Ernährungs-BlogBlue Zones: Der Schlüssel für ein langes gesundes Leben?

In den sog. Blue Zones leben überdurchschnittlich viele Hundertjährige. Diese geographischen Regionen sind über die ganze Welt verteilt, doch es gibt Gemeinsamkeiten.

Insel Ikaria, Griechenland, Strand und Meer
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Die griechische Insel Ikaria gehört zu den sog. Blue Zones, in denen die Menschen ungewöhnlich alt werden.

von Johanna Zielinski

In den sog. Blue Zones leben die Menschen statistisch gesehen am längsten. Neben der vergleichsweise überdurchschnittlich langen Lebensdauer erfreuen sich die Bewohner auch guter Gesundheit. Hier tritt nur ein kleiner Teil der Krankheiten auf, die in anderen Teilen der entwickelten Welt gesundheitliche Probleme darstellen.

Blue Zones sind vorwiegend isolierte Orte

Die weltweit verteilten Gebiete wurden erstmals von dem amerikanischen Autor Dan Buettner als Blue Zones betitelt. In seinem Artikel The secrets of long life schreibt er im National Geographic Magazin über die Besonderheiten der Regionen in Okinawa (Japan), Sardinien (Italien), Nicoya (Costa Rica), Ikaria (Griechenland) und Loma Linda (USA).

Alle Zonen sind auf den ersten Blick warm und sonnenreich. Studien und Beobachtungen vor Ort zeigen aber noch mehr Parallelen. Eine Gemeinsamkeit bildet die traditionelle Lebensweise. Die Blue Zones sind meist isolierte Orte in Bergen, Tälern oder auf Inseln. Die Bewohner bauen ihre Lebensmittel selbst an und leben vorwiegend autark. Belastungen der hochtechnisierten Welt - darunter Lärm, Verkehrsstaus, Smog, Zeitdruck, künstliche Beleuchtung oder Umweltverschmutzung - kommen kaum vor bzw. fehlen völlig. Der Zugang zu sauberem Wasser und medizinischer Versorgung ist jedoch gegeben. 

Traditionelles Leben

Das traditionelle Leben fordert regelmäßige Bewegung an der frischen Luft – ein Beispiel sind die Schäfer auf Sardinien. Auch durch Gartenarbeit wird die alltägliche, moderate Bewegung gefördert.
Zudem achten die Langlebigen auf ausreichend Entspannung. Zum Beispiel durch Meditieren in Japan oder einer Siesta im Mittelmeerraum.

Spiritualität

In Loma Linda, Kalifornien, sind es die Gebete. Hier leben viele Mitglieder der Siebenten-Tags-Adventisten – eine protestantisch-freikirchliche Gemeinschaft. Ihr Lebensstil unterscheidet sich stark von den modernen, amerikanischen Einflüssen ringsherum. Studien zeigen, dass Menschen, die einer Glaubensgemeinschaft angehören, länger leben als jene ohne Religionszugehörigkeit. Meist sind die Hochbetagten der Blue Zones spirituell oder religiös verankert – was zudem das Zugehörigkeitsgefühl stärkt.

Lebenszweck

Auch der Lebenszweck spielt in den Blue Zones eine wichtige Rolle – und er ist klar definiert. Fest in den Alltag integrierte Begriffe wie Ikigai (Lebensziel, Japan) oder Plan de Vida (Lebensplan, Nicoya) geben einen Hinweis auf das Streben nach Erfüllung und Glück im Leben.

Die Langlebigen wissen, warum sie morgens aufstehen und wofür es sich lohnt zu leben. Sie haben feste Routinen und Gewohnheiten, mit denen sie dem Alltagsstress begegnen. Genauso wichtig wie die Entspannungsphasen ist auch ein ausreichender und erholsamer Schlaf. Meist gehen sie zeitig ins Bett, um frühmorgens ausgeruht den Tag zu beginnen.

Die Langlebigen wissen, warum sie morgens aufstehen und wofür es sich lohnt zu leben.

Soziale Einbindung

Eine weitere Gemeinsamkeit ist die enge Eingebundenheit in soziale Kontakte. Das Miteinander und die Integration spielen eine wichtige Rolle, ganz unabhängig vom Alter. Die jungen Generationen kümmern sich um die Alten. Eltern und Großeltern wohnen oftmals in der unmittelbaren Umgebung. Langlebige Menschen werden entweder in soziale Kreise hineingeboren, die gesundheitsförderliches Verhalten vorleben, oder sie wählen diese Kreise bewusst aus.

Studien untermauern die Bedeutung der sozialen Umgebung. Sie zeigen z.B., dass Glücksgefühle bzw. Zufriedenheit innerhalb sozialer Gruppen übertragen werden können. Was wiederum Auswirkungen auf die psychische Gesundheit haben kann. Die Langlebigen weisen eine hohe Resilienz auf und klagen kaum über Depressionen.

Ernährung

Interessante Gemeinsamkeiten finden sich auch in punkto Ernährung. Meist bauen die Langlebigen ihre Nahrung selbst an und halten Nutztiere. Natürliche, saisonale und regionale Produkte bilden die Grundlage der Ernährung. Das Essen wird traditionell zubereitet. Fertiggerichte, Fast-Food und raffinierten Zucker sucht man (noch) vergebens.

In der Blue Zone von Loma Lima stellen Obst und Gemüse die Basis der Nahrung dar - mit mehr als 60 Prozent. Hinzu kommen Hülsenfrüchte, Nüsse, Samen und Milchprodukte. Viele Adventisten sind Vegetarier, obwohl Fleisch religiös betrachtet, erlaubt wäre. Die Gemeinschaft rät vom Konsum alkoholischer Getränke sowie von Tabak und weiteren Drogen ab.

Studien in Loma Lima zeigten, dass die vegetarische Ernährung, der regelmäßige Konsum von Nüssen, die Vermeidung von Übergewicht, das Rauchverbot und die regelmäßige Bewegung Gründe für die Gesundheit und Langlebigkeit in den Blue Zones darstellen.

Auf den Okinawa-Inseln in Japan gestaltet sich das Essen vielfältig und saisonal. Neben Gemüse (v.a. purpurfarbene Süßkartoffeln) und Früchten zählen Reis, Tofu, Algen und geringe Mengen an Fisch und Fleisch zum Speiseplan. Gern wird als Getränk grüner Tee gereicht. Auch Ingwer und Kurkuma zählen zum Repertoire.

Ein ähnliches Bild zeigt sich in den Bergen Ikarias. Die Bewohner ernähren sich ausgewogen, mediterran und vorwiegend pflanzlich. Darunter Gemüse, Obst, Hülsenfrüchte, Kartoffeln, Olivenöl und manchmal Fisch.

In Sardinien werden vermehrt Vollkorn- und Milchprodukte verzehrt. Insbesondere Sauerteigbrot. Aber auch Gemüse aller Art, sowie frischer Fisch und etwas Fleisch.

Die Bewohner der Nicoya-Halbinsel essen Gemüse, Reis, Hülsenfrüchte, Eier und geringe Mengen an Fleisch. Ähnlich wie in Sardinien werden auch hier häufig Vollkorn- und Milchprodukte verspeist.

Vollkorngetreide und Hülsenfrüchte werden in den blauen Zonen aufwendig zubereitet. Die Fermentation ist z.B. eine traditionelle Methode zur Haltbarmachung und Zubereitung.

Fazit

Zusammenfassend kann man also sagen, dass in den Blue Zones unverarbeitete und frische Nahrung auf den Tisch kommt. Die Ernährung ist pflanzenbasiert und wird durch geringe Mengen von hochwertigen Milch-, Fisch- und Fleischprodukten ergänzt. Dadurch vermeiden die Bewohner der Blue Zones im Gegensatz zu uns Lebensmittel mit reichlich Kalorien, Zusatzstoffen, Zucker und Transfettsäuren. Und damit sinkt auch ihr Risiko für die gängigen Wohlstandserkrankungen. 

