Social Media und KörperbildHungern für mehr Likes?

Der Wunsch nach Likes triggert Körperunzufriedenheit und Essverhalten. Das zeigen aktuelle Studien.

Frauenhände tippen auf Smartphone, Likes und Emojis
Urupong/stock.adobe.com. Stockphoto - Posed by a Model.

Eine intensive Nutzung sozialer Medien geht mit mit Risikofaktoren für Essstörungen bei jungen Nutzer*innen einher.

Die Nutzung sozialer Medien löst bei Jugendlichen häufig Unzufriedenheit mit dem eigenen Körperbild aus und erhöht das Risiko, ein problematisches Essverhalten zu entwickeln. Das belegen neue Studien. Umgekehrt zeigt eine aktuelle Studie, dass sich Essstörungssymptome bei Studierenden signifikant reduzieren, wenn sie eine Woche auf die Social-Media-Nutzung verzichten.

Vergleiche beeinflussen Körperbild

Längsschnittdaten aus zahlreichen Studien belegen: Eine längere und intensivere Nutzung sozialer Medien geht mit mit Risikofaktoren für die Entwicklung von Essstörungen bei jungen Nutzer*innen einher. Das zeigt sich insbesondere in einem negativeren Körperbild und problematischem Essverhalten [1].

"Dabei spielt v.a. die Nutzung visueller Inhalte wie Fotos und Videos eine Rolle, und es sind v.a. Vergleichsprozesse, die einen Einfluss auf das Körperbild haben", sagt Prof. Katrin Giel vom Uniklinikum Tübingen.

Dies bestätigt auch eine aktuelle australische Studie, in der Social Media bei gesunden Jugendlichen mit Körperbildsorgen verbunden waren [2]: "Die Wichtigkeit, die Likes auf Social Media zugemessen wurde, war mit einem restriktiven Essverhalten und größerer Körperunzufriedenheit verknüpft“, erläutert Giel. Umgekehrt bestätigt eine aktuelle experimentelle Studie, dass sich Essstörungssymptome bei Studierenden signifikant reduzieren, wenn sie eine Woche auf eine Social-Media-Nutzung verzichteten [3].

Resonanzraum Social Media

Diese Ergebnisse legen einen möglichen Weg nahe, wie problematisches Essverhalten im Zusammenspiel mit TikTok & Co entsteht. „Junge Menschen, denen es sehr wichtig ist, auf Social Media positive Rückmeldungen zu erhalten, scheinen einem höheren Risiko zu unterliegen, aktiv ihr Essverhalten zu verändern, um ihre Beliebtheit zu sichern oder zu steigern“, erläutert Giel.

Dabei müsse man berücksichtigen, dass sich dieses Verhalten in einem verletzlichen Alter abspielt, der Adoleszenz. „Für viele Jungen und Mädchen ist diese Zeit mit Selbstwertthemen und -problemen assoziiert, sie entwickeln ihre eigene Persönlichkeit, wollen ihren Platz im Leben finden und suchen dabei Orientierung“, so Giel. Das Bedürfnis, einer Gruppe anzugehören, sich dort stark zu fühlen und akzeptiert zu werden, findet auf Social-Media-Kanälen einen Resonanzraum. „Der eigene Körper kann dabei ein Vehikel sein, einer solchen Gruppe anzugehören, indem man Körperidealen nacheifert“, meint die Psychologin.

Social-Media-Abstinenz kann Normalisierung bewirken

  • Nimmt das Essverhalten bedenkliche Formen an, kann zum einen die Abstinenz von Social-Media-Plattformen eine Normalisierung bewirken.
  • Aber auch die Vermittlung von Medienkompetenz bei Jugendlichen beider Geschlechter ist wirksam, um Risikofaktoren für Essstörungen zu reduzieren, insbesondere Körperunzufriedenheit und Diätverhalten [4].

„Wesentliche Inhalte solcher Präventionsansätze umfassen die Reflexion des eigenen Nutzungsverhaltens, das Thematisieren digitaler Bewertungsmechanismen, kritisches Hinterfragen transportierter Körperideale und die Aufklärung über das Zustandekommen von Inhalten etwa durch die Nutzung von Bildbearbeitungsprogrammen oder finanzielle Interessen von Influencer*innen“, erläutert Giel.

Junge Frauen öfter betroffen als junge Männer

Essstörungen entwickeln sich in der Jugend, wobei junge Frauen deutlich häufiger als heranwachsende Männer betroffen sind – vor der Corona-Pandemie waren dies etwa 2 bis 4 Prozent aller weiblichen Erwachsenen. Die 3 wichtigsten Essstörungen sind:

  • Magersucht (Anorexia nervosa),
  • Ess-Brech-Sucht (Bulima nervosa) und
  • Binge-Eating-Störung mit regelmäßigen Essattacken.

„Das sind schwere psychische Erkrankungen, die eine Psychotherapie erfordern“, sagt Giel. Zur Entstehung tragen Persönlichkeitseigenschaften wie niedriger Selbstwert, Perfektionismus und soziale Ängstlichkeit in Kombination mit biologischen und gesellschaftlichen Faktoren bei. „Zu letzterem zählen auch die sozialen Medien“, so Giel.

Terminhinweis

Social Media und Essstörungen wird Thema sein auf dem Deutschen Kongress für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie:

Termin: 13.-15. März 2024

Veranstaltungsort: Berlin

Quelle: Deutscher Kongress für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie

Literatur

[1] Sharma A et al. A scoping literature review of the associations between highly visual social media use and eating disorders and disordered eating: a changing landscape. J Eat Disord 2023; https://jeatdisord.biomedcentral.com/articles/10.1186/s40337-023-00898-6

[2] Fatt SJ et al. Digital social evaluation: Relationships between receiving likes, comments, and follows on social media and adolescents' body image concerns. Body Image 2023; https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S1740144523001262?via%3Dihub

[3] Dondzilo L et al. A preliminary investigation of the causal role of social media use in eating disorder symptoms. J Behav Ther Exp Psychiatry 2024; https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0005791623000903

[4] Le LK et al. Prevention of eating disorders: A systematic review and meta-analysis. Clin Psychol Rev 2017; https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0272735816300150