamtgesellschaftliche Bedrohungen im Fokus. Sie versuchen aber auch, ihre Probleme aktiv zu lösen. Dies sei ein wichtiger Schutz gegen Hoffnungslosigkeit und den daraus häufig resultierenden psychischen Störungen, so die Studienleiterin Dr. Inge Seiffge-Krenke.

Die Forscherin hat häufige Stressfaktoren unter Jugendlichen untersucht, darunter auch Zukunftsängste. In Zusammenarbeit mit 17 Universitäten weltweit hat sie 17742 Heranwachsende im Alter von 15 Jahren dazu befragt, was sie belastet und wie sie damit umgehen.

Zukunftsangst in allen Ländern der wichtigste Stressor

„Angesichts der deutlich unterschiedlichen Lebenskontexte und ökonomischen Bedingungen in den verschiedenen Regionen überraschte, dass Zukunftsangst in allen Ländern der wichtigste Stressor war“, berichtet die Entwicklungspsychologin. Dabei fanden sich die höchsten Werte bei Jugendlichen aus Südeuropa, dem Mittleren Osten und Lateinamerika. Jugendliche aus Nordamerika wiesen die niedrigste Zukunftsangst auf. Auch in Deutschland waren die Belastungswerte vergleichsweise niedrig. Dabei korrelieren die Ergebnisse mit der Jugendarbeitslosigkeit in den jeweiligen Regionen.

Sorge um die Zukunft wiegt schwerer als Stress mit Familie und Freunden

Über alle Länder hinweg zeigt sich, dass Zukunftsangst als Stressfaktor schwerer wiegt als etwa Probleme mit den Eltern oder mit Freunden. Wie belastend die Unstimmigkeiten erlebt werden, variiert je nach Herkunftsland. Laut Inge Seiffge-Krenke hänge das auch mit den jeweils mehr oder weniger strikten Erziehungsvorstellungen zusammen.

Des Weiteren fällt auf, dass die Ängste nicht mehr auf die persönliche Zukunft beschränkt sind. „Die Sorge um die Umweltzerstörung ist nicht nur eine Zukunftsangst der Jugendlichen Mittel-, Ost- und Südeuropas, sondern auch ein bedeutsamer Stressor für südamerikanische Jugendliche“, merkt die Studienautorin an. Heranwachsenden aus Asien, dem Mittleren Osten und Nordamerika fühlen sich im Vergleich dazu weniger durch die Umweltzerstörung betroffen. Diese Angst rangiert bei ihnen auf den hinteren Plätzen 6 und 7, nicht wie bei den anderen auf 2 und 3.

Die Mehrheit der Jugendlichen bewältigt Ängste aktiv

Die meisten der Befragten wenden sogenannte adaptive Bewältigungsstrategien an. Das heißt, sie reflektieren ihre Probleme, suchen Unterstützung bei Eltern und Freunden und aktiv nach Lösungen. Andere geben ihren negativen Gefühlen einen Raum und versuchen sich etwa beim Tanzen oder Sport abzureagieren. „Dieser Bewältigungsstil ist bei Jugendlichen aus Südeuropa und Lateinamerika häufiger anzutreffen als bei solchen aus anderen Teilen der Welt“, so Seiffge-Krenke. Umgekehrt zögen sich nur zwischen 15 und 30 Prozent der Heranwachsenden angesichts ihrer Ängste zurück oder leugneten sie. „Diese Strategie war insbesondere bei Jugendlichen aus Asien oder dem mittleren Osten zu beobachten. Die Emotionskontrolle spielt dort eine wichtige Rolle. Offene Auseinandersetzungen gelten nicht als angemessen“, erklärt sie.

Mädchen sind gestresster, aber auch aktiver

In vielen Ländern waren auffallende Geschlechtsunterschiede messbar: Mädchen berichten über deutlich mehr Zukunftsangst als Jungen. Dabei waren sie in ihren Bewältigungsbemühungen aber aktiver als ihre männlichen Altersgenossen, insbesondere was die Suche nach Unterstützung angeht.

„Die Tatsache, dass Jugendliche sich aktiv mit ihren Zukunftsängsten auseinandersetzen, puffert in besonderem Maße das Gefühl der Hoffnungslosigkeit. Dadurch reduziert sich das Risiko für psychische Störungen wie Depressionen und Suizidalität. Das ist, trotz steigender Zukunftsängste, eine positive Nachricht“, so Inge Seiffge-Krenke abschließend.

Quelle: PiD Psychotherapie im Dialog 2023, 24 (2); S. 18-22