Hinzu kommt das maßvolle Essen, das in allen Blue Zones gelebt wird. Zum Beispiel durch Kalorienrestriktion oder Fasten.

In Japan wird darauf geachtet, dass der Magen nur zu 80 Prozent gefüllt ist. Die Kalorienaufnahme wird also beschränkt und es wird achtsam gegessen. Generell wird in den Blue Zones neben den Hauptmahlzeiten kaum gesnackt, oder ab einer gewissen Uhrzeit gar nichts mehr gegessen.

In einigen Regionen erhält das Fasten auch durch den Glauben eine wichtige Bedeutung. Studien bestätigen die lebensverlängernde und gesundheitsförderliche Wirkung von Kalorienrestriktion und/oder Fastenphasen. Denn durch die gesteigerte Autophagie – einem Prozess der Zellreinigung – kann der Körper besser regenerieren und die Zellen erneuern.

Voraussetzung für den positiven Effekt der Langlebigkeit ist allerdings, dass die Ernährung trotz der geringeren Kalorienzufuhr alle essenziellen Nährstoffe enthält. Das erreicht man wiederum durch Ausgewogenheit. Auch haben alle Zonen gemeinsam, dass nur wenig oder gar kein Alkohol getrunken und kein Tabak konsumiert wird. 

Die Mischung aus Ernährung, Bewegung, Umfeld und Mindset entscheidet also maßgeblich, ob wir gesund bleiben oder krank werden. Wir können aktiv beeinflussen, ob wir ein langes, gesundes Leben führen. Auch Studien zeigen, dass vorwiegend unser Lebensstil, nicht die Gene, über die Gesundheit und das Altern entscheiden. Die Blue Zones sind dafür ein ausgezeichnetes Vorbild.

Blue Zone-Tipps für den Alltag 

Ernährungsstil

 Basis: ausgewogen, vollwertig, pflanzenbasiert 

  • unverarbeitete Nahrungsmittel wie Fertiggerichte, Fast Food & Co unbedingt meiden
  • Softdrinks meiden, Alkohol meiden bzw. reduzieren 
  • saisonale, regionale, und/oder fermentiertes Gemüse und Obst, Vollkorngetreide und Hülsenfrüchte
  • für die Zubereitung mehr Zeit einplanen 
  • pflanzliche Fette und Öle, z.B. Olivenöl
  • Konsum von Fleisch, Fisch und Milchprodukte gering und qualitativ hochwertig 
  • fermentierte Milchprodukte aus Schafs- oder Ziegenmilch
  • Maß halten & achtsam essen
Bewegung
  • Tägliche, moderate Bewegung z.B. durch einen Spaziergang in der Mittagspause, Radfahren und häufig zu Fuß gehen, Treppe statt Aufzug.
  • Aktivitäten an der frischen Luft und in der Natur.
Entspannung
  • Entspannen und Abschalten im Alltag – z.B. durch Meditation oder Atemübungen. 
Lebenszweck
  • Den eigenen Lebenszweck finden/verfolgen/definieren. 
Schlaf
  • ausreichender und erholsamer Schlaf
Sozialleben
  • enge soziale Kontakte pflegen
Spiritualität
  • Spirituelle oder religiöse Verankerung stärken das Gemeinschaftsgefühl.

Johanna Zielinski ist Diplom-Ökotrophologin (Ernährungswissenschaften) und absolviert derzeit eine Weiterbildung im Bereich Psychologie. Journalistische Stationen erfolgten beim WDR sowie einem privaten Radiosender. Sie ist als Ernährungsberaterin sowie als freie Autorin und Sprecherin tätig.

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