DiabetesFachgesellschaft empfiehlt Diabetes-Behandlung in zertifizierten Kliniken und Praxen

„Der Klinikaufenthalt wird für Diabetespatient*innen zunehmend gefährlich“. So die Bilanz von Expert*innen. Patient*innen sollten sich an zertifizierte Kliniken wenden.

Schriftzug Diabetes, darum herum liegen bunte Pillen, Spritze
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Diabetes-Versorgung: Die Zertifizierung bescheinigt einer Praxis oder Klinik eine evidenzbasierte Patientenversorgung und die Einhaltung hoher Qualitätsstandards.

Etwa jeder dritte Mensch mit Diabetes fühlt sich im Krankenhaus mit seiner Stoffwechselerkrankung unzureichend versorgt. Laut Umfragen unter Betroffenen hat nur jede/r Vierte während des Klinikaufenthaltes Kontakt zu diabetologisch geschultem Fachpersonal [1]. „Der Klinikaufenthalt wird für Diabetespatient*innen zunehmend gefährlich“, so die Bilanz von Expert*innen auf der Jahrespressekonferenz der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG).

Betroffene sollten sich an DDG-zertifizierte Kliniken wenden, die ein hohes Maß an Diabetes-Expertise und Versorgungssicherheit aufweisen. Um Zertifizierungen zu fördern und Kliniken Anreize zu geben, eine entsprechende Expertise vorzuhalten, muss die Krankenhausreform eine adäquate Finanzierung und konsequente Förderung der Fort- und Weiterbildung im Bereich der Diabetologie ermöglichen. Das sei bislang nicht ausreichend berücksichtigt.

Besondere Herausforderung: Kinder mit Typ-1-Diabetes

Selbst für erfahrenes diabetologisches Fachpersonal stellt die Behandlung insbesondere von Kindern und Jugendlichen mit Diabetes Typ 1 eine Herausforderung dar. „Ihre ständig schwankende Stoffwechsellage aufgrund ihres Wachstums bedarf einer hochprofessionellen, interdisziplinären Betreuung – das gilt für die ambulante aber auch für die stationäre Versorgung“, erklärt die Kinderärztin und Diabetologin Dr. Silvia Müther. Sie verweist auf die aktuell angepasste S3-Leitlinie, die auf internationalem Expertenkonsens beruht [2].

Eine weitere Herausforderung bilden die neuen Diabetestechnologien. Sie haben die Behandlung und Lebensqualität der Kinder und Jugendlichen zwar deutlich verbessert, setzen aber immer mehr technische Expertise voraus. Mit diesen Veränderungen könne das Personal in vielen Krankenhäusern neben dem Alltagsgeschäft kaum Schritt halten.

Diabetes-Zertifizierung für mehr Patientensicherheit

"Klinken in Deutschland sind nicht ausreichend auf diese Situation vorbereitet. Nur etwa jede 6. Klinik weist eine adäquate Diabetesexpertise auf“, kritisiert Prof. Baptist Gallwitz von der DDG. Fehlende Diabeteskompetenz könne zu Behandlungsfehlern und Todesfällen führen.

Diabetes-Zertifizierungen sorgen für mehr Patientensicherheit: „Eine spezialisierte Betreuung trägt nachweislich zu einer Senkung der Krankenhaustage und -wiederaufnahmen, einem niedrigeren HbA1c-Wert bei besserem Krankheitsmanagement und zu weniger Folgekomplikationen bei“, so Gallwitz.

Norbert Kuster von der Deutschen Diabetes-Hilfe (DDH) schildert die Situation aus Patientensicht: „Wir merken, dass in Kliniken mit Zertifizierung die Versorgung wesentlich besser ist als in Häusern ohne Zertifizierung“. Er berichtet über ein Mitglied der DDH, dem bei einer akuten Unterzuckerung in der Klinik Insulin gespritzt werden sollte – eine lebensgefährliche Situation.

Bislang gibt es in Deutschland über 1000 zertifizierte Praxen. Bei den Krankenhäusern sei noch Luft nach oben.

Zertifizierte Praxen und Kliniken der Deutschen Diabetes Gesellschaft sind hier zu finden.

Qualität muss transparent sein – und finanziert werden!

Nicht nur Patient*innen profitieren von einer hochwertigen Behandlung in professionalisierten Diabeteszentren. Auch für die Mitarbeitenden und die Einrichtung selbst bietet eine Zertifizierung Benefits.  „Wenn geregelte Fort- und Weiterbildungen, Hospitationen und regelmäßige Besprechungen feste Bestandteile der Arbeit werden, sind die Mitarbeitenden sicherer in der Behandlung von Menschen mit Diabetes und ihre Zufriedenheit steigt“, sagt die Diabetologin Prof. Julia Szendrödi. Dies fördere auch den Zusammenhalt des Teams und erhöhe die Arbeitgeber-Attraktivität des jeweiligen Krankenhauses, das zugleich eine bessere Reputation und Außenwirkung erhalte.

„Im Zuge des Krankenhaustransparenzgesetzes, einer Säule der Krankenhausreform, könnte dies eine entscheidende Komponente der Selbstdarstellung darstellen“, führt die Heidelberger Diabetologin aus. „Zertifizierungen spielen schon jetzt eine entscheidende Rolle für Kliniken, um sich fachlich hervorzuheben und werden voraussichtlich noch entscheidender sein, wenn es nach Inkrafttreten des Transparenzgesetzes darum geht, Patient*innen durch eine qualitativ hochwertige Behandlung für sich zu gewinnen und ihr Standing in der Krankenhauslandschaft zu behaupten.“

Doch das müsse auch finanziert und gesundheitspolitisch gefördert werden. „Damit sich die Mitarbeitenden in den Krankenhäusern die notwendige Expertise aneignen können, müssen ausreichende finanzielle Mittel bereitgestellt werden“, so Gallwitz. Um also auch im Bereich der Diabetologie eine flächendeckende leitliniengerechte Versorgung gewährleisten zu können, müssten drei wichtige Punkte in die politische Agenda miteinfließen:

3-Punkte-Plan für eine sichere Diabetesversorgung 

  • Strukturierte Diabetes-Erkennung und -Versorgung in allen Krankenhäusern!
  • Vulnerable Gruppen schützen! Kinder sowie multimorbide ältere Menschen mit einem Diabetes brauchen besondere Pflege und zeit-intensive ärztliche Betreuung.
  • Versorgungsqualität muss finanziert werden! Krankenhäuser mit Diabetesbehandlungsstrukturen sollten finanzielle Zuschläge erhalten. Einrichtungen ohne diabetologische Expertise finanzielle Abschläge.

Quelle: Jahrespressekonferenz der Deutschen Diabetes Gesellschaft/22.2.2024/Ni

Literatur

[1] Hess G et al. Erfahrungen von Diabetes Typ 1 Patienten bei stationären Behandlungen - eine Patientenbefragung von winDiab.  Diabetologie und Stoffwechsel 2023

[2] S3-Leitlinie. Diagnostik, Therapie und Verlaufskontrolle des Diabetes mellitus im Kindes- und Jugendalter. https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/057-016