PräventionLungenkrebsfrüherkennung: Fachgesellschaften stellen Eckpunktepapier vor

Wissenschaftler haben Eckpunkte eines nationalen Früherkennungsprogramms vorgestellt, das vor allem das Sterberisiko für langjährige Raucher deutlich senken kann.

Illustration: Lunge im menschlichen Körper
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Etwa 57.000 Menschen in Deutschland erkranken jedes Jahr an Lungenkrebs. Ein strukturiertes Lungenkrebs-Screening-Programm in Deutschland kann Menschenleben retten, sagen Kliniker.

Rund 45.000 Deutsche sterben jährlich an Lungenkrebs, weil der Tumor zu spät erkannt wird. Das soll sich jetzt ändern. Wissenschaftler*innen haben Eckpunkte eines nationalen Früherkennungsprogramms vorgestellt, das vor allem das Sterberisiko für langjährige Raucher deutlich senken kann.

Klar definierte Empfehlungen

Ein Jahr haben Expert*innen der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP), der Deutschen Röntgengesellschaft (DRG) und der Deutschen Gesellschaft für Thoraxchirurgie (DGT) gemeinsam daran gearbeitet.

„Wir geben behandelnden Ärzt*innen sowie der Gesundheitspolitik klar definierte Empfehlungen an die Hand, die ein einheitliches, strukturiertes, qualitätsgesichertes Früherkennungsprogramm ermöglichen, das effektiv, sicher und zudem kosteneffizient ist“, sagt der Pneumologe Prof. Torsten Blum. „Gleichzeitig warnen wir vor den realen Gefahren für Teilnehmer an unstrukturierten sowie unzureichend koordinierten Screening-Maßnahmen, da so unnötigerweise Schwachstellen und Fehlerquellen entlang der gesamten Prozesskette drohen.“

Die für die Anwendung des Computertomografie-Screenings notwendige Rechtsverordnung des zuständigen Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz könnte schon zum Jahreswechsel in Kraft treten. Anschließend hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), der über den Leistungsanspruch gesetzlich krankenversicherter Menschen entscheidet, 18 Monate Zeit für die Erarbeitung einer notwendigen Richtlinie.

„Ein unstrukturiertes Lungenkrebs-Screening ohne konkrete Richtlinien-Vorgaben ist somit vielleicht schon zum Jahresbeginn möglich, ein strukturiertes Programm aber erst mit den Beschlüssen des G-BA“, erklärt Thoraxchirurg Prof. Hans Hoffmann. „Als Kliniker wünschen wir uns natürlich zeitnah gute Richtlinien für ein strukturiertes Lungenkrebs-Screening-Programm in Deutschland, da es Menschenleben retten wird. Wir wissen aber auch um die damit einhergehende Arbeit und Verantwortung für den G-BA. Seitens der im Lungenkrebs-Screening beteiligten Fachgesellschaften unterstützen wir den zuständigen Bundesausschuss in seiner Arbeit, da wir alle ein wirksames und sicheres nationales Programm möchten.“

Nutzen und Sicherheit von Lungenkrebsscreenings unstrittig

Obwohl Nutzen und Sicherheit von Lungenkrebs-Screenings wissenschaftlich unstrittig sind, gilt es aber bis zum Vorliegen der G-BA-Richtlinie, weiterhin auf die Gefahren hinzuweisen. Die Botschaft ist hierbei klar: Niedrige Teilnahmequoten sowie hohe Raten an Überdiagnosen oder falsch-positiven Befunden gefährden die Früherkennungsziele. Sie können aber durch klare Strukturvorgaben vermieden werden.

„Im Rahmen unserer HANSE-Studie zur Lungenkrebsfrüherkennung konnten wir an drei Klinik-Standorten in Norddeutschland zeigen, dass ein strukturiertes Lungenkrebs-Screening-Programm im bestehenden Gesundheitssystem gut integrierbar und machbar ist“, zeigt Radiologe Prof. Jens Vogel-Claussen auf. „Die Umsetzung unserer Empfehlungen wird zu einer wirksamen und sicheren Lungenkrebs-Früherkennung in Deutschland führen. Aber auch zukünftig ist eine Beteiligung der Fachgesellschaften wichtig, um ein nationales Programm aufgrund neuer Forschungserkenntnisse gemeinsam weiterzuentwickeln.“

An wen richtet sich das Lungenkrebsscreening?

Konkret soll sich das Lungenkrebs-Früherkennungsprogramm mittels niedrigdosierter Computertomografie richten an

  • Menschen im Alter zwischen 50 und 75 Jahren, die mindestens 25 Jahre rauchen oder deren Rauchstopp weniger als 10 Jahre zurückliegt.
  • Auch Betroffenen mit mindestens 15 Packungsjahren soll das Screening ermöglicht werden.

