TransfusionsmedizinKünstliches Blut könnte Mangelsituationen beseitigen

Die Forschung zur Herstellung von künstlichem Blut schreitet weiter voran. Menschen mit seltenen Blutgruppen oder Unverträglichkeiten könnten künftig davon profitieren.

Illustration roter Blutkörperchen in der Blutbahn.
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Künstliches Blut soll zukünftigen Mangelsituationen entgegenwirken und vor allem bei Menschen mit seltenen Blutgruppen eingesetzt werden.

Menschen, die zur Behandlung von Krankheiten oder nach schweren Unfällen eine Bluttransfusion benötigen, sind bisher auf Blutspenden von gesunden Menschen angewiesen. In Zukunft könnten rote Blutzellen (Erythrozyten) und Blutplättchen (Thrombozyten) künstlich in speziellen Produktionsanlagen, sogenannten Blutfarmen, hergestellt werden. Dadurch könnten Mangelsituationen beseitigt und Risiken vermindert werden. Die Zellen könnten zudem zur gezielten Arzneimittelgabe verwendet werden.

Auch Menschen mit seltenen Blutgruppen oder Unverträglichkeiten gegen Blutplättchen könnten davon profitieren, weil es hier oft schwierig ist, passende Blutprodukte zu finden. Doch bis Blutzellen in ausreichender Menge im Labor produziert werden können, sind noch einige Hürden zu überwinden, wie Expert*innen der Deutschen Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie (DGTI) betonen, die derzeit intensiv zur künstlichen Herstellung des Blutes forschen.

Künstliche Blutkörperchen können Blutspenden nicht ersetzen

Erste Transfusionen von künstlichen, im Labor hergestellten roten Blutkörperchen wurden bereits vor 10 Jahren in Frankreich und kürzlich auch in England durchgeführt. „Die Menge der dort transfundierten Erythrozyten war jedoch sehr gering. Sie entsprach nur 1 Prozent des Gehalts an roten Blutkörperchen, die in einer regulären Vollblutspende enthalten sind“, so Prof. Hubert Schrezenmeier, 1. Vorsitzender der DGTI. „Das zeigt, dass die im Labor hergestellten Blutprodukte auf absehbare Zeit nicht die Mengen ersetzen können, die sich aus einer Vielzahl an Blutspenden ergeben. Deshalb bleibt es unerlässlich, dass Menschen regelmäßig zur Blutspende gehen. Dennoch ist die Forschung in diesem Bereich sehr wichtig, denn gerade für die Versorgung von Menschen mit seltenen Blutgruppen liegt darin eine große Chance", so der Experte.

Rote Blutkörperchen werden von bestimmten Stammzellen im Knochenmark gebildet. Um also künstliches Blut im Labor herzustellen, benötigen die Wissenschaftler*innen Stammzellen. Mittlerweile ist es möglich, jede beliebige Körperzelle genetisch zu einer Stammzelle umzuprogrammieren. Die notwendige Massenproduktion scheitert derzeit jedoch daran, dass die roten Blutkörperchen einen langen Reifungsprozess bei ihrer Bildung im Knochenmark durchlaufen, bevor sie ins Blut abgegeben werden.

Bioreaktoren sollen Abhilfe schaffen

„Derzeit erforschen wir, wie sich dieser Prozess beschleunigen lässt“, erklärt Prof. Torsten Tonn vom Institut für Transfusionsmedizin in Dresden. Die Hoffnung des Wissenschaftlers liegt dabei auf sogenannten Vorläufer-Zellen, die in der Lage sind, größere Mengen von Erythrozyten zu produzieren.

Ein Forschungsteam des Instituts für Transfusionsmedizin und Transplantat Engineering der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) hat bereits Blutplättchen im Labor erzeugt. Die Thrombozyten werden natürlicherweise von den Megakaryozyten produziert, welche sich im Knochenmark befinden. Diese blutbildenden Zellen haben die Forscher*innen aus induzierten Stammzellen hergestellt und anschließend in Zellkulturen vermehrt. „Die Stammzellen wurden gentechnisch so modifiziert, dass sie später nicht als Fremdblut vom Immunsystem des Empfängers erkannt werden“, erläutert Prof. Blasczyk.

Die Zellen eignen sich zudem besonders gut, um als eine Art Arzneimittel-Fähre zur gezielten Arzneimittelgabe verwendet werden zu können. Die MHH-Expert*innen konnten bereits in Mäusen zeigen, dass die menschlichen Megakaryozyten aus dem Labor in der Lage sind, Blutplättchen in ausreichender Menge zu produzieren.

In Zukunft sollen Bioreaktoren diese Aufgabe übernehmen. „Alternativ ist es auch denkbar, dass Megakaryozyten statt Thrombozyten infundiert werden, aus denen sich dann in vivo, also im lebendigen Organismus, die wirksamen Thrombozyten bilden“, erklärt Prof. Figueiredo. Die für eine Anwendung am Menschen erforderlichen Zellmengen können schon jetzt in Bioreaktoren erzeugt werden.

Forschung steckt noch in Kinderschuhen

„Das sogenannte Blood Pharming befindet sich noch in einem sehr frühen Entwicklungsstadium“, laut Schrezenmeier. Zunächst müsse die Sicherheit und Wirksamkeit sorgfältig überprüft werden. „Dass Blood Pharming einmal die Blutspenden vollständig ersetzen wird, ist derzeit kaum vorstellbar. Dennoch macht die Forschung auf diesem Gebiet wichtige Fortschritte, die in Zukunft insbesondere bei der Versorgung von Menschen mit seltenen Blutgruppen eine wichtige Rolle spielen werden“, so Schrezenmeier.

Quelle: Pressemitteilung/Deutsche Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie