Koronare HerzkrankheitPsychokardiologie bei koronaren Herzerkrankungen

Stress und psychische Erkrankungen können kardiovaskuläre Erkrankungen negativ beeinflussen. Demgegenüber können akute kardiale Ereignisse und chronische Herzerkrankungen behandlungsbedürftige psychische Symptome auslösen.

Yoga-Klasse in Rückenentspannungslage
AntonioDiaz/stock.adobe.com

Zu den gesundheitserhaltenden Interventionen bei KHK-Patienten gehört auch die Verbesserung der Selbstfürsorge, z.B. durch Entspannung oder Sport.

von Ludmila Peregrinova und Bettina Hamann

Inhalt

Definition Psychokardiologie

Psychokardiologie in der Patientenversorgung

Psychosoziale Risikofaktoren

Psychische Erkrankungen

Persönlichkeitsfaktoren

Belastungen am Arbeitsplatz und in der Familie

Ein Fall aus der Praxis

Voraussetzungen für psychokardiologische Behandlungen

Besonderheiten in der Krankheitsbewältigung

Fazit

Literatur

Die Entwicklung des Fachgebiets Psychokardiologie begann mit alltagssprachlichen Formulierungen und Sprichwörter zu physiologischen und symbolischen Funktionen des Herzens [3]. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden erste ernsthafte wissenschaftliche Forschungen zu psychosozialen Faktoren angestrebt, von welchen angenommen wurde, dass sie die Entstehung und den Verlauf von Herzerkrankungen beeinflussen. Die späteren Jahre wurden durch die zunehmende Beschäftigung mit der emotionalen Bewältigung und Verarbeitung von medizinischen Eingriffen und psychischen Folgen von Krankheiten geprägt. Zuletzt rückten vor allem die Entwicklung und Evaluation von psychologisch begründeten Interventionen in den Vordergrund, unter der Berücksichtigung und Erforschung psychosozialer Risikofaktoren.

Inzwischen ist das Versorgungsspektrum der neuen Disziplin vielfältig und anwendbar bei Patienten mit Hypertonie, Herzinsuffizienz, Rhythmusstörungen, nach Herzstillstand, vor und nach Herztransplantationen oder schweren Herzoperationen und -eingriffen sowie angeborenen Herzproblemen. Zentral ist die Behandlung von Patienten mit emotionalen Zuständen (z.B. ausgeprägten Ängsten, die die Krankheitsbewältigung und das Wiederauftreten von kardialen Ereignissen begünstigen können).

Speziell bei Menschen, die ihre Risikofaktoren ändern wollen und es nicht schaffen, ist eine psychokardiologische Hilfestellung indiziert.

In der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie existiert inzwischen eine eigene Arbeitsgruppe Psychosoziale Kardiologie, die ein zertifiziertes Fortbildungsprogramm zur psychokardiologischen Grundversorgung für Ärzte und Psychotherapeuten anbietet. Dies führte in den letzten Jahren zur Etablierung einer kleinen, aber beachtlichen psychokardiologischen ambulanten Szene und zur Erweiterung stationärer Versorgungsangebote. Ebenfalls steht ein Informationsportal zur Verfügung, in dem aktuelle Publikationen zum Download sowie Kontaktdaten von Experten und Akut-/Rehakliniken bereitgestellt werden, die zu einer besseren Vernetzung und interdisziplinärem Austausch beitragen.

Neben der Bedeutsamkeit von festen Markern ist der Einfluss von akuten oder chronischen umwelt- und personenbezogenen Eigenschaften sowie kritischen Lebensereignissen bei der Entstehung kardiovaskulärer Erkrankungen in den letzten Jahren deutlich gewachsen – und hat (aufgrund ihrer wissenschaftlichen Evidenz) Einzug in die wichtigsten kardiologischen Leitlinien gefunden [14][15]. Einerseits erhöhen psychosoziale Risikofaktoren (z.B. akuter und chronischer Stress im sozialen Umfeld, Persönlichkeitsfaktoren und psychische Erkrankungen) die kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität [1]. Andererseits übt eine akute sowie chronische Herzerkrankung Effekte auf die seelische Gesundheit aus mit langfristigen Einschränkungen der Lebensqualität und Erhöhung des Risikoverhaltens.

Eine optimale psychokardiologische Versorgungskette beinhaltet somit neben den präventiven Maßnahmen auch die Akutversorgung der Patienten nach kardialen Ereignissen, die durch die Krankenhäuser und Rehakliniken übernommen wird, und eine individuell angepasste Nachsorge.

INTERHEART-Studie

In der INTERHART-Studie ist erstmalig der Anteil für Stress von 30 % an der Entstehung eines Herzinfarkts ermittelt worden. Es zeigte sich, dass bei jüngeren Patienten Stress mit 43 % eine größere Rolle spielt als bei älteren Patienten mit 25,5 % [20]. Unter anderem wurde nach Depressivität, belastenden Lebensereignissen und finanziellen Sorgen gefragt.

Relevanter Bestandteil psychokardiologischer Diagnostik ist eine differenzierte Erfassung von Stressoren bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung.

Da Stress individuell ganz unterschiedliche Auslöser haben kann, lassen wir uns in der psychokardiologischen Anamnese maßgeblich vom Ausmaß der subjektiv empfundenen Belastung des Patienten leiten. Gemeinsam wird hieraus dann ein biopsychosoziales Modell erstellt, das den wechselseitigen Zusammenhang zwischen Auslösern, aufrechterhaltenden psychosozialen Belastungen und Entstehung einer koronaren Herzerkrankung (KHK) hypothetisch erklärt. Dieses Modell dient als Grundlage für die weitere Planung der psychokardiologischen Behandlung. Es ermöglicht dem Patienten eine erste Auseinandersetzung mit beeinflussbaren und veränderbaren Lebensbedingungen.

Erkennen die Patienten, dass die erhöhte körperliche oder seelische Anspannung durch berufliche Belastungen, niedrigen sozioökonomischen Status, geringe soziale Unterstützung oder ungünstige Einstellungen ausgelöst wurde und langfristig zu schädlichem Gesundheitsverhalten (z. B. Rauchen) geführt hat, sollten Bewältigungsmaßnahmen eingeleitet werden. Hierzu bieten sich Stressbewältigungs-, Problemlöse- und Kompetenztrainings sowie Entspannungsverfahren an. Auch eine psychotherapeutische Behandlung mit psychokardiologischem Schwerpunkt kann hier vor allem bei Vorliegen ungünstiger Risikokonstellationen und begleitender psychischer Erkrankung indiziert sein.

Psychische Erkrankungen

Depression

Unter den psychosozialen Risikofaktoren übernimmt die Depression eine Vorreiterfunktion, da für diese seelische Störung nun eine ausreichende Anzahl von neurobiologischen Untersuchungen vorliegt, die klar einen kardiotoxischen Effekt nachweisen konnten. So erhöht Depression die Inzidenz für kardiovaskuläre Neuerkrankungen und die Gesamtmortalität. Das Risiko für Herzinfarkt durch Depression steigt ca. um den Faktor 1,5–2 [8]. Depression, die im Anschluss an ein kardiales Ereignis auftritt, erhöht auch hier die Morbidität und Mortalität [11][19]. Folglich ist Depression nun als unabhängiger Risikofaktor für die Entstehung einer KHK anerkannt worden [13]. Im Vergleich zu den traditionellen Risikofaktoren entspricht der kardiotoxische Effekt von Depression ca. 1 Schachtel Zigaretten pro Tag [11].

Vermittelt wird dieser Effekt durch Verhaltensfaktoren (z.B. reduzierte Adhärenz bei der Einhaltung relevanter Änderungen des Lebensstils und Medikamenteneinnahme) als auch durch biologische Mechanismen. Interessant ist hier auch die Diskussion über Gemeinsamkeiten zwischen Depression und KHK, z.B. durch Hinweise auf gemeinsame genetische Marker [2] sowie enge Parallelen zu chronischem Stress in Form frühkindlicher Missbrauchserfahrungen.

In der klinischen Praxis besteht für den Behandler eine Gefahr der Symptomüberlappung, wie es bei Depression und Herzinsuffizienz häufig der Fall ist. Zu beachten ist, dass mit der Schwere der Herzinsuffizienz schlechte Lebensqualität und erhöhte Wahrscheinlichkeit für Depression einhergehen [16]. Grundsätzlich sollten Patienten mit KHK und Herzinsuffizienz ein Screening auf das Vorliegen einer Depression erhalten, um bei positivem Ergebnis eine weitere Diagnostik und ggf. Therapie einzuleiten [1]. Besteht bei Patienten mit einer KHK eine Indikation für antidepressive Psychopharmakotherapie, werden laut Positionspapier der DGK selektive Serotoninrückaufnahmehemmer empfohlen, dies jedoch unter Berücksichtigung von Kontraindikationen und Wechselwirkungen dieser Substanzen [1].

Angststörungen

Für Angststörungen liegen ebenfalls Studien vor, die Assoziationen zu erhöhter kardialer Morbidität und Mortalität aufweisen [1][19]. Dennoch ist der Effekt von Angst noch nicht vollständig aufgeklärt, da neue Untersuchungen auch protektive Effekte auf die Herzgesundheit beschreiben, bei allerdings eingeschränkter Lebensqualität [7]. Häufig schildern die Patienten eine starke innere Anspannung als Folge von Verunsicherung im Hinblick auf die körperliche Belastbarkeit und zukünftige Leistungsfähigkeit. Scheinwerferartig wird die Aufmerksamkeit auf den Brustbereich gelenkt und im Sinne eines „body checking“ permanent beobachtet. Dabei werden Symptome und körperliche Missempfindungen wahrgenommen, die von den Patienten zunächst nicht eingeordnet werden können und schließlich als „gefährlich“ interpretiert werden.

Die Tendenz zur „Katastrophisierung“ und Somatisierung tritt insbesondere dann auf, wenn das kardiale Ereignis akut und unerwartet aufgetreten ist sowie mit „untypischen“ Symptomen assoziiert war, die die Diagnose verzögert und erschwert haben. Zunehmende Angst und rezidivierende Panikattacken sind dann die Konsequenz einer Aktivierung dieses Teufelskreises der Angst. Kontrolle erlangt der Patient hier nur durch medizinische Rückversicherung und Vermeidungs- sowie Schonverhalten. Patienten stellen sich daher wiederholt bei ihrem niedergelassenen Arzt vor und verlangen nach ausführlicher kardialer Diagnostik. Die Beruhigung durch einen nicht pathologischen Befund hält i.d.R. nur bis zur nächsten Panikattacke oder bis zu erneuten Missempfindungen im Körper an.

Sozialer Rückzug und Vermeidung positiver Aktivitäten führen zu Depression, Symptomüberschätzung hingegen zu Chronifizierung der Angstsymptomatik. Diese kann maskiert auftreten und somit häufig im Sinne somatischer Beschwerden fehlinterpretiert werden. Zur Identifikation und Zuordnung der Symptomatik eignen sich kurze Screening-Verfahren und gezielte Fragen an die Patienten, wie ihre Ängste die Alltagsbewältigung beeinträchtigen [1][3]. Ein Feedback ärztlicherseits über die psychosomatischen und somatopsychischen Zusammenhänge zeigt häufig mehr Wirkung und schafft mehr Entlastung als ein weiteres EKG. Ebenfalls ist die Förderung einer positiven und klaren Kommunikation mit Vermeidung mehrdeutiger und verunsichernder Aussagen nötig („Ich [Arzt] glaube, da ist nichts, aber wir machen zur Sicherheit ein EKG“).

Kardiale Ereignisse und medizinische Interventionen können trotz ihrer lebensrettenden Funktion auch traumatisch wahrgenommen werden. Vegetative Übererregung, verbunden mit innerer Unruhe, Albträumen und überhöhter Selbstbeobachtung, kann dann die Folge im Sinne einer Traumafolgestörung sein. Diese kann wiederum den Blutdruck und die Wahrscheinlichkeit für kardiale Folgeereignisse erhöhen [1]. Nach einem Herzinfarkt leiden ca. 15 % der Patienten unter Symptomen einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS), nach einer Bypass-Operation sind es 8–18 % [3][10]. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit eines Screenings und der Bereitstellung von traumaspezifischen psychotherapeutischen Behandlungen.

Persönlichkeitsfaktoren

Missbrauchserfahrungen und Traumatisierungen in frühester Kindheit und Jugend prägen den Bindungsstil eines Menschen sowie dessen Persönlichkeitsentwicklung. Beide Faktoren sind wichtige Voraussetzungen für den Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung zwischen Patienten und ihren Behandlern. Die regelmäßige kardiologische Vorsorgeuntersuchung, Verlaufskontrolle nach einem akuten kardialen Ereignis oder bei chronischer Herzerkrankung mit Überprüfung und Behandlung von Risikofaktoren ist für Patienten prognostisch relevant. Können Patienten die Bindung zu ihren behandelnden ÄrztInnen nicht eingehen, so profitieren sie möglicherweise nicht von der angebotenen Therapie. In einer kürzlich veröffentlichten Studie konnte dies für herzerkrankte Patienten mit ängstlich-vermeidendem Bindungsstil gezeigt werden, die keine Besserung depressiver Symptomatik zeigten trotz Teilnahme an einer Gruppentherapie [17].

Ein abrufbares und funktionierendes soziales Netz, das als emotional und materiell unterstützend wahrgenommen wird, stellt einen maßgeblichen protektiven Faktor für die kardiale und seelische Gesundheit dar. Persönlichkeitsfaktoren können die Pflege des sozialen Netzes jedoch erschweren (z.B. bei ausgeprägter sozialer Inhibition und depressiver Verstimmung im Rahmen einer Typ-D-Persönlichkeit) sowie durch Neigung zu Feindseligkeit und heftigen Ärgerepisoden [1][4][5]. In der klinischen Praxis sollte somit eine kontinuierliche und vertrauensvolle Arzt-Patient-Beziehung aufgebaut werden, in der die individuellen Persönlichkeitstendenzen berücksichtigt werden.

Belastungen am Arbeitsplatz und in der Familie

Chronische oder mittelfristige Konflikte am Arbeitsplatz, Gratifikationskrisen, wahrgenommene mangelnde Wertschätzung von Kollegen oder Vorgesetzten sowie mehrjährige Schichtarbeit können ebenfalls pathophysiologischen Einfluss auf das Herz-Kreislauf-System nehmen [3][6][9]. Bei vielen Berufstätigen bleibt eine Hypertonie lange unentdeckt, da sie zunächst keine nennenswerten Beschwerden versursacht, bis sie chronifiziert. Wenn ein hoher Arbeitsstress mit anhaltendem Zeit- und Leistungsdruck sowie schlechte Schlafqualität hinzukommen, erhöht dies das kardiovaskuläre Risiko [12].

Speziell Frauen mittleren Alters scheinen durch Doppelbelastungen (Beruf/Familie, Pflege und Versorgung von Angehörigen) bzgl. ihres arteriosklerotischen Risikos zusätzlich gefährdet zu sein [18], da diese Anforderungen die Selbstfürsorge und folglich die Gesundheitskompetenz beeinträchtigen. Auch das Gefühl der Einsamkeit, ein zunehmendes Problem unserer Gesellschaft, kann unabhängig vom Geschlecht das KHK-Risiko steigern [1][3]. Hingegen können stabile und zufriedenstellende familiäre Konstellationen und Bindungen einen Schutzfaktor darstellen [1].

Dieser Inhalt unterliegt den Bestimmungen gemäß Heilmittelwerbegesetz (HWG) und darf nur berechtigten Personen zugänglich gemacht werden. Bitte loggen Sie sich ein, um diesen Inhalt zu sehen.

Zu den Voraussetzungen für psychokardiologische Behandlungen gehören empathisches Zuhören, Zeit sowie Respekt vor den Wahrnehmungen und Emotionen der Patienten im Rahmen kardialer Ereignisse. Dies ist eingebettet in den biografischen Kontext, Sozialisation und Lebenserfahrungen. Anamnestisch sind folgende Aspekte zu beachten:

Subjektives Krankheitsverständnis:

  • chronische ungünstige Lebensumstände (beruflicher Stress, Schlafstörung, Erschöpfung)
  • Auslöser (Tod des Vaters, familiäre Überforderung)
  • eigenes Risikoverhalten (Rauchen)
  • Konfrontation mit dem kardialen Ereignis (Reanimation, Stent) und dabei Gefühlserleben vor, während und nach dem Ereignis (Abspaltung von Gefühlen, Verleugnung, Hilflosigkeit, Niedergeschlagenheit)
  • Folgen (auch für die Familie)
  • Attribuierung
  • wahrgenommene Hilfestellungen (Arzt)

Biografie, um das kardiale Ereignis im Lebenskontext zu verstehen:

  • Diese Erkenntnisse können ressourcenorientierend genutzt werden und liefern wertvolle Informationen über Persönlichkeitstendenzen (leistungsorientiert, perfektionistisch, „Ich mache es lieber selbst“) sowie bevorzugte Coping-Strategien (Ablehnung der Hilfe, Bagatellisierung, Problemanalyse).
  • Damit erhält man konkrete Hinweise für gezielte Interventionen (Stärkung der Selbstfürsorge und der Distanzierungstechniken, Überprüfung erschwerender Einstellungen etc.).

Prognose und Zukunftsperspektiven in einem realistischen und konstruktiven Kontext:

  • Verlust von Lebensperspektiven, von Leistung und Plänen durch den entstandenen Schaden
  • eigene Erwartungen und Vorstellungen für die Zukunft
  • Vorbereitung auf ein mögliches zukünftiges Ereignis
  • Minimierung des Risikoprofils (Stressreduktion, Rauchstopp)
  • Einbezug von Angehörigen

Wer sich missverstanden oder als Simulant dargestellt fühlt, sich selbst oder andere als hilflos oder kränkend wahrnimmt, erlebt eine negative Beziehungserfahrung und Verletzung des Selbstwertgefühls. Neben den strukturellen Problemen in den Versorgungszentren spielen also auch patientenbezogene Variablen und das Erleben während des Geschehens eine bedeutende Rolle für die Krankheitsbewältigung [3]. Die Patienten fühlen sich durch die Ereignisse überrollt und erleben sich selbst und ihre Angehörigen häufig überfordert. Sie nehmen sich verletzbar wahr, und durch die Todesbedrohung wird ihnen plötzlich bewusst, dass das Leben endlich ist.

Eine chronische KHK kann langfristig den Verlust von Leistungsfähigkeit, Beruf und Kontakten bedeuten. Patienten äußern Angst vor sozialem Abstieg und fühlen sich schuldig, der Familie zur Last zu fallen. Sie berichten manchmal von einem Gefühl, von den Behandlern nicht gehört oder nicht verstanden zu werden, trotz subjektiv appellativem Vorgehen. Die Folge ist dann, dass sie die Hilfsangebote nicht aufsuchen, missverstehen oder sogar ablehnen. Hier ist es essenziell, die Informationen und Botschaften der Patienten in einer patientenzentrierten Gesprächsführung zu entschlüsseln und im Rahmen des ganzheitlichen biopsychosozialen Modells zu verstehen.

In der Arzt-Patient-Beziehung erscheint es sinnvoll, die Beschäftigung des Patienten mit seiner Erkrankung nicht zu pathologisieren, jedoch ernst zu nehmen und kontinuierlich als verlässlicher Gesprächspartner zur Verfügung zu stehen. Das bedeutet für den Behandler, die Realität der Todesbedrohung zulassen und selbst aushalten zu können. Das Ziel besteht darin, die Motivation zu positiven Lebensstiländerungen und Resilienz zu fördern sowie die Adhärenz bei bereits entstandenen Folgeschäden zu steigern und – wenn nötig – adäquate psychotherapeutische Behandlungen einzuleiten.

Gesundheitserhaltende Interventionen bei der Arbeit mit KHK-Patienten sind:

  • Abbau von Belastungen (Kompetenz-, Stressbewältigungs- und Problemlösetraining)
  • externe Stressfaktoren minimieren (Zeitmanagement, Struktur, Kommunikation)
  • Bewältigung emotionaler Stressoren (Ärger, Angst, Traurigkeit, belastende Gefühle regulieren lernen)
  • Ressourcenaktivierung (Stärkung positiver Aktivitäten und des sozialen Netzes)
  • Verbesserung der Selbstfürsorge (Auszeit, Entspannung, Sport)
  • Korrektur fehlerhafter Überzeugungen und Erwartungen an andere und an sich selbst

Ausschlaggebend bei der Versorgung von KHK-Patienten ist ein multimodales, interdisziplinäres und vernetztes Handeln, das neben medizinischer, medikamentöser und psychotherapeutischer Behandlung auch gesundheitsfördernde Kompetenzen beinhaltet.

Erschwerende Lebensbedingungen und als fehlend wahrgenommene Unterstützung des sozialen Umfelds, Persönlichkeitsstrukturen, mangelnde Ressourcen, emotionale Zustände und ungünstige Risikokonstellationen können sich negativ auf die Gesundheit eines Menschen auswirken und eine bestehende KHK im Verlauf negativ beeinflussen

Bei Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen handelt es sich meist um somatisch chronisch erkrankte Menschen, die jedoch nicht primär psychisch krank und dennoch in ihrer Lebensqualität und Leistungsfähigkeit beeinträchtigt sind. Mindestens eine psychosomatische Grundversorgung ist in diesen Fällen notwendig. Im optimalen Fall kommt dem Patienten eine ausführliche Anamnese der psychosozialen Risikofaktoren zugute. Im Verlauf einer KHK sollten die Patienten ein Screening auf Depression, Angststörung und Traumafolgestörung erhalten, um bei bestehenden Indikationen störungsspezifische Behandlungen zu erhalten.

Die Literaturliste finden Sie hier.

Ludmila Peregrinova ist Dipl.-Psychologin und Psychologische Psychotherapeutin (TfP). Ihre psychotherapeutischen Tätigkeitsschwerpunkte liegen in der medizinischen Rehabilitation und nach akuten traumatischen kardialen Ereignissen; Krisenintervention, Notfallpsychologie, Psychotraumatologie sowie psychosoziale Faktoren in der Transplantationsmedizin.