Dies träfe insgesamt auf rund 3,3 Millionen Männer sowie etwa 2,2 Millionen Frauen in Deutschland zu, so die Experten. Die sich jährlich wiederholende Vorsorgeuntersuchung soll von einer zentralen Stelle koordiniert werden. „Die Lungenkrebsfrüherkennung im Rahmen eines gut strukturierten Screening-Programms ist eine der wichtigsten Empfehlungen der vergangenen 10 Jahre im Bereich Lungenkrebs“, hebt Prof. Wolfram Windisch die Bedeutung des Papiers hervor. „In diese organisierten Vorsorgeuntersuchungen müssen aber auch verpflichtend Programme zur Rauchentwöhnung eingebettet werden, da deren Zusatznutzen wissenschaftlich klar belegt ist.“

Lungenkrebs in Zahlen

  • Etwa 57.000 Menschen in Deutschland erkranken jedes Jahr an Lungenkrebs. Nur rund 21 Prozent der Frauen und etwa 15 Prozent der Männer überleben die darauffolgenden fünf Jahre.
  • Bei Männern ist Lungenkrebs nach Prostatakrebs die zweithäufigste, bei Frauen nach Brustkrebs und Darmkrebs die dritthäufigste Krebsneuerkrankung.
  • Zuletzt wurden in Deutschland fast 45.000 Todesfälle durch Lungenkrebs registriert – pro Jahr.
  • Weltweit sind es jährlich in etwa 1,8 Millionen Todesfälle.

Neues Versorgungsangebot durch regionale Lungenkrebs-Zentren

Was Patient*innen sowie deren Angehörige bei einer Lungenkrebserkrankung zusätzlich enorm belastet: Mit dem Lungenkarzinom als Grunderkrankung gibt es sehr oft zahlreiche Begleiterkrankungen. Darüber hinaus tritt keine andere Krebsart mit so vielen Symptomen auf.

„Was die Risikogruppe braucht, ist ein flächendeckendes und hochwertiges Versorgungsangebot. Vertragsärztliche Radiologien sowie die Radiologie in einem auf Lungenkrebs spezialisierten Zentrum sollen eine qualitätsgesicherte Untersuchung sowie eine exzellente Befundqualität sicherstellen“, sagt der Radiologe Prof. Konstantin Nikolaou. „Dabei soll jedem Lungenkrebs-Zentrum ein fest definierter regionaler Versorgungsbereich in Deutschland zugewiesen werden.“

Frühzeitige Lungenkrebsbehandlung geht nur im interdisziplinären Team

Konkret wird in dem Positionspapier dargelegt, wie ein organisiertes Lungenkrebs-Früherkennungsprogramm in Deutschland genau aussehen kann. Dabei wird nicht nur die Zielgruppe definiert, auch die konkreten Behandlungsmethoden, Untersuchungsintervalle, Ressourcenaufwände, Anforderungen an die Screening-Einrichtungen und die Qualifikation der behandelnden Medizinerinnen und Mediziner wird dargelegt.

Festgeschrieben ist auch, dass die Untersuchung sowie die gesundheitliche Beurteilung von betroffenen Patient*innen nur im interdisziplinären Team geschehen kann. Dazu zählen Fachärzt*innen für Pneumologie, Radiologie und Thoraxchirurgie. „Für die umfassende Beurteilung und weitere Behandlung bei der Lungenkrebs-Früherkennung brauchen wir eine breite Expertise in den Fallbesprechungen. Für die Thoraxchirurgie ist ein qualitätsgesichertes Früherkennungsprogramm mittels niedrigdosierter Computertomografie der Schlüssel dazu, Lungenkrebs früher als bisher zu erkennen und die Sterberate zu reduzieren“, sagt Thoraxchirurgin Dr. Katrin Welcker.

Vorschlag für Gemeinsamen Bundesausschuss

Noch gibt es kein Lungenkrebs-Screening als flächendeckend organisierte Vorsorgeuntersuchung für Risikogruppen. Vergleiche mit dem seit Jahren etablierten Mammografie-Screening zur Brustkrebs-Früherkennung bei Frauen weisen laut der Expert*innen aber auf die enormen Erfolgsaussichten hin. Neben den medizinischen und gesundheitlichen Aspekten hat das Positionspapier auch die ökonomischen Punkte im Blick: „Der Lungenkrebs nimmt jeweils den ersten Rang bei den direkten und indirekten krebsbedingten Gesundheitskosten in Europa ein“, sagt Autor Torsten Blum. „Nach unserer Vorstellung sollen die Krankenkassen die Kosten für das Lungenkrebsscreening tragen. Mehrere gesundheitsökonomische Modelle konnten mittlerweile die Kosteneffektivität von jährlichen niedrigdosierten CT-Lungenkrebs-Screening-Programmen nachweisen“, so der Wissenschaftler.

